Libanon:Israel gewährt Flüchtlingen keine Feuerpause

Tausende Ausländer flüchten derzeit aus dem Libanon - darunter hunderte Deutsche. Die Bitte Australiens, die Angriffe wegen der Flüchtlinge vorübergehend einzustellen, hat Israel abgelehnt.

Israel hat eine Bitte Australiens nach einer kurzen Feuerpause im Libanon zum Schutz der ausländischen Flüchtlinge zurückgewiesen.

Am Düsseldorfer Flughafen begrüßt ein Vater seine aus dem Libanon geflohene Tochter

Am Düsseldorfer Flughafen begrüßt ein Vater seine aus dem Libanon geflohene Tochter.

(Foto: Foto: ddp)

"Wir haben die Israelis gefragt, ob nicht eine kurze Waffenruhe möglich sei, damit unsere Landsleute und andere Ausländer den Libanon verlassen können", sagte der australische Außenminister Alexander Downer.

Außerdem habe seine Regierung um einen Schutzkorridor gebeten, um den Fluchtweg zu sichern. Beides habe Israel mit dem Hinweis abgelehnt, der Libanon sei "Kriegsgebiet".

In den vergangenen Tagen hatte die israelische Luftwaffe mehrfach Flüchtlingskonvois beschossen. Auch das Grenzgebiet zu Syrien wurde immer wieder angegriffen. Dutzende Menschen starben.

Australien hatte am Montag 86 seiner Bürger ins Nachbarland gebracht. Am Dienstag waren vier Busse mit etwa hundert weiteren Australiern unterwegs.

Aus Sicherheitsgründen organisieren die europäischen Botschaften gemeinsame Buskonvois. Etliche Deutsche waren in einem begleiteten Buskonvoi von Beirut ins Nachbarland Syrien gebracht worden.

Deutsche auf der Flucht

Ein Airbus der LTU mit 320 deutschen und anderen Flüchtlingen aus dem Libanon ist am Morgen um 8.35 Uhr auf dem Flughafen Düsseldorf gelandet, wie der Sprecher der Fluggesellschaft bestätigte. "Die Menschen waren erschöpft und müde", sagte er.

Da der Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut nach israelischen Bombardements zerstört ist, wurden die Gäste der Ferienfluggesellschaft LTU und 20 Passagiere anderer Airlines in Zusammenarbeit mit dem Auswärtigen Amt zunächst mit Bussen in die syrische Hauptstadt Damaskus gebracht und von dort ausgeflogen. Das Auswärtige Amt plant für Mittwoch weitere Evakuierungen.

"Morgen früh soll ein weiterer Konvoi Beirut in Richtung Syrien verlassen", sagte ein Sprecher des Außenamtes in Berlin. Von dort sollen erneut "mehrere hundert" Deutsche und ihre engsten Familienangehörigen mit Chartermaschinen und einem Flugzeug der Bundeswehr ausgeflogen werden.

Die Flüchtlinge im Libanon müssen durch die letzten Lücken im zerstörten Verkehrsnetz schlüpfen. Die Landebahnen des Beiruter Flughafens sind mit Kratern übersät, und viele Straßen und Brücken wurden durch die israelischen Luftangriffe zerstört. Mehrere hundert Deutsche waren so nach Syrien gebracht worden.

Andere Ausländer werden übers Meer in Sicherheit gebracht, zumeist nach Zypern - die Mittelmeerinsel bereitet sich auf einen großen Ansturm vor.

Ein italienisches Kriegsschiff brachte am Montag mehr als 300 Menschen auf die Insel. Unter den Flüchtlingen, die den Zerstörer "Luigi Durand de la Penne" in Larnaka verließen, waren auch viele Frauen mit Kindern. Der Zerstörer brachte insgesamt 339 Menschen nach Zypern, darunter 186 Italiener.

Frankreich brachte 800 Franzosen und 400 weitere Ausländer per Fähre aus Beirut weg. Als der französische Premierminister Dominique de Villepin am Montagabend die Fähre kurz besuchte, brandete ihm erleichterter Beifall entgegen.

Böse Erinnerungen an die 70er Jahre

Der Exodus weckt böse Erinnerungen: Bei Beginn des Bürgerkriegs in den 70er Jahren war die nahe gelegene Insel Zypern schon einmal erster Anlaufpunkt für die Flüchtlinge.

Der Angriff hat die Ausländer völlig überrascht. "Beirut war so ein lebhafter Ort", erinnert sich Elke de Backer, als würde sie von fernen Zeiten sprechen. Doch die belgische Übersetzerin redet von vergangener Woche, von der Zeit vor den israelischen Luftangriffen.

Von einem Tag auf den anderen musste Backer ihren Arabischkurs in der libanesischen Hauptstadt abbrechen und ungewohnte Erfahrungen mit Krieg und Vertreibung machen. Jetzt sitzt sie auf gepackten Koffern und wartet auf den Bus, der sie nach Syrien bringen soll.

Zusammen mit tausenden anderen ausländischen Staatsbürgern, von denen ein Großteil im Libanon lebt oder dort Verwandte hat, ist sie auf der Flucht aus einem Land, in dem sie noch vor wenigen Tagen unbeschwerte Sommerferien verbrachte.

Schmerzhafter Abschied

Im ganzen Beiruter Stadtgebiet versammeln sich dieser Tage Menschen an Treffpunkten wie Botschaften oder Schulen, um sich in Sicherheit bringen zu lassen. In der Innenstadt von Beirut, nahe der quirligen Einkaufstraße Hamra mit ihren eleganten Boutiquen, Bars und dem Starbucks-Café, hat die deutsche Botschaft ihre Sammelstelle eingerichtet.

Für den Libanesen Garen Koschkarian heißt es, hier schmerzhaft Abschied zu nehmen. Er wollte in den kommenden Wochen die Deutsche Kristina Schmidt heiraten. Nun sitzt seine Freundin in einem Bus des deutschen Botschaftskonvois und verabschiedet sich. "Es ist eine Katastrophe für den Libanon und für uns", sagt Koschkarian und umklammert Kristinas Hand. "Jetzt ist alles anders gekommen. Sie muss abreisen."

Die Lehrerin Sigrid Hoste, die ebenfalls in Beirut Arabisch lernen wollte, plagt das schlechte Gewissen: "Ich fühle mich wie ein Feigling", sagt die Belgierin. "Wir reisen ab und lassen unsere libanesischen Freunde zurück."

Auch Hoste ist entsetzt, wie sehr sich das lebenslustige Beirut in den vergangenen Tagen verwandelte: "Es ist eine Geisterstadt geworden."

Während die einen verpatzte Sommerferien und ein paar hundert Euro Kosten bedauern, fürchten viele andere um das Leben ihrer Verwandten, die sie im Bombenhagel zurücklassen müssen: Viele der Flüchtlinge stammen aus dem Libanon und verbrachten gerade die Sommerferien bei ihren Familien.

Dunia Ramadan wartet gemeinsam mit ihren Schwestern und deren Töchtern vor der deutschen Botschaft in Beirut auf die Abreise nach Syrien; in ihren Armen hält sie ihr Baby

"Ich weiß nicht, ob meine Eltern das überleben werden", sagt die verschleierte Frau schluchzend. "Aber wir müssen fliehen, weil unsere Kinder sich so sehr vor den israelischen Luftangriffen gefürchtet haben."

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