Libanon:Hisbollah greift nach der Macht

In der Krise der libanesischen Regierung bringt die radikale Schiitenorganisation Hisbollah die Mehrheit der Abgeordneten hinter sich und setzt den Unternehmer Nadschib Mikati als Premier durch. Ob die Hisbollah das Land künftig allein regieren wird, ist offen.

Die Hisbollah hat am Dienstag die Mehrheit des libanesischen Parlaments hinter sich vereint und den Mobilfunk-Unternehmer Nadschib Mikati als neuen Regierungschef durchgesetzt. Mikati bekam in Beirut die Zustimmung von 68 Abgeordneten, der bisherige Amtsinhaber Saad Hariri kam auf 60.

Electoral campaign posters of former Lebanese prime minister and parliamentary candidate Najib Mikati are seen on a building in a street in Tripoli

Acht Stimmen mehr als Amtsinhaber Saad Hariri konnte sich der Kandidat der Hisbollah, Nadschib Mikati (im Bild), sichern. Ob die radikale Schiitenorganisation das Land künftig allein regieren wird, ist offen.

(Foto: REUTERS)

Präsident Michel Suleiman ernannte den Milliardär Mikati am Dienstag zum neuen Ministerpräsidenten. Die militante Schiitenorganisation Hisbollah hatte den sunnitischen Unternehmer, der das Amt bereits 2005 kurzzeitig innehatte, als Kandidaten nominiert.

Unterdessen demonstrierten Tausende Sunniten gegen die Hisbollah. Am "Tag des Zorns" verbrannten die Demonstranten Reifen und schwenkten Flaggen, vereinzelt kam es zu Gewalttaten. Die Hisbollah wird von Iran und von Syrien unterstützt. Die Gegner der Schiitenorganisation bauen auf westliche Unterstützung. Sie vertreten den Standpunkt, dass eine Machtübernahme der Hisbollah zur internationalen Isolierung des Libanon führen wird.

Die Sunniten protestierten in verschiedenen Teilen des Landes, vor allem in der Stadt Tripoli im Norden, in Beirut und entlang der Schnellstraße zwischen der Hauptstadt und der Hafenstadt Sidon im Süden. Bei der größten Kundgebung in Tripoli forderten Tausende Demonstranten Mikati vor der Parlamentsabstimmung auf, das Amt des Ministerpräsidenten nicht anzunehmen. Die Protestler riefen Parolen zur Unterstützung des amtierenden Regierungschefs Hariri. Einige Demonstranten setzten ein Fahrzeug des TV-Senders al-Dschasira in Brand.

Auslöser der libanesischen Regierungskrise war der Rückzug von zwölf Ministern der Hisbollah und ihrer politischen Verbündeten aus dem Kabinett am 12. Januar. Der Rücktritt von mehr als einem Drittel der Minister führt automatisch zum Scheitern der Regierung. Grund für die kollektiven Rücktritte war die Weigerung von Ministerpräsident Hariri, seine Unterstützung für ein UN-Tribunal aufzukündigen. Das Tribunal untersucht die Ermordung seines Vaters Rafik Hariri. Der damalige Ministerpräsident war 2005 einem Anschlag zum Opfer gefallen. Beobachter vermuten, dass die UN-Ermittler Anklage gegen Hisbollah-Mitglieder erheben werden, die in das Attentat verstrickt sein sollen. Die Schiitenorganisation bestreitet hingegen jede Schuld.

Regierungsbildung unklar

Die Hisbollah kann nun entweder eine eigene Regierung formen und Hariri und seine Verbündeten in die Opposition schicken. Alternativ könnte die Schiitenorganisation auch versuchen, Hariri für eine erneute Regierung der nationalen Einheit zu gewinnen. Der Generalsekretär und Chefideologe der Hisbollah, Hassan Nasrallah, hat sich für die zweite Möglichkeit ausgesprochen.

Hariri schließt aber aus, sich an einer von der Hisbollah geführten Regierung zu beteiligen. Seine Koalition veröffentlichte in der vergangenen Woche eine Erklärung, in der sie der Hisbollah vorwirft, den Libanon in eine "iranische Basis" verwandeln zu wollen und ihre Gegner einzuschüchtern.

Die Hisbollah hingegen betont, dass sie das Scheitern der Regierung auf demokratischem Weg erreicht und auf Gewalt verzichtet habe. Mikati rief am Dienstag zur Beruhigung der Lage auf. Er wolle Ministerpräsident aller Libanesen sein. "Das ist ein demokratischer Prozess", sagte er zu Journalisten. "Ich will mein Land befreien."

Die USA haben seit 2006 Militärhilfen in Höhe von 720 Millionen Dollar (rund 530 Millionen Euro) an den Libanon gezahlt, um das Land auf einen westlichen Kurs zu bringen. Wenn die Hisbollah eine führende Rolle in der Regierung bekäme, wäre eine weitere Unterstützung problematisch, sagte ein Sprecher des US-Außenministeriums am Montag. Washington betrachtet die Hisbollah als Terrororganisation.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: