Libanon:Hariri kündigt Rückkehr an

In Paris versucht der bisherige Regierungschef Vermutungen zu entkräften, Saudi-Arabien habe ihn zum Rücktritt gezwungen. Außenminister Gabriels Vorwürfe an Riad lösen eine Krise aus.

Von Paul-Anton Krüger und Mike Szymanski, Beirut/Berlin

Libanesischer Premier Hariri in Paris

Bienvenu in Paris: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron begrüßt Saad al-Hariri im Elysée.

(Foto: Christophe Ena/dpa)

Es war ein Mittagessen mit Symbolkraft: Frankreichs Präsident Emmanuel Macron empfing den zurückgetretenen libanesischen Premier Saad al-Hariri im Elysée-Palast. Das sollte Spekulationen entkräften, Hariri sei seit seinem Abgang nicht mehr Herr seiner Dinge, sondern von Saudi-Arabien unter Hausarrest gestellt und zum Rücktritt gezwungen worden. Den hatte er per Fernsehansprache von Riad aus am 4. November verkündet. Hariri sagte am Samstag in Paris, er werde am Mittwoch in Beirut am Unabhängigkeitstag teilnehmen. Dort werde er Präsident Michel Aoun treffen. "Wie Sie wissen, bin ich zurückgetreten", schickte er voraus - unwahrscheinlich also, dass er diesen Schritt zurücknehmen wird.

In Libanon wurde bemerkt, dass zwar Hariris Frau Lara und der älteste Sohn an seiner Seite waren, nicht aber seine beiden jüngeren Kinder. Sie gehen in Saudi-Arabien zur Schule, was der Grund sein könnte, dass sie offenbar dort blieben. In Beirut jedoch, wo politische Intrigen beliebter Gesprächsstoff sind, rief das die Frage hervor, ob sie Riad als Faustpfand dienten.

Die Hariris haben neben libanesischen Pässen auch saudische; in Paris besitzt die Familie des Milliardärs eine Residenz. Jahrelang machte Hariris Baufirma Saudi Oger im Königreich beste Geschäfte, bis sie Mitte 2017 pleiteging. Einige Aufträge hatte Hariri vernehmlich durch Khalid al-Tuwaijri bekommen, unter dem 2015 verstorbenen König Abdullah Chef des Hofes. Er gehört zur Gruppe der Prinzen, Regierungsmitarbeiter und Geschäftsleute, die Kronprinz Mohammed bin Salman jüngst hat festsetzen lassen im Zuge einer Kampagne gegen Korruption - die auch etliche politische Widersacher traf. Tuwaijri wird offenbar vorgeworfen, illegal Milliarden an Saudi Oger gezahlt zu haben. Das befeuerte Spekulationen, Hariri sei erpressbar.

Seinen Rücktritt hatte er mit schweren Anschuldigungen gegen Iran und die Hisbollah verbunden, die als enger Verbündeter Teherans in Beirut im Parlament sitzt und an Hariris Einheitskabinett beteiligt war. Sie dominiert mit ihrer Miliz militärisch das kleine Land am Mittelmeer. Die Rolle Teherans und der Hisbollah in der Region war auch Thema der Dringlichkeitssitzung der Außenminister der Arabischen Liga am Sonntag in Kairo auf Verlangen Riads. Hariri nahm nicht teil.

Zuvor hatte er Spekulationen über seine Bewegungsfreiheit wütend zurückgewiesen: "Zu sagen, ich werde in Saudi-Arabien festgehalten und gehindert, das Land zu verlassen, ist eine Lüge. Ich bin auf dem Weg zum Flughafen, Herr Sigmar Gabriel", twitterte er. Der amtierende deutsche Außenminister hatte nach einem Treffen mit seinem libanesischen Kollegen Gebran Bassil vergangene Woche gefordert, aus Europa müsse das Signal kommen, "dass wir das Abenteurertum, das sich in der Region breitgemacht hat, nicht mehr sprachlos hinzunehmen bereit sind". Riad fasste das als ungebührliche Kritik auf und berief den Botschafter zu Konsultationen zurück, obschon das Auswärtige Amt versicherte, die Botschaft sei an "alle Akteure der Region" gerichtet. Riad sagte nach Angaben von Spiegel Online zudem den Besuch des Jemen-Sonderbeauftragten für humanitäre Hilfe in Berlin ab. Auch am Rande der Sondierungen über eine Jamaika-Koalition verursachte Gabriel Aufregung.

Die FDP wirft Gabriel vor, die internationale Rolle Deutschlands zu schwächen

Es war ausgemacht, dass sich die geschäftsführende Regierung zurückhält, keine maßgeblichen politischen Entscheidungen an den potenziellen Regierungspartnern vorbei vorantreibt. Gabriels Vorstoß, so die Einschätzung, habe nicht dazu beigetragen, die Krise zu bewältigen. FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff warf ihm vor, Berlins Rolle zu schwächen. "Dass mit Saudi-Arabien jetzt die sunnitische Führungsmacht ihren Botschafter aus Berlin abzieht, belastet deshalb nicht nur die bilateralen Beziehungen, sondern Deutschlands Position in der Region insgesamt." Sie beruhe auf der "ungewöhnlichen Tatsache, dass unser Land allseitiges Vertrauen genießt. Das gilt für Araber, Israel und Iran, die alle völlig gegensätzliche Interessen verfolgen". Diplomatische Umsicht sei das erste Gebot. "An der hat es hier gefehlt", sagt Lambsdorff.

Aus der eigenen Partei erfährt Gabriel Unterstützung. SPD-Politiker Niels Annen sagte, er teile Gabriels Sorge vor "einer weiteren Destabilisierung der Region". Vorwürfe macht er Angela Merkel. "Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Bundeskanzlerin ähnlich um die Stabilität in der Region bemüht hätte, wie der französische Präsident Macron." Er könne nicht nachvollziehen, dass sie sich "so wenig um die jüngsten Entwicklungen" kümmere, zumal deutsche Soldaten in Libanon im Auslandseinsatz seien, nach Angaben der Bundeswehr derzeit 116 Männer und Frauen.

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