Libanon:Gebraucht und beäugt

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Grafik: SZ

Die Wirtschaft des Landes ist angewiesen auf die billigen Arbeitskräfte, die aus dem Nachbarland geflohen sind. Der schiitischen Hisbollah aber, eng mit den Machthabern in Damaskus verbündet, sind sie suspekt.

Von Ronen Steinke

Neulich hat die Regierung in Libanon sinngemäß erklärt, das Boot sei voll. Nachdem das kleine Land mit seinen vier Millionen Einwohnern 1,4 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen habe, sei es Zeit für einen Aufnahmestopp, hieß es im Januar. Die schiitische Hisbollah-Miliz, die in Beiruts Politik den Ton mit angibt und gleichzeitig ein militärischer Verbündeter des Assad-Regimes ist, findet ohnehin: Syrien ist ein sicheres Herkunftsland.

Der lauteste Protest dagegen kam jedoch nicht von Menschenrechtlern, sondern aus der libanesischen Bauwirtschaft: Libanon ist voller Baukräne und Betonpumpen, vielerorts werden Syrer als billige Arbeitskräfte gebraucht, und viele der Flüchtlinge, die irgendwann über die Grenze gekommen sind und sich in Libanon registriert haben, sind längst weitergereist. Die wahre Zahl liegt also weit unter den offiziellen 1,4 Millionen.

Eine Beiruter Zeitung nennt die Flüchtlinge "das Rückgrat des landwirtschaftlichen Sektors"

Stimmt es, dass die Fremden auf dem Arbeitsmarkt die Einheimischen verdrängen? Mancherorts ja. Genauso oft aber gibt es Meldungen wie die von den Weinbauern im Süden, nah an der Grenze zu Israel, die im Juli aufschrien: Sie würden Saisonarbeiter aus Bangladesch anwerben, wenn nicht endlich die staatliche Repression gegen Syrien-Flüchtlinge aufhöre. Die in Beirut erscheinende Zeitung Daily Star nennt die Syrer inzwischen "das Rückgrat des landwirtschaftlichen Sektors". Die weithin offene Grenze zu Syrien ist nun wieder fast so offen wie vorher.

Kein anderes Land ist traditionell so eng verbunden mit Syrien. Beirut war für Syrien traditionell der bevorzugte Mittelmeerhafen, viel Handel wurde hier abgewickelt. Zugleich war das kleine Libanon in den Achtzigerjahren eine Spielwiese für Syrer, ein Ort, an dem sie Dinge genießen konnten, die in ihrer autoritär-sozialistischen Republik verpönt waren: Luxusgüter, schöne Autos, Kasinos. Das syrische Assad-Regime wünschte sich schwache Nachbarn, die es dominieren konnte. Das kleine, multiethnische Libanon wurde so zum Spielball der Interessen des großen Nachbarn: Assad förderte die Hisbollah und damit den Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten.

Die Folge: Es gibt heute kein anderes syrisches Nachbarland, in dem es für Syrer so ungemütlich ist. Der Hisbollah sind die Syrien-Flüchtlinge suspekt, weil man sie für Feinde Assads hält. Die Miliz stattet Flüchtlings-Slums einschüchternde Besuche ab. Nach Informationen des privaten Beiruter Recherche-Zentrums Umam soll sie eine eigene Geheimgruppe gegründet haben, um von Syrern frequentierte Moscheen zu überwachen.

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