Süddeutsche Zeitung

Libanon:Dutzende Verletzte bei Müll-Protesten

  • Am Sonntagabend ist es in der Hauptstadt des Libanon erneut zu Straßenschlachten zwischen Polizei und regierungskritischen Demonstranten gekommen.
  • Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas ein, Demonstranten warfen mit Wasserflaschen und Steinen. Zahlreiche Menschen wurden verletzt.
  • Auslöser der Proteste ist die Unfähigkeit der Regierung, eine Lösung für die Müllentsorgung Beiruts zu finden. Seit Wochen stapelt sich der Unrat in den Straßen der Stadt.

Ausschreitungen am zweiten Tag in Folge

Bei Protesten in der libanesischen Hauptstadt Beirut ist es den zweiten Tag in Folge zu Ausschreitungen gekommen. Die Auseinandersetzungen in der Hauptstadt Beirut begannen kurz vor Sonnenuntergang, als Protestierende versuchten, Stacheldrahtsperren vor dem Hauptquartier der Regierung zu durchbrechen.

Die Polizei setzte Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten ein, die Protestierenden gingen mit Stöcken auf die Polizei los, warfen Steine, Wasserflaschen und Feuerwerkskörper. Mindestens 44 Demonstranten und 30 Polizeibeamte wurden nach Angaben der Behörden verletzt.

Inzwischen patrouillieren Einheiten der libanesischen Armee im Zentrum der Hauptstadt. Dies erklärte der Sprecher der Sicherheitskräfte, Oberst Joseph Moussalem, dem US-Fernsehsender CNN.

Abfallberge seit Juli

Grund für die anhaltende Gewalt ist die Müll-Krise. Seit Juli türmt sich der Abfall in den Straßen, weil eine überquellende Deponie der Hauptstadt geschlossen wurde, ohne dass für eine alternative Entsorgungsmöglichkeit gesorgt wurde. In den Straßen Beiruts hängt ein beißender Geruch, aufgebrachte Bewohner machen die Regierung dafür verantwortlich.

Die Unfähigkeit der Regierung, das Müll-Problem zu lösen, scheint vielen jedoch nur ein Symptom für tiefgreifendere Probleme des Landes. Die Politik des Landes zeigt sich seit Monaten wie gelähmt. Seit Mai 2014 ist der Libanon ohne Präsident, weil sich die rivalisierenden Lager des Landes nicht auf einen neuen Kandidaten verständigen konnten.

"Wir werden von korrupten Verlierern regiert. Alle von ihnen - Warlords, Gesetzgeber und Minister - arbeiten für ihre eigenen Interessen, aber nicht für das Volk", beklagt sich eine Rentnerin, die am Sonntag demonstrierte. Mit ihr hatten sich Tausende auf einem Platz im Zentrum Beiruts versammelt und der Regierung Inkompetenz und Korruption vorgeworfen. Aktivisten der Protestbewegung "Ihr stinkt" errichteten Zelte.

Die Demonstranten skandierten "Revolution" und verlangten den sofortigen Rücktritt der Regierung. "Das Volk will das Regime stürzen!", riefen Protestierende.

Regierungschef droht mit Rücktritt

Ministerpräsident Tammam Salam warnte, sollten die zentralen Fragen des Landes nicht bald gelöst werden, werde der Libanon kollabieren, wie die britische BBC meldet. Salam deutete angesichts der Krawalle am Wochenende seinen Rücktritt und die Auflösung der Regierung an. Falls ein Kabinettstreffen am Donnerstag nicht produktiv sein sollte, "dann braucht es den Ministerrat nicht", sagte er.

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Zwar ist der Rücktritt der Regierung das, was viele Demonstranten fordern. Sollte Salam tatsächlich zurücktreten, könnte das das Land jedoch in eine Verfassungskrise stürzen, berichtet die BBC. Denn der Premier des Libanon werde vom Präsidenten ernannt - und dessen Amt ist ja unbesetzt.

Salam stellte sich zudem vor die Demonstranten: Die Sicherheitskräfte, die Gewalt angewendet hätten, würden zur Rechenschaft gezogen, sagte er nach den ersten Protesten am Samstag. Das Recht zu demonstrieren sei durch die Verfassung geschützt. Er sei bereit, mit den Demonstranten zu reden.

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