Lexikon:Tausendsassas Abschied

Der Fischer Weltalmanach erklärt seit Jahrzehnten die Welt in kleinen Häppchen. Die Ausgabe 2019 wird die letzte sein. Das ist schade.

Von Werner Hornung

Vorhang auf zu einer Abschiedsvorstellung, die Bertolt Brecht sicher so kommentiert hätte: "Alle großen Ideen scheitern an den Leuten." Auf der Bühne wird ein Klassiker der Gutenberg-Ära aufgeblättert: der Fischer Weltalmanach. Seine sechzigste Ausgabe ist zugleich die letzte. Erstmals veröffentlicht wurde dieses formidable Jahrbuch im Dezember 1959. Damals war Konrad Adenauer Kanzler, das einfache Briefporto betrug zehn Pfennige und weltweit wurden die meisten Pkw in den USA produziert. Dort gab es auch das Vorbild für das deutsche Nachschlagewerk: "The World Almanac", der übrigens weiterhin jährlich erscheint. Hierzulande dagegen blieb der Fischer Weltalmanach immer häufiger in den Buchhandlungen liegen. Am Schluss war die Redaktion nur noch zweiköpfig.

So bleibt uns nur noch ein Blick in den Band, auf dessen Titelseite vorauseilend "2019" und das programmatische Versprechen steht: "Zahlen Daten Fakten"; und die werden hier gewohnt kompakt zu Deutschland, zu seinen sechzehn Bundesländern und den restlichen 195 Staaten der Erde geboten. Diesmal allerdings ohne Register! Alphabetisch geordnet von Afghanistan bis Zypern sind redaktionell abgesicherte Informationen zu lesen. Sie charakterisieren die jeweilige Infrastruktur, die politische und wirtschaftliche Situation. Abschließend liefern noch unterschiedliche lange Chroniken den zeitgeschichtlichen Hintergrund dazu. Zusätzlich ist der Weltalmanach durchsetzt mit kleinen Dossiers zum diesjährigen Schwerpunktthema Arbeit. Man liest im Länderteil zum Beispiel Erklärungen zu Engpässen auf dem japanischen Arbeitsmarkt, zu Lebensbedingungen von Arbeitsmigranten in Kuwait, zur Zwangsarbeit in der usbekischen Baumwollwirtschaft oder im Kapitel "Europäische Union" genauere Angaben zur Jugendarbeitslosigkeit. Veranschaulicht werden all diese Auskünfte meist noch durch grafische Darstellungen, Kartenskizzen und Farbfotos.

Doch vergeblich unser Applaus, die Lichter gehen endgültig aus. Ein enzyklopädisch maßgeschneiderter Tausendsassa, der uns Jahr für Jahr globale Momentaufnahmen präsentiert hat, tritt ab.

Der neue Fischer Weltalmanach 2019. Zahlen, Daten, Fakten. S. Fischer-Verlage, Frankfurt 2018. 736 Seiten, 22 Euro; mit CD-Rom 34 Euro.

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