Leutheusser-Schnarrenberger:"Gut integrierte Jugendliche nicht abschieben"

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Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger fordert ein neues Bleiberecht. Ihr Kollege de Maizière hält unterdessen Zahlen zu tatsächlichen Integrationsverweigerern zurück.

Roland Preuß

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) hat gefordert, die Abschiebung gut integrierter Kinder und Jugendlicher zu stoppen. "Wir können nicht ernsthaft über eine gesteuerte Zuwanderung reden und gleichzeitig diejenigen des Landes verweisen, die alle Voraussetzungen für eine gelungene Integration erfüllen", sagte sie mit Blick auf den Integrationsgipfel an diesem Mittwoch in Berlin der Süddeutschen Zeitung.

Fordert eine "konkrete Einbürgerungsperspektive" für engagierte ausländische Jugendliche: Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. (Foto: dapd)

Diese jungen Menschen, die oft durch eigene Anstrengung einen festen Platz in der deutschen Gesellschaft erobert hätten, müssten eine "konkrete Einbürgerungsperspektive" bekommen. "Deutschland ist für sie längst zu ihrer Heimat geworden", sagte die Ministerin. Kindern sei ein Leben unter einer ständig drohenden Abschiebung nicht zuzumuten. "Eine Änderung des Aufenthaltsrechts ist überfällig."

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Maria Böhmer (CDU), sprach sich gegen schärfere Strafen für integrationsunwillige Ausländer aus. "Wir brauchen keine neuen Sanktionen, wir haben alle Instrumente", sagte sie der SZ. Es gehe darum, dass die Behörden die bestehenden Möglichkeiten wie Bußgelder umsetzten.

Das Bundesinnenministerium will indes Zahlen über Verweigerer selbst vor dem Integrationsgipfel nicht offenlegen. Das Ministerium hatte alle Länder in einem Rundbrief Ende September detailliert zum Thema befragt: Wie viele Ausländer hätten ihre Pflicht, an Integrationskursen teilzunehmen, "wiederholt und gröblich" verletzt; wie vielen sei der Entzug der Aufenthaltserlaubnis "angedroht" worden?, heißt es in dem zweiseitigen Brief. Frist für eine Antwort: 20. Oktober. Der Termin ist längst verstrichen. Doch hält das Ministerium die Ergebnisse unter Verschluss - offenbar, weil sie nicht in die politische Linie passen.

Seit Wochen fordern Unionspolitiker, härter gegen angeblich integrationsunwillige Ausländer vorzugehen. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) sprach zunächst von schätzungsweise zehn bis 15 Prozent Integrationsverweigerern unter den Migranten, später wollte er die Zahl nur auf Muslime bezogen wissen. Sein Ministerium hat angekündigt, dass es über härtere Strafen für Integrationsverweigerer nachdenke. Kanzlerin Angela Merkel betonte am Wochenende, es müsse strenger mit Integrationskurs-Schwänzern verfahren werden.

Wie viele verweigern tatsächlich Integration?

Wie eine Umfrage der SZ unter den Bundesländern zeigt, gelten Integrationsverweigerer jedoch kaum als Problem. Hamburg etwa erklärte, es handle sich "nur um wenige Personen", Schleswig-Holstein registrierte im vergangenen Jahr 40 Schwänzer (bei 1531 Kursabsolventen), Sachsen einen einzigen (fast 2300 Absolventen), und im Saarland blieb niemand unentschuldigt den Kursen fern. Die höchsten Zahlen verzeichnete Hessen, das bei fast 6200 Absolventen 102 Schwänzer feststellte und 23 Bußgeldverfahren einleitete. Doch auch das sind deutlich weniger als zehn Prozent.

Eine parlamentarische Anfrage der Linksfraktion dazu ließ das Bundesinnenministerium Ende Oktober weitgehend unbeantwortet. Die Regierung mache Stimmung gegen Migranten, indem sie diese als integrationsunwillig bezeichne, sagt die Initiatorin der Anfrage, Sevim Dagdelen (Linke): "Bis heute kann die Bundesregierung diese Vorwürfe nicht mit Fakten belegen."

Innenstaatssekretär Christoph Bergner (CDU) räumte kürzlich ein, dass es nur wenige Strafen gegen Kursschwänzer gebe, die Gründe müssten noch analysiert werden. Sein Ministerium bekundete, die Zahlen würden erst zur Innenministerkonferenz (IMK) Mitte November vollständig vorliegen und dort beraten werden. Hamburg, das den IMK-Vorsitz führt, erklärte jedoch, dass auch dann die Zahlen auf Wunsch des Bundesinnenministeriums hin unter Verschluss bleiben sollen.

© SZ vom 03.11.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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