Leutheusser-Schnarrenberger:Wiederkehr einer Unbequemen

Erst führte sie die Bayern-FDP in die Landesregierung, jetzt ist Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wieder im Zentrum der Macht - diesmal in Berlin. Eine Erfolgsstory.

Peter Blechschmidt

Wenn eine ihre Freude über künftige Ministerehren offen zeigt, dann ist es Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Sichtlich zufrieden war die Vorsitzende der bayerischen FDP schon, nachdem sie bei den Koalitionsverhandlungen mit der Union in der Arbeitsgruppe Innen und Recht die Einigung mit ihrem Kontrahenten, dem Noch-Innenminister Wolfgang Schäuble, erzielt hatte.

Leutheusser-Schnarrenberger: Kehrt nach 13 Jahren zurück in eine Bundesregierung: Die designierte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Kehrt nach 13 Jahren zurück in eine Bundesregierung: Die designierte Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

(Foto: Foto: dpa)

Seit der Koalitionsvertrag steht, kann man ihren Gesichtsausdruck nur als strahlend bezeichnen. Am Mittwoch kann sie in das Amt zurückkehren, das sie in den neunziger Jahren schon einmal innehatte: das Justizministerium.

Die Arbeitsgruppe der Innenpolitiker war die einzige, die der sogenannten großen Verhandlungsrunde ein abgestimmtes Konzept vorlegen konnte. Und das, obwohl gerade in der Innen- und Rechtspolitik noch zu Beginn der Verhandlungen anscheinend Welten zwischen den angehenden Koalitionspartnern lagen.

Beide, Schäuble wie Leutheusser-Schnarrenberger, waren erklärtermaßen bestrebt, die Streitfragen selbst zu lösen und nicht den Parteichefs zur Klärung zu überlassen. Teilnehmer der Gespräche berichten, dass es letztlich das hartnäckige Beharren der FDP-Politikerin war, das Schäuble zum Einlenken bewog. Hinterher sagte eine lachende Leutheusser-Schnarrenberger auf die Frage, was letztlich die Einigung bewirkt habe: "Es kostet nicht viel Geld."

Ganz so einfach war es sicher nicht. Auf dem Sonderparteitag, auf dem am Sonntag in Berlin die FDP den Koalitionsvertrag mit der Union billigte, mahnte die Ministerin in spe, man möge vor allem beachten, was alles nicht im Vertrag stehe. Wichtig sei, was die FDP an Begehrlichkeiten der Union abgewehrt habe.

Dazu gehörte laut Leutheusser-Schnarrenberger das Verlangen, nicht nur dem Bundeskriminalamt, sondern auch anderen Behörden wie dem Verfassungsschutz oder gar dem Zoll die Online-Durchsuchung von Computern zu erlauben. Insgesamt sei im Koalitionsvertrag "die liberale Handschrift unübersehbar", sagte sie.

Das sehen ihre Parteifreunde genauso. Schon als Fraktion und Vorstand während der Verhandlungen einen Zwischenbericht bekamen, wurden Leutheusser-Schnarrenberger und ihr Mitstreiter, der Passauer Bundestagsabgeordnete Max Stadler, mit Beifall bedacht. Der in allen Fraktionen hochangesehene Stadler begleitet Leutheusser-Schnarrenberger nun auch als Parlamentarischer Staatssekretär ins Ministerium.

Bürgerrechte statt Spaß

Für die 58-Jährige ist es eine Rückkehr, auch wenn der Schreibtisch inzwischen in Berlin und nicht mehr in Bonn steht. 1992 hatte die bekennende Linksliberale als erste Frau mit dem Justizministerium ein klassisches Ressort übernommen. Im Januar 1996 trat sie aus Protest gegen die Einführung des sogenannten großen Lauschangriffs zurück, den die FDP in einer Mitgliederbefragung gebilligt hatte.

Doch der Rücktritt war nicht Ausdruck von Resignation, sondern Signal für ihre Entschlossenheit, weiter innerhalb der FDP für die Bürgerrechte einzutreten. Lange Zeit schien dies ein Kampf auf verlorenem Posten zu sein, während sich die FDP unter der Führung von Guido Westerwelle zur Wirtschafts- und zur Spaßpartei entwickelte. Dass die Liberalen seit einiger Zeit ihre Rolle als Bürgerrechtspartei wiederentdeckt haben, ist maßgeblich Leutheusser-Schnarrenbergers Verdienst.

Den zeitweiligen Bedeutungsverlust auf der Bundesebene kompensierte die FDP-Politikerin durch verstärkten Einsatz in Bayern, wo sie die FDP im vorigen Jahr zu einem spektakulären Wahlerfolg führte. 14 Jahre lang konnten die Liberalen den Landtag nur von außen bestaunen - erst 2008 schaffte die FDP die Rückkehr ins Maximilianeum. Und weil die CSU dort ihre absolute Mehrheit eingebüßt hatte, brauchte sie die wiedererstarkten Liberalen als Regierungspartner.

Nach Schlammschlacht ins Amt gewählt

CSU-Chef Horst Seehofer lernte schon damals die große Sachkompetenz und die Zähigkeit der FDP-Vorsitzenden in den Koalitionsverhandlungen kennen. Mit dem Wirtschafts- und Wissenschaftsministerium handelte sie der CSU zwei wichtige Ressorts ab. Sie selbst verzichtete jedoch auf einen Eintritt ins bayerische Kabinett, weil sie bereits den Blick auf einen Regierungswechsel 2009 in Berlin gerichtet hatte.

An eine solche Erfolgsstory der bayerischen Liberalen hatte wohl niemand zu denken gewagt, als Leutheusser-Schnarrenberger im Dezember 2000 zur FDP-Landeschefin gewählt wurde. Der Landesverband war total zerstritten, gerade mal 4000 Mitglieder bekannten sich in Bayern noch zur FDP. Entsprechend bedeutungslos war die Partei auf Landesebene geworden.

Nach einer hasserfüllten Debatte auf dem Parteitag in Dingolfing, bei der Delegierte in Tränen ausbrachen und ihre Scham über "diese Schlammschlacht" bekundeten, wurde der seit zwei Jahren amtierende FDP-Chef Hermann Stützer abgewählt und Leutheusser-Schnarrenberger ins Amt gehievt. Der Vorsprung war mit acht Stimmen aber nur äußerst knapp. In Dingolfing wurde auch der Kommunalpolitiker Martin Zeil erstmals in den FDP-Landesvorstand gewählt. Heute ist er Wirtschaftsminister und stellvertretender Ministerpräsident im Freistaat.

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