"Letzte Generation":84 Übergriffe auf Klimaschützer

"Letzte Generation": Das Recht der Straße: Autofahrer gehen in Berlin gewaltsam gegen Aktivisten der "Letzten Generation" vor.

Das Recht der Straße: Autofahrer gehen in Berlin gewaltsam gegen Aktivisten der "Letzten Generation" vor.

(Foto: Sean Gallup/Getty)

Nötigung, Beleidigung, physische Gewalt: Die Berliner Polizei listet erstmals die Attacken auf Klimaaktivisten auf. 15 Mal wird gegen Autofahrer wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.

Von Jan Heidtmann, Berlin

Die Berliner Polizei hat in diesem Jahr 66 Ermittlungsverfahren wegen Attacken auf Aktivisten der Gruppe "Letzte Generation" eingeleitet. Es ist die erste derartige Übersicht zu Übergriffen von Autofahrern während der Protestaktionen der Klimaschützer.

In den vergangenen Wochen kursierten auf sozialen Medien Videomitschnitte von gewalttätigen Angriffen auf die Demonstranten, die mit Sitzblockaden und auf dem Asphalt festgeklebten Händen regelmäßig den Straßenverkehr lahmlegen. In den Aufnahmen zerren Autofahrer die Protestierenden an den Haaren von der Fahrbahn, stoßen sie auf die Straße, überschütten sie mit Flüssigkeit oder treten sie.

Für 2022 verzeichnet die Berliner Polizei 18 solcher Attacken. Die große Differenz zu den ersten Monaten 2023 wird mit den umfassenden Blockadeaktionen in der Hauptstadt in den vergangenen Wochen erklärt. Von den insgesamt 84 Verfahren wurden 26 wegen Nötigung, 25 wegen Körperverletzung, 15 wegen gefährlicher Körperverletzung und elf wegen Beleidigung eingeleitet. Grundlage der Ermittlungen seien Beobachtungen von Gewalttaten durch die Beamten selbst oder durch Videos im Netz.

Bislang hat kein Aktivist eine Strafanzeigen gestellt

Bei der Suche nach den Ursachen für die Gewalttätigkeiten unterscheiden sich die Einschätzungen in der Berliner Politik teils fundamental. "Die Letzte Generation hat bewirkt, dass sich Menschen so sehr ärgern, dass wir darauf achten müssen, dass nichts aus dem Ruder läuft", hatte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner bereits Ende Mai per Twitter gewarnt. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen glaubt, "da kommt etwas ins Rutschen", vermisst aber eine klare Abgrenzung gegenüber der Selbstjustiz der Autofahrer: "Ausgerechnet da hat die Innensenatorin keine klare Linie".

Jarasch spielt dabei auf eine Aussage der Berliner Innensenatorin Iris Spranger vom Ende April an. Beim Sender RBB hatte die SPD-Politikerin zu den Attacken der Autofahrer gesagt, die Täter müssten "leider dann eben auch zur Rechenschaft gezogen werden". Auf eine parlamentarische Anfrage der Linken hatte die Senatsverwaltung Ende Mai klargestellt: "Die Senatorin für Inneres und Sport macht bei jeder Gelegenheit deutlich, dass Selbstjustiz unter keinen Umständen zu dulden ist."

Die Aktivisten selbst haben nach Auskunft der Polizei bislang keine Strafanzeigen gestellt. "Es macht uns wahrlich keine Freude, von Autofahrern angeschrien und weggezerrt zu werden", schreiben sie in den sozialen Medien. Die Untätigkeit der Regierung angesichts der drohenden Klimakatastrophe zwinge sie jedoch, "auf die Straße zu gehen".

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