Süddeutsche Zeitung

Letzte Gaddafi-Hochburg:Libysche Kämpfer setzen zum Sturm auf Sirte an

Die letzte verbliebene Hochburg Gaddafis in Libyen steht unter Beschuss: Die Truppen des Übergangsrats haben ihre Großoffensive gegen den Geburtsort des gestürzten Despoten gestartet. US-Außenministerin Clinton ist überraschend zu Besuch in Tripolis - und äußert sich deutlich, welches Vorgehen die USA gegen Gaddafi unterstützen.

Die umkämpfte Wüstenstadt Bani Walid ist gefallen. Nun setzen die libyschen Kämpfer zum Sturm auf die letzte verbliebene Bastion der Anhänger Gaddafis an: Sirte, die Heimatstadt des langjährigen libyschen Machthabers ist das Ziel einer Großoffensive, mit der die Streitkräfte nun begonnen haben. Etwa 1000 Soldaten sollen den Angaben der neuen libyschen Führung zufolge vom Osten her in die Stadt eingedrungen sein.

Schauplatz der Auseinandersetzungen sind vor allem zwei Stadtviertel, die sich noch in den Händen der Gaddafi-Getreuen befinden. Die Kämpfer des Übergangsrates setzen Nachrichtenagenturen zufolge schwere Geschütze ein, Heckenschützen der Gaddafi-Seite setzen zum Gegenangriff mit Salven aus Maschinengewehren an. Die betroffenen Stadtteile sollen nach drei Seiten hin abgeriegelt worden sein.

Für die neue Führung des Landes ist der Sturm auf Sirte ein wichtiger Schritt. Erst nach der Eroberung der Stadt will der Übergangsrat das Land offiziell für befreit erklären.

Einen schaurigen Fund meldeten unterdessen die Truppen des libyschen Übergangsrates aus der Anfang der Woche eroberten Widerstandshochburg Bani Walid. In einem Krankenhaus haben sie angeblich rund 100 Leichen entdeckt. Bei den Getöteten handele es sich einem Bericht der libyschen Nachrichtenwebsite Qurayna al-Jadida zufolge um Kämpfer der Truppen des Übergangsrates. Die Zustände in dem Krankenhaus, in dem es seit Tagen keinen Strom mehr gibt, seien schrecklich.

Hillary Clinton in Tripolis

Während sich die Kämpfe um Sirte verstärken, ist US-Außenministerin Hillary Clinton überraschend in Tripolis eingetroffen. Sie äußerte sich ungewöhnlich deutlich zum Umgang mit dem langjährigen Diktator Gaddafi. Es sei im Sinne der USA, dass der ehemalige Machthaber getötet oder gefangen genommen werde, sagte die Außenministerin. Bislang hatten die USA es vermieden, näher auf eine Tötung Gaddafis einzugehen.

Clinton versprach der neuen Führung Unterstützung in Höhe von elf Millionen Dollar (knapp acht Millionen Euro). Vorgesehen seien medizinische Hilfe für verletzte Kämpfer, sowie Unterstützung bei der Sicherstellung von Waffen, damit diese nicht in die Hände von Terroristen fallen.

39 libysche Kriegsverletzte zur Behandlung in Deutschland eingetroffen

Die Hilfe der Bundesregierung ist ebenfalls angelaufen. Am Dienstagnachmittag landete eine erste Bundeswehrmaschine mit verletzten libyschen Kämpfern auf dem Flughafen Köln/Bonn. 39 Verwundete mit Schuss-, Splitter- und Amputationsverletzungen wurden von dort aus mit zwei Helikoptern und einer Transportmaschine in Bundeswehrkrankenhäuser nach Berlin, Hamburg, Koblenz, Ulm und Westerstede gebracht.

Die Verletzten wurden über Tunesien ausgeflogen. Ein Sanitätsteam der Bundeswehr hatte dort seit Anfang Oktober geprüft, wie Opfern der Kämpfe in Libyen vor Ort oder in Deutschland medizinisch geholfen werden kann. Die Bundesregierung unterstützt Libyen auf Bitten des Nationalen Übergangsrates. Insgesamt sollen 150 libysche Kämpfer zur medizinischen Behandlung nach Deutschland eingeflogen werden.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) wünschte den libyschen Verletzten eine möglichst schnelle Genesung. Er freue sich, dass die erste größere Gruppe in Deutschland eingetroffen sei, hieß es in einer vom Auswärtigen Amt verbreiteten Erklärung. "Auch diese Unterstützung ist ein Zeichen unserer Solidarität mit dem libyschen Volk", wurde Westerwelle zitiert.

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