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Was wird nun aus Roland Koch? Verfassungsrechtlich begünstigt ihn die Patt-Situation, doch seine Partei sucht auch nach Hintertürchen.

Detlef Esslinger

Die Antwort auf die Frage, was nun aus Roland Koch wird, besteht aus einem formellen und einem politischen Teil. Um den formellen Teil zu beantworten, hilft ein Blick in die hessische Verfassung. Koch sagt am Montag in Berlin, sollte bis zur Konstituierung des Landtags am 5. April die Bildung einer Koalition nicht gelingen, dann habe Hessen eine Verfassungslage, "die hinreichende Stabilität zusichert". Gemeint ist: Dann werde er vorerst im Amt bleiben.

Roland Koch, dpa

Die CDU fängt schon mal an, Hintertürchen für Roland Koch zu öffnen.

(Foto: Foto: dpa)

Die Verfassung schreibt vor, dass ein neuer Ministerpräsident auf jeden Fall die absolute Mehrheit der Abgeordneten, also 56 Stimmen, braucht. Solange dies nicht gelingt, bleibt der bisherige Regierungschef geschäftsführend im Amt.

Nach Artikel 114 besteht darüber hinaus zwar die Möglichkeit, dass der Landtag ihm das Vertrauen entzieht (wiederum nur mit mindestens 56 Stimmen). Spricht er aber danach nicht innerhalb von zwölf Tagen einer neuen Regierung unter einem neuen Ministerpräsidenten das Vertrauen aus, so ist er aufgelöst.

Bis zur Neuwahl bliebe der bisherige Regierungschef auch hier geschäftsführend im Amt. Darauf spielte Koch am Montag anv - und vergaß nicht hinzuzufügen, dass Hessen mit einer solchen Konstellation bereits in den achtziger Jahren "über längere Zeit Erfahrung gesammelt" habe.

Koch wäre in dem Fall Ministerpräsident wie sein SPD-Vorgänger Holger Börner zwischen 1982 und 1984. Im Herbst 1982 war die FDP aus dem Landtag geflogen, die Grünen schafften erstmals den Einzug - weil aber ein rotgrünes Bündnis damals ebenso undenkbar war wie eine Zusammenarbeit von SPD und CDU, blieb Börner nur geschäftsführend im Amt.

"Hessische Verhältnisse" wurde dies genannt; wozu auch gehörte, dass der Haushalt 1983 erst im Januar des folgenden Jahres beschlossen wurde, als Grüne und Rote sich erstmals zur Kooperation durchrangen. Erst am 7. Juni 1984 ging die Hängepartie zu Ende - mit 57 Stimmen wurde Börner wieder regulär zum Ministerpräsidenten gewählt, nachdem die Grünen und die SPD ein Tolerierungs-Abkommen geschlossen hatten.

Ob dies nun auch Koch vorschwebt: solange auszuharren, bis Konstellationen möglich sind, die jetzt noch unrealistisch sein mögen? Man müsse sich nun sehr anstrengen, um die Mehrheitsbildung zu schaffen, sagt er am Montag. Er hoffe, dass am Ende stabile Strukturen stünden. "Ich bin aber nicht sicher, dass das gelingt."

Was zum politischen Teil der Antwort auf die Frage führt, was nun aus ihm wird. Am Sonntagabend hatte Koch angekündigt, "sehr sorgfältig über Konsequenzen nachzudenken". Das waren aber keine konkreten Rücktrittsgedanken - eher war der Satz eine Geste der Demut gegenüber seinem Landesverband, den er um ein Haar in die sofortige Opposition geführt hätte. Er dankte für Kampfkraft und Loyalität und fügte an, dies seien Eigenschaften, "auf die ich immer stolz war und auch in Zukunft stolz sein will".

Nüchterne Debatte über die Verluste

Er muss nicht befürchten, dass es im Landesverband zum Aufstand kommt. Dafür ist dort sein Ansehen nach wie vor viel zu hoch, dafür ist auch der Korpsgeist in der CDU Hessen zu stark. Ganz abgesehen von dem ausgeprägten Eindruck, im Wahlkampf selbst Opfer einer Diffamierung seitens SPD und Grünen gewesen zu sein.

Am Abend tagte auf Kochs Einladung hin ein Kleiner Parteitag in Hofheim bei Frankfurt. Dort wurde Teilnehmern zufolge nüchtern über die Verluste debattiert. Der Parteitag beauftragte Koch, Gespräche "mit den demokratischen Parteien" aufzunehmen.

Das heißt nicht, dass ein neuer CDU-Ministerpräsident auf jeden Fall der alte sein wird. Was wäre zum Beispiel, wenn sich die SPD doch noch auf eine Große Koalition einließe, aber nur unter der Bedingung, dass Koch nicht dabei ist?

Für diesen Fall wird über eine Rochade spekuliert, die Koch nach Berlin ins Bundeskabinett und Verteidigungsminister Franz Josef Jung nach Wiesbaden in die Staatskanzlei bringt. Der hessische CDU-Generalsekretär Michael Boddenberg antwortet auf die Frage danach nur: "Sie kennen alle Roland Kochs Aussagen über seinen Standort." Aber die CDU fängt schon mal an, Hintertürchen für Koch zu öffnen.

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