Lettland:Wie im Krimi

Latvian Central Bank Governor Ilmars Rimsevics Interview

Im Rampenlicht: Der lettische Notenbankchef Ilmārs Rimšēvičs.

(Foto: Roni Rekomaa/Bloomberg)

Korruptions-Vorwürfe und falsche Fährten: Lettlands Bankensystem ist in Aufruhr. Führt die Spur nach Russland?

Von Silke Bigalke, Stockholm

War es Korruption oder Sabotage oder beides? Die lettische Regierung jedenfalls ist in Aufruhr. Das Bankensystem in dem kleinen Land, das zur EU und zur Euro-Zone gehört, wird seit Tagen von einer Skandalserie erschüttert. Es geht um öffentliche Beschuldigungen und um die Frage, ob womöglich russische Kräfte dahinterstecken. Die wollten dem baltischen Land durch eine Schmutzkampagne schaden, fürchtet dessen Regierung, ohne es explizit auszusprechen.

Auslöser für den Ärger ist der lettische Zentralbankchef Ilmārs Rimšēvičs. Gegen ihn ermittelt die lettische Antikorruptionsbehörde Knab, denn er soll Bestechungsgelder in Höhe von mindestens 100 000 Euro angenommen haben. Vergangenes Wochenende wurde er festgenommen, kam aber auf Kaution wieder frei. Von seinem Job als Notenbankchef, den er seit 17 Jahren hat, ist er suspendiert. Rimšēvičs bestreitet die Vorwürfe, darf aber das Land vorläufig nicht verlassen.

Kurz nachdem die Ermittler sein Büro durchsucht hatten, veröffentlichte die Nachrichtenagentur AP einen Bericht über Rimšēvičs. Darin beschuldigt ihn ein russischstämmiger Geschäftsmann, der in London lebt, Bestechungsgeld von ihm eingefordert zu haben. Andernfalls habe der Notenbankchef ihm mit strengeren Regulierungen für seine Bank gedroht. Der Mann, der Rimšēvičs beschuldigt, ist Hauptaktionär der lettischen Bank Norvik. Er sagt, er habe sich geweigert, das Schmiergeld zu zahlen, angeblich 100 000 Euro im Monat, und sich an die Schiedsstelle der Weltbank gewandt.

Dann gibt es noch ein lettisches Finanzinstitut, das in Schwierigkeiten steckt: Vergangene Woche hat das US-Finanzministerium die drittgrößte Bank Lettlands ABLV beschuldigt, Geld zu waschen. Es geht offenbar auch um Geschäfte in Verbindung mit Nordkoreas Atomwaffenprogramm. Freitag teilte die lettische Polizei mit, sie wolle sich die Sache ansehen.

Das Land war in der Vergangenheit mehrfach in Geldwäscheskandale verwickelt, bei denen lettische Banken im Verdacht standen, Geld aus Russland und früheren Sowjet-Staaten in die EU zu schleusen. Banken, die der Zentralbankchef Rimšēvičs beaufsichtigen sollte. Im ABLV-Fall teilte die Zentralbank am Montag mit, sie werde der skandalbelasteten Bank 97,5 Millionen Euro leihen, um ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern. Rimšēvičs war da schon in Haft.

Wie hängt das alles zusammen? Gar nicht, sagte die Antikorruptionsbehörde KNAB. Ihre Ermittlungen gegen Rimšēvičs hätten weder mit Norvik noch mit der ABLV zu tun. Es gehe um Bestechungen durch eine nicht-lettische Bank. Rimšēvičs sagte der Financial Times: "Ich kann nur vermuten, dass ich eine sehr unbequeme öffentliche Figur für mehrere Finanzinstitute in diesem Land war." Er sprach von einer gut vorbereiteten Aktion mehrerer Individuen und Banken, die nicht-lettischen Klienten gedient hätten, und denen er eine Last geworden sei.

Die Regierung ist ihm zur Seite gesprungen. Premier Māris Kučinskis hatte sich zwar hinter die Knab-Ermittlungen gestellt. Die öffentlichen Anschuldigen der Norvik-Bank jedoch, Rimšēvičs habe Geld erpressen wollen, nannte er "eine Provokation". Und Finanzministerin Dana Reizniece-Ozola sprach von einer "Schmutzkampagne". Auslöser für die Aufregung war ein Foto aus dem Jahr 2010, das AP mit dem Artikel veröffentlicht hat. Es zeigt den Leiter der Notenbank mit Dmitrij Pilschikow, dem Ex-Chef einer russischen Militärtechnik-Firma, die später mit US-Sanktionen belegt worden ist. Die Männer sitzen in einer sibirischen Jagdhütte. Das Ganze sei wahrscheinlich eine "massive Informationsoperation von außen", schrieb der lettische Verteidigungsminister in einer Mitteilung und verglich die Aktion mit dem, was in Frankreich, Deutschland und den USA vor den Wahlen beobachtet werden konnte. Sie sei wohl darauf gerichtete gewesen, "Lettland als unzuverlässigen Partner" hinzustellen. Premier Kučinskis dagegen ist inzwischen zurückgerudert: Er habe "keinen Grund anzunehmen", dass Moskau involviert sei, sagte er der Financial Times. Im Herbst sind Wahlen in Lettland. Wer oder was auch immer hinter den Skandalen steckt, sie lassen die Verantwortlichen in Riga nicht gut aussehen.

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