Lesung in Fürth:Bürger Gauck plaudert über die Freiheit

Ohne Krawatte, ganz leger und locker, kam er zur Lesung nach Fürth - als Bürger, nicht als künftiger Bundespräsident, wie er betonte. Dann ging es darum, worum es bei Gauck immer geht, wenn er aus seinem Leben erzählt: um seine Kindheit, die Schulzeit in der DDR und natürlich die Freiheit. Seine Freundin Daniela Schadt deutet an, warum ihr ein robuster Humor nachgesagt wird.

Olaf Przybilla

Auf dem Bildschirm in der Fürther "Comödie" werden vor Lesungsbeginn noch einmal die wichtigsten Auftritte der kommenden Tage vorgestellt. "Herbert und Schnipsi" werden zu sehen sein, eine Künstlerin wird ihr Programm "Pussy Terror" vorstellen dürfen und die beiden Stammgäste des Hauses, die Fürther "Waltraud und Mariechen", kommen natürlich auch. Die Lesung "Winter im Sommer - Frühling im Herbst" von Joachim Gauck wirkt zwischen all dem ein wenig gewöhnungsbedürftig. Aber möglicherweise nimmt man das jetzt verstärkt wahr, nachdem klar ist, dass dort der künftige Bundespräsident lesen wird.

Joachim Gauck, Presidential Candidate, Reads From Memoirs

Joachim Gauck mit seiner Tochter Gesine Lange (rechts) und seiner Lebensgefährtin Daniela Schadt (links) nach seiner Lesung in Fürth.

(Foto: Getty Images)

Der aber legt Wert darauf, nicht als designierter Präsident aus seinem Buch zu lesen. Sondern als Autor, wie die vergangenen zwei Jahre schon. Ohne Krawatte ist Gauck in Fürth erschienen, alles soll offenbar möglichst zivil wirken, nach der Lesung nimmt er für die Fotografen seine Tochter Gesine Lange in den Arm und seine Partnerin Daniela Schadt. Er kenne sich ja ein wenig aus in der Region, sagt Gauck, und weist auf Schadt, die Journalistin aus Nürnberg. Diese deutet an, warum ihr die Kollegen aus der Nürnberger Zeitung einen robusten Humor nachsagen.

Künftige Abendessen mit Michelle Obama? Wenn sie das hier in Fürth schaffe, schaffe sie es künftig überall, antwortet Schadt. Ob sie über eine Veränderung ihrer "Lebensverhältnisse" nachdenke, wird sie gefragt, es sei da in den letzten Tagen ja so manches geschrieben worden. "Ich finde die Verhältnisse gar nicht so furchtbar ungeordnet, wie immer behauptet wird", sagt sie. Die 52-Jährige nennt sich selbst eine "Fränkin mit hessischem Migrationshintergrund", für einen stabilen Witz scheint das eine fruchtbare Mischung zu sein. Als Journalistin allerdings, so erklärt sie es einem Kollegen der Nachrichtenagentur dpa, werde sie künftig wohl nicht mehr arbeiten. "Es gibt keine in der Verfassung vorgesehene Aufgaben für die First Lady. Man kann das als Partnerin des Staatsoberhaupts also so oder so handhaben", sagt Schadt. "Mein Unglück ist allerdings, dass ich einen Beruf habe, der sich schlecht an der Seite des Bundespräsidenten ausüben lasst."

"Eine einigermaßen lange Lesung"

Gauck gibt sich gelöst. Er kündigt eine "einigermaßen lange" Lesung an, verspricht aber, dass er als Vorleser so bald nicht wiederkommen wird. Dann geht es darum, worum es immer geht, wenn Gauck aus seinem Leben erzählt: Um die Verhaftung seines Vaters durch die Sowjets. Um die Schule in der DDR, Gauck garniert die Lesung mit einem auswendig vorgetragenen Stalin-Gedicht, das er lernen musste, als der - zumindest in seiner damaligen Schule - beste aller Menschen starb. Und natürlich um die Freiheit und deren Anfechtungen: vor der Wende, nach der Wende.

Die Freiheit, Gaucks Tochter Gesine Lange nimmt nach der Lesung diesen Gedanken auf. Sie steht in Blickweite ihres Vaters, der sein Buch signiert, fast eine Stunde lang. Lange ist für den ersten Auftritt ihres Vaters als designierter Bundespräsident und seinen vorerst letzten als Vorleser in eigener Sache aus der Nähe von Bremen nach Fürth gekommen. Ihr Vater spreche ja viel über die Freiheit, sagt sie, dieser Tage erwische sie sich aber bei dem Gedanken, "wie das mit der persönlichen Freiheit meines Vaters künftig sein wird". Spontan spazieren gehen an der Ostsee? Wird wohl demnächst nicht mehr gut möglich sein, sagt sie.

Er habe in der Comödie als Bürger gesprochen, sagt Gauck am Ende seiner Lesung, "aber so völlig anders werde ich später auch nicht sprechen". In Fürth applaudiert das Publikum im Stehen.

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