Krieg in der Ukraine:Noch viel zu schrauben am "Leopard"

Krieg in der Ukraine: Im polnischen Świętoszów trainieren ukrainische Soldaten bereits mit Leopard-2-Panzern.

Im polnischen Świętoszów trainieren ukrainische Soldaten bereits mit Leopard-2-Panzern.

(Foto: Maciej Kulczynski/dpa)

Weil andere Staaten nicht mitziehen, werden weniger "Leopard 2"-Panzer als geplant an die Ukraine geliefert - und überwiegend ältere mit wenig Ersatzteilen und Munition. Daher will Verteidigungsminister Pistorius nun zusammen mit Polen improvisieren.

Von Georg Ismar, Berlin

Boris Pistorius hat in München einen Satz gesagt, den der Kanzler so bisher nicht sagt: "Die Ukraine muss diesen Krieg gewinnen." Was ein Sieg wäre und was das für die von Russland annektierte Krim bedeutet, ist eine der vielen Ungewissheiten dieser Tage. Für den SPD-Verteidigungsminister, gerade einmal einen Monat im Amt, geht es am Rande der Sicherheitskonferenz vor allem darum, dass zumindest die Waffenlieferungen so organisiert werden, dass die Ukraine ihr Recht auf Selbstverteidigung besser wahrnehmen kann.

Pistorius treiben besonders zwei Baustellen um. Die Leopard-2-Koalition kommt weiterhin nicht richtig in Gang. Olaf Scholz hatte Ende Januar die Lieferung von 14 Leopard-2-Kampfpanzern des Typs A6 in die Ukraine angekündigt und das Ziel ausgegeben, mit weiteren Verbündeten "rasch" zwei Bataillone aufzustellen. Das wären insgesamt 62 Leopard-2-Panzer. Für das Bataillon, für das Deutschland die Federführung übernommen hat, hat bisher nur Portugal drei Leopard 2A6 zugesagt.

In der Bundesregierung ist man verärgert, dass andere Staaten Lieferungen in Aussicht stellten und nun nicht mitziehen. So argumentiert etwa die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen auch mit der kritischen öffentlichen Meinung in ihrem Land, auch bei Schweden und Finnland gibt es keine Signale für größere Lieferungen. Das Ziel waren 31 Stück des moderneren Typs 2A6 - 14 Stück fehlen noch.

In Polen ist ein eigenes Wartungszentrum geplant

Besser, aber zugleich mit einem anderen Problem behaftet, sieht es bei der Aufstellung des anderen Leopard-2-Bataillons aus. Polen liefert vom älteren Modell, dem Leopard-2A4, 14 Stück, Norwegen acht, Spanien fünf, weitere Staaten könnten folgen. Doch für den älteren Leopard-2-Typ A4 mangelt es wiederum an Ersatzteilen und Munition. Polen verlangte erst, dass Deutschland die Instandhaltung und Nachschubversorgung garantieren sollte, aber die Bundeswehr nutzt den Panzer seit rund 20 Jahren nicht mehr. Schließlich vermittelte Pistorius in München ein Gespräch der deutschen Rüstungsindustrie mit der polnischen Seite. Nun könnte womöglich Rheinmetall in Polen die notwendigen Teile produzieren.

Zudem ist ein eigenes Leopard-Wartungszentrum in Polen geplant. Das kündigte Polens Ministerpräsident Mateusz Morawiecki in München an. Pistorius besucht an diesem Montag Rheinmetall am Standort Unterlüß, der Konzern ist für die Lösung der Fragen ein Schlüsselpartner. Schließlich soll die Industrie auch Leopard-1-Kampfpanzer wieder instand setzen, damit über 100 Stück der Ukraine geliefert werden sollen, allein Rheinmetall hat 88 Stück.

Mit einem anderen Wartungszentrum hat die Bundeswehr bisher schlechte Erfahrungen gemacht. Dieses steht im slowakischen Michalovce, 35 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt, aber wegen eines Zollstreits stauten sich seit Januar an der Grenze Raketenwerfer und Panzerhaubitzen, die dringend gewartet werden müssen.

Schließlich wurden mehrere Raketenwerfer auf einen mehr als 2500 Kilometer langen Umweg über Polen nach Deutschland geschickt, um sie dort zu reparieren und dann zurück in die Ukraine zu transportieren. Die Slowakei legt die europäischen Zollbestimmungen so aus, dass bei Einfuhr aus dem Nicht-EU-Staat Ukraine, einer Reparatur im EU-Land Slowakei und der Rückführung in die Ukraine Zoll zu zahlen sei, da durch die Reparatur und neue Teile eine Veredlung stattfinde. Inzwischen zeichnet sich aber eine Lösung ohne größere Zollzahlungen ab. Wann der zusätzlich in Polen geplante Leopard-Hub startklar sein könnte, ist noch unklar, Details müssen noch geregelt werden. Das Beispiel Slowakei zeigt, dass dann oft neue Probleme auftauchen.

Da der Krieg noch lange dauern könnte, wird jenseits der Panzerfragen der Munitionsnachschub zur Hauptherausforderung. "Wir müssen jetzt das Gleiche tun, was wir während der Pandemie getan haben", sagt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mit Blick auf die Verträge mit Pharmaunternehmen zur garantierten Abnahme von Corona-Impfstoffen. Solche Garantien könnten auch der Rüstungsindustrie helfen, schneller in neue Produktionslinien zu investieren und das Liefervolumen zu erhöhen. "Ich denke, es ist jetzt an der Zeit, die Produktion von standardisierten Produkten zu steigern, die die Ukraine so dringend benötigt", so von der Leyen. Ein Beispiel sei Artilleriemunition vom Kaliber 155 Millimeter.

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