Leopard 2 für Saudi-Arabien: Debatte im Bundestag:Merkel und der Panzer des Schweigens

Die Opposition ist im Bundestag mit ihrem Versuch gescheitert, den umstrittenen Panzer-Deal mit Saudi-Arabien zu stoppen. Mehrheitlich lehnen die Koalitionäre die Anträge von SPD, Grünen und Linkspartei ab - dabei ist ihnen kein Argument zu abwegig, um das Rüstungsgeschäft zu verteidigen. Und die Kanzlerin? Die ist anwesend. Doch sie schweigt.

Thorsten Denkler, Berlin

Schon seltsam zu hören, wie leicht sich eines der wichtigsten Argumente der Koalitionsfraktionen im Streit um die Lieferung von 200 Leopard 2-Panzern nach Saudi-Arabien aushebeln lässt. An diesem Freitag hat es der CDU-Außenpolitiker Roderich Kiesewetter am Bundestag vorgetragen. Am Mittwoch kam das Argument in der Aktuellen Stunde zum Thema vom außenpolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Philipp Mißfelder. Es lautet: Die Panzerlieferung sei im Interesse Israels, weil Israel in Saudi-Arabien inzwischen einen Verbündeten gegen Iran sehe.

Bundestag

Kanzlerin Angela Merkel an diesem Freitag im Bundestag bei der Debatte über die Lieferung von Kampfpanzern an Saudi-Arabien: Sie hört zu. Mehr aber auch nicht.

(Foto: dapd)

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel hat das Thema offenbar zur Chefsache gemacht. Zum zweiten Mal spricht er in dieser Woche zu dem Panzer-Deal. Das Israel-Argument will er nicht gelten lassen. Den Koalitionären erklärt er mal kurz die geostrategische Lage: "Es gibt keine direkte Landverbindung zwischen Saudi-Arabien und Iran. Dazwischen liegt der Irak." Das mache doch klar, dass Saudi-Arabien die Panzer brauche, um im Zweifel Demokratiebewegungen im Inland oder benachbarten Ausland in Schach zu halten.

Und somit bleibt nicht viel, mit dem die Koalitionäre den Panzerdeal noch verteidigen könnten. Was sie allerdings nicht daran hindert, später die drei Anträge, mit denen die Opposition die Panzerlieferung stoppen wollte, mehrheitlich abzulehnen. Die einen, darunter der FDP-Wirtschaftspolitiker Martin Lindner, verweisen darauf, dass auch unter Rot-Grün Saudi-Arabien mit Waffen beliefert worden sei.

Die anderen sagen, mit der Geheimhaltungspflicht erübrige sich jede weitere Debatte, weil ja niemand wissen könne und dürfe, ob der Deal im Bundessicherheitsrat nun abgesegnet worden sei oder nicht. Die Sache mit der Geheimhaltung - das macht Gabriel fuchsig. Auf eine Zwischenbemerkung der Grünen-Politikerin Britta Haßelmann, sie finde es "unerträglich", dass das Kanzleramt in der Debatte überhaupt nicht vertreten sei, ergänzte Gabriel: Das Auswärtige Amt glänze nicht nur durch Abwesenheit des Außenministers, sondern lasse den zuständigen Staatssekretär auch noch durch die Staatsministerin für auswärtige Kulturpolitik vertreten. Er zeigt dabei auf die FDP-Politikerin Cornelia Pieper. Die schüttelt entnervt den Kopf.

Doch als Gabriel fragt, ob jemand in der Runde sei, der qualifiziert etwas zu dem Panzer-Deal mit Saudi-Arabien sagen könne, da hebt auch sie nicht ihre Hand. Irgendwann gegen Ende der Debatte setzt sich dann doch Kanzlerin Angela Merkel auf ihren Platz. Doch sie schweigt. Und schweigt und schweigt. Dabei wollen Gabriel, Linken-Fraktionschef Gregor Gysi und auch die Grünen nun von ihr eine Stellungnahme haben. Schließlich hat die Kanzlerin im Bundessicherheitsrat den Hut auf.

Sagen wird sie nichts. In einem Zeitungsinterview an diesem Freitag erklärte sie nur, dass es gute Gründe für die Geheimhaltung gebe. Das Grünen-Urgestein Hans-Christian Ströble hat dafür kein Verständnis. Ströbele erklärt, die Kanzlerin könne die nicht gottgegebene Geheimhaltungspflicht doch herabstufen und endlich reden. "Sie kann nicht nur, sie muss! Sie will nur nicht!", ruft Ströbele. Seine Stimme überschlägt sich fast dabei.

"Stoppen Sie diese Irrfahrt!"

Gabriels Urteil ist klar: Mit der Panzerlieferung "überschreiten sie den Rubikon einer wertegebunden Außenpolitik". Merkel wirft er "Versagen" vor in einer Situation, in der es gelte, die Menschenrechtsbewegungen im Nahen Osten zu unterstützen. Er appelliert an die Bundesregierung: "Stoppen Sie diese Irrfahrt!" Für die Grüne Katja Keul gibt es nur einen "plausiblen Grund" für die Panzerlieferung: industriepolitsche Interessen.

Dem widerspricht auch der CSU-Wirtschaftsfachmann Georg Nüßlein nicht. Die Kritiker sollten sich doch mal vor Augen führen, dass in der deutschen Rüstungsindustrie einst 280.000 Menschen Arbeit gefunden hätten. Jetzt seien es nur noch 80.000 Beschäftigte. Für diejenigen, die die verheerende Menschenrechtslage in Saudi-Arabien verbessern wollen, hat Nüßlein noch einen praktischen Tipp: Dass man nämlich mit einem Staat "besser reden kann, wenn man ihm auf Augenhöhe begegnet". Als Beispiel nennt er gute wirtschaftliche Beziehungen.

Mit mehr Panzern zu mehr Menschenrechten - das war die mit Abstand interessanteste These in dieser Debatte.

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