Leitantrag:Segen für Ceta

Der SPD-Vorstand diskutierte zweieinhalb Stunden lang über das umstrittene Freihandelsabkommen mit Kanada - und rang sich schließlich dazu durch, den Kurs von Parteichef Sigmar Gabriel zu unterstützen.

Von Michael Bauchmüller, Berlin

Es lässt sich doch dem größten Streit immer noch etwas abgewinnen. Bei Martin Schulz, dem sozialdemokratischen Präsidenten des EU-Parlaments, klingt das am Montag so: "Wir haben heute im Parteivorstand eine Debatte geführt, die ich in Qualität und Sachlichkeit in dieser Form noch selten erlebt habe." Zuvor hatte der SPD-Parteivorstand zweieinhalb Stunden lang über einen Leitantrag zu Ceta diskutiert, dem Freihandelsabkommen der EU mit Kanada. In knapp zwei Wochen soll sich ein Parteikonvent in Wolfsburg damit befassen: Findet der Antrag dort die Rückendeckung der Parteibasis, dann stellt sich die SPD hinter große Teile des Abkommens. Dann hat Sigmar Gabriel, der in Personalunion SPD-Parteichef und deutscher Handelsminister ist, eine Sorge weniger.

Zumindest den Segen des Parteivorstands hat er nun, wenn auch nicht ganz einstimmig. Einzig Jan Stöß, bis zum April Vorsitzender der Berliner SPD, stellte sich nach SZ-Informationen gegen den Leitantrag. Drei weitere Vorstände enthielten sich, darunter Matthias Miersch, Chef der Parlamentarischen Linken in der SPD, und Natascha Kohnen, Generalsekretärin der bayerischen SPD. Ihr Landesverband hatte Ceta zuvor ebenfalls abgelehnt. Aber was macht es: "Die SPD ist die einzige Partei, die sich offen, transparent und sachlich mit den Vor- und Nachteilen befasst hat", sagt Generalsekretärin Katarina Barley. So hat er eben auch sein Gutes, der Streit.

Stimmt der Konvent dem Leitantrag zu, dann kann Gabriel nun auch im Kreis der Handelsminister dem Abkommen zustimmen. Im Oktober, beim nächsten EU-Kanada-Gipfel, könnte das Abkommen offiziell unterzeichnet werden. Danach begänne die eigentliche Ratifizierung - durch das EU-Parlament einerseits, durch nationale Parlamente andererseits. Weil auch Brüssel Ceta mittlerweile als "gemischtes Abkommen" sieht, kann es erst dann vollends in Kraft treten, wenn Abgeordnete in allen Mitgliedsstaaten jeweils mehrheitlich dafür gestimmt haben - oder Nachbesserungen verlangt haben.

Darauf zielt auch der Leitantrag. Danach darf zunächst nur der Teil von Ceta in Kraft treten, der nicht nationales Recht betrifft. Das sind etwa die Handelserleichterungen oder die Kooperation bei Regulierungen. Der umstrittene Investitionsschutz samt Handelsgerichtshof stünde unter dem Vorbehalt der nationalen Zustimmung. Allerdings soll der Bundestag nach Vorstellung der SPD auch auf eine Klärung unbestimmter Rechtsbegriffe und auf Nachbesserungen am Abkommen dringen. "Jetzt muss die Stunde der Parlamente kommen", heißt es in dem Antrag.

Eine erste Stunde des Parlaments schlug bereits am Montag, der Wirtschaftsausschuss des Bundestages hatte Experten zu Ceta geladen. In vielen Punkten konnten die Juristen Entwarnung geben, in einem aber nicht: Ob am Ende noch Raum für Nachbesserungen ist, liege nicht allein am Bundestag und auch nicht am EU-Parlament - da müsste Kanada mitziehen.

Auch in der SPD bleibt deshalb Widerstand. "Dies ist absurd, da die Parlamente rein rechtlich keine Möglichkeit mehr haben, die Verhandlungen neu aufzusetzen, sondern formal dem Abkommen nur zustimmen oder es ablehnen können", sagt Hilde Mattheis, Chefin des Forums Demokratische Linke in der SPD. "Die Lösung kann nur sein, Ceta auf dem Konvent abzulehnen."

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