"Tag X":Proteste in Leipzig, Polizei spricht von "schweren Ausschreitungen"

"Tag X": In Leipzig werden Polizisten teils mit Pyrotechnik beworfen.

In Leipzig werden Polizisten teils mit Pyrotechnik beworfen.

(Foto: -/dpa)

Polizei und Demonstranten geraten aneinander. Die Versammlung wird aufgelöst, Politiker der Linken werfen der Polizei vor, die Lage zu eskalieren. Sachsens Ministerpräsident Kretschmer verteidigt das Vorgehen.

In Leipzig hat es am Samstag nach dem Urteil gegen Lina E. wegen Gewalttaten gegen Rechtsextreme erneut Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Demonstranten gegeben. Laut einem Polizeisprecher ist die Demonstration aufgelöst worden, die Lage sei "wieder ruhig." Einer Sprecherin zufolge wurden gegen fünf Menschen Haftbefehle erlassen. Betroffen seien fünf Männer im Alter zwischen 20 und 32 Jahren. Ihnen wird Landfriedensbruch vorgeworfen. Zwischenzeitlich wurden auf der Demonstration Hunderte Teilnehmer von der Polizei eingekesselt, um Personalien aufzunehmen.

Zuvor habe es Böllerschüsse gegeben, Steine, Flaschen und ein Brandsatz seien auf Polizisten geworfen worden. Die Polizei sprach von "massiven Ausschreitungen" im Leipziger Süden. Mehrere Wasserwerfer seien zwar in Stellung gebracht worden, aber nicht zum Einsatz gekommen, sagte der Sprecher. Rund 1500 Teilnehmer hatten sich laut Polizei bei der Demo versammelt Ein Drittel der Demonstranten soll nach Einschätzung der Polizei gewaltbereit gewesen sein. Angemeldet waren 100 Demonstranten.

Die Versammlung blieb zunächst friedlich, eskalierte dann aber - der Grund dafür ist noch unklar. Mehrere Beamte seien von Steinen und anderen Wurfgeschossen getroffen und verletzt worden, sagte der Polizeisprecher. Zur genauen Zahl der verletzten Beamten machte er keine Angaben. "Die Lage auf der Karl-Liebknecht-Straße wird unfriedlich. Unsere Kräfte werden immer wieder attackiert und mit Steinen/Pyrotechnik beworfen", schrieb die Polizei am Samstagabend bei Twitter. Man appelliere an alle Personen dort, sich von Straftätern zu distanzieren und friedlich zu verhalten.

In linken Kreisen war bundesweit für die Demonstration am Samstag mobilisiert worden. Anlass ist das Urteil gegen Lina E. und drei Mitangeklagte wegen Überfällen auf vermeintliche oder tatsächliche Neonazis, bei denen mehrere Menschen teils schwer verletzt worden waren. Die 28-Jährige war am Mittwoch vom Oberlandesgericht Dresden zu fünf Jahren und drei Monaten Haft verurteilt worden.

"Deeskalation sieht anders aus", schreibt Linken-Politikerin Köditz

Trotz des endgültigen Verbots einer großen "Tag X"-Demonstration der linksradikalen Szene war die Polizei mit einem Großaufgebot in der Stadt präsent. Zudem fanden in der Stadt das Sachsenpokal-Finale, das Stadtfest sowie ein Konzert von Herbert Grönemeyer statt. An Zufahrtswegen in die Stadt sowie am Bahnhof gab es den ganzen Tag Kontrollstellen. Am frühen Samstagnachmittag brannten mehrere Fahrzeuge und Mülltonnen.

Die "Tag X"-Demo sollte eigentlich am Samstag um 17.00 Uhr in der Wolfgang-Heinze-Straße stattfinden. Die Stadt hatte diese jedoch verboten. Das Verbot war sowohl vom Verwaltungsgericht Leipzig als auch vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht bestätigt worden. Auch eine Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht blieb erfolglos. Sie wurde nicht zur Entscheidung angenommen.

Nach den Krawallen gab es Kritik der Linken am Vorgehen der Polizei. Ihr Parlamentsgeschäftsführer im sächsischen Landtag, Marco Böhme, warf der Polizei bei Twitter vor, sie habe die Lage durch das "faktische Verbot" eskalieren lassen. Die Linken-Landtagsabgeordnete Kerstin Köditz kritisierte die Entscheidung, die Demonstranten nicht laufen zu lassen. "Deeskalation sieht anders aus", schreibt die Politikerin bei Twitter. Das linksgerichtete Bündnis "Dresden Nazifrei" bezeichnete das Auftreten der Polizei als "martialisch".

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer verteidigt derweil das Vorgehen der Beamten. "Das Ziel ist Menschen und Sachwerte zu beschützen und Gewalttäter festzunehmen", schrieb der CDU-Politiker bei Twitter.

Bereits am Freitagabend hatte es in Connewitz Randale gegeben. Vermummte hatten Polizisten angegriffen. Nach dem zunächst friedlichen Verlauf einer Versammlung am Wiedebachplatz im Stadtteil Connewitz wurden aus einer Menge von bis zu 700 Vermummten heraus Steine geworfen und Pyrotechnik gezündet. Sowohl dort als auch in Nebenstraßen brannten Barrikaden aus Mülltonnen und Baustellenabsperrungen. Die Polizei setzte Tränengas ein und wurde nach eigenen Angaben von Hausdächern mit Gegenständen beworfen. Die meisten brennenden Barrikaden waren kurz nach Mitternacht gelöscht, teils mit Hilfe von Wasserwerfern. Nach ersten Erkenntnissen wurden 23 Beamte verletzt. Einer von ihnen wurde im Krankenhaus behandelt. Ein Journalist wurde den Angaben zufolge von einer unbekannten Person attackiert und leicht verletzt. Ermittelt wird unter anderem wegen schweren Landfriedensbruchs. Den Angaben zufolge wurden fünf Tatverdächtige festgenommen, drei Menschen kamen in Gewahrsam.

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