Leipzig:"Katz-und-Maus-Spiel" nach Absage von Corona-Demo

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Leipzig, Augustusplatz: Teilnehmer der Kundgebung des Aktionsnetzwerkes "Leipzig nimmt Platz" protestieren gegen eine Kundgebung von Gegnern der Corona-Politik. (Foto: Hendrik Schmidt/dpa)

In Leipzig hat die Polizei ein Großaufgebot eingesetzt, um Kritiker der Corona-Maßnahmen und Gegendemonstranten voneinander fernzuhalten - die Lage war zeitweise unübersichtlich.

Spontane Aufzüge, eingekesselte Demonstranten: In Leipzig hat die Polizei ein Großaufgebot eingesetzt, um Kritiker der Corona-Maßnahmen und Gegendemonstranten voneinander fernzuhalten. Hunderte Menschen kamen am Samstag zu einer Kundgebung von Gegnern der Corona-Politik zusammen, die dann aber kurzfristig abgesagt wurde. In der Innenstadt trafen daraufhin die gegensätzlichen Lager immer wieder aufeinander, wie die Polizei auf Twitter mitteilte. Die Lage war zeitweise unübersichtlich.

"Genehmigte Versammlungen liefen friedlich und ruhig ab. Dann aber entwickelte sich eine dynamische Situation an mehreren Stellen der Innenstadt", sagte Polizeisprecher Olaf Hoppe. Das sei eine schwierige Situation für die Polizei gewesen. Bis zum Abend sei die Situation jedoch beruhigt worden. Laut Polizei gab es auch Angriffe auf Einsatzkräfte - Details wurden aber zunächst nicht genannt. Eine endgültige Bilanz sei wohl erst am Sonntag möglich, so der Sprecher. Nach vorläufigen Polizeiangaben sind zwei Menschen festgenommen und 18 Straftaten festgestellt worden, hieß es von der Polizeidirektion Leipzig. Dabei gehe es um Körperverletzungen und Landfriedensbrüche. Neun Tatverdächtige seien ermittelt worden. Nähere Angaben machte die Polizei zunächst nicht.

Leipzigs Oberbürgermeister Burkhard Jung sprach von einem "Katz-und-Maus-Spiel". Der SPD-Politikers sprach aber von einer ganz anderen Situation als bei der Leipziger "Querdenken"-Demonstration vor zwei Wochen, die aus dem Ruder gelaufen war, und einer gut abgestimmten Strategie zwischen Polizei und Versammlungsbehörde. Die angemeldete Kundgebung von Kritikern der Corona-Politik wurde am Nachmittag überraschend abgesagt, obwohl schon Hunderte Menschen vor Ort waren. Der Versammlungsleiter der Kundgebung zog seine Anmeldung zurück, nachdem die Versammlungsbehörde nach Polizeiangaben sein "unvollständiges Attest zur Maskenbefreiung" nicht akzeptiert hatte. Die Polizei hatte zuvor bereits den Zugang abgeriegelt, weil der Platz mit 500 Personen seine Maximalkapazität erreicht habe.

Parallel gab es größere Gegenproteste. Das Aktionsnetzwerk "Leipzig nimmt Platz", das an drei zentralen Orten der Stadt Kundgebungen angemeldet hatte, sprach von bis zu 4000 Teilnehmern über den Tag. Nach der Absage der Corona-Demonstration verteilten sich verschiedene Gruppen in der Innenstadt. Die Polizei war mit Beamten aus mehreren Bundesländern im Einsatz, sie hatte Wasserwerfer und Räumpanzer in Stellung gebracht. Am Nachmittag kreiste auch ein Polizeihubschrauber über der Stadt. Zudem setzten die Beamten Sperrgitter ein.

Am frühen Abend kam es zu nicht genehmigten Spontanversammlungen. Im Bereich des Marktes und der Großen Fleischergasse sowie der Windmühlenstraße beteiligten sich nach Angaben des Polizeisprechers mehrere Hundert Gegner der Corona-Politik. In den angrenzenden Straßen versammelten sich laut Polizei Gegendemonstranten. "Unsere Kollegen trennen diese & unterbinden so ein Aufeinandertreffen", teilte die Polizei per Twitter mit. Dabei setzte die Polizei nach Beobachtung eines dpa-Fotografen auch Pfefferspray ein. Später ließ die Polizei schließlich die eingekesselten Teilnehmer in kleinen Gruppen zum Bahnhof abziehen - Masken wurden dabei nur sporadisch getragen.

Angesichts der Gegendemonstranten in den angrenzenden Straßen habe die Polizei schließlich einen Weg bereitet, sagte der Polizeisprecher. Linke-Abgeordnete kritisierten bei Twitter, dass dabei nicht deren Identität festgestellt worden sei. Der Polizeisprecher sagte, es habe Identitätsfeststellungen gegeben. Nach Beobachtung einer dpa-Reporterin vor Ort zog am Nachmittag unter anderem eine spontane Antifa-Demonstration mit etwa 200 Teilnehmern durch die Innenstadt. Eine andere Versammlung des linken Lagers nahe der Thomaskirche wurde wenig später von der Polizei eingekesselt. Polizeisprecher Hoppe sprach von einer zeitweise "sehr unübersichtlichen" Situation in der Stadt. "Aus der autonomen Szene wurde versucht, in die körperliche Auseinandersetzung mit dem Gegner zu gehen", sagte er. Die Gegenseite habe unbedingt versucht, einen Aufzug durchzusetzen. An verschiedensten Orten habe es Menschenansammlungen gegeben. "Es wurde jedoch keine Versammlung genehmigt", betonte der Sprecher.

Zu der dann abgesagten Kundgebung der Corona-Maßnahmen-Gegner gab es nach Angaben von Oberbürgermeister Jung auch "Anreisebewegungen" aus Thüringen. Am Hauptbahnhof hatten sich dem Politiker zufolge mehrere Rechtsextremisten versammelt, darunter Hooligans und Anhänger von Kameradschaften. Die Hälfte sei wieder abgereist. Der sächsische Verfassungsschutz hatte bereits im Vorfeld berichtet, dass sowohl im rechts- als auch linksextremistischen Lager mobilisiert werde. Zwei Wochen zuvor hatte eine "Querdenken"-Demonstration in Leipzig für Ärger und heftige politische Debatten gesorgt. Mindestens 20 000 Menschen aus der gesamten Bundesrepublik waren nach Leipzig gekommen, um gegen die Corona-Einschränkungen zu protestieren. Kaum jemand hielt sich an die Maskenpflicht. Die Stadt löste die Kundgebung auf. Danach erzwangen die Menschen einen Gang über den Leipziger Ring. Die Polizei hatte erst versucht, sie zu stoppen, ließ sie aber schließlich ziehen. Die schließlich abgesagte Kundgebung an diesem Samstag war nicht von "Querdenken" angemeldet worden. In mehreren anderen deutschen Städten gingen am Samstag Gegner der Corona-Maßnahmen auf die Straße.

In Hannover haben mehr als 900 Menschen gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Veranstalter der Protestkundgebung im Stadtzentrum war die Organisation "Querdenken", die in vielen Städten Proteste gegen die aktuelle Politik im Kampf gegen die Pandemie organisiert. Mehr als 300 Menschen beteiligten sich an Gegenkundgebungen, darunter rund 120 Linksautonome, die zu einem spontanen Protest an die Polizeiabsperrung der "Querdenker"-Demonstration drängten. Die Polizei rief zum Halten von Abstand auf und drängte die Gegendemonstranten einige Dutzend Meter zurück. Zu möglichen Festnahmen konnte die Polizei zunächst nichts sagen. Im Bereich der "Querdenker"-Demo wurde zwischenzeitlich mutmaßlich von Gegnern Pyrotechnik gezündet, Beamte hielten die Lage aber unter Kontrolle.

In Bochum nahmen am Samstag nach Angaben der Polizei in der Spitze rund 500 Menschen an einer Kundgebung gegen die Corona-Maßnahmen teil. Die Lage blieb den Angaben zufolge friedlich. Demnach gab es keine gravierenden Verstöße gegen die Auflagen und auch von Seiten der Gegendemonstration keine Probleme. Zu der Gegendemo kamen nach Polizeiangaben rund 300 Menschen. Veranstalter der Demo gegen die Corona-Maßnahme war die Initiative "Querdenken 234 Bochum". Nach Angaben eines Polizeisprechers trat auch wie geplant "Querdenken"-Gründer Michael Ballweg auf.

Die von der "Querdenken"-Bewegung angekündigte Demonstration auf der Theresienwiese in München hat derweil am Samstag nicht stattgefunden. Wie ein Polizeisprecher mitteilte, gab es "vereinzelt Zulauf", den Menschen sei jedoch ein Platzverweis erteilt worden. Die Veranstalter hatten eine Kundgebung mit bis zu 30 000 Teilnehmern angemeldet. Die Stadt München untersagte das und wurde am Freitag vom Verwaltungsgericht bestätigt. Dagegen fand in Kempten am Samstag eine genehmigte "Querdenken"-Demonstration im Illerstadion statt. Rund 1200 Menschen kamen laut Polizeiangaben zu der Kundgebung. Zwischenfälle wurden zunächst nicht bekannt. An einer Gegendemonstration beteiligten sich etwa 200 Menschen, wie ein Sprecher sagte.

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