Leiden der Palästinenser im Nahostkonflikt:Tieren im Zoo geht es besser als Menschen in Gaza

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Selbst die Einfuhr von Baumaterialien ist nicht gestattet, um die bombardierten Häuser im Gazastreifen wieder aufzubauen. (Foto: dpa)

Nicht die Palästinenser sind schuld am Krieg. Israels harte Blockade des Gazastreifens treibt sie zur Gewalt. Auf lange Sicht droht Israel so zu verlieren.

Ein Gastbeitrag von Usama Antar

Wie lange soll der Konflikt zwischen Palästinensern und Israelis noch andauern? Haben etwa zu viele Beteiligte ein Interesse daran, dass die Zerstörung und das Blutvergießen weitergehen? Die Antwort ist leider: Ja. Und glücklicherweise auch: Nein.

Dieser Konflikt ist kein unendlicher religiöser Krieg. Sehr wohl spielt Religion eine wichtige Rolle, sie wird jedoch vor allem politisch instrumentalisiert und als Argument für den Anspruch auf das Land benutzt.

In Deutschland werden vor allem die Hamas und der islamischen Dschihad als religiöse radikale Kräfte angesehen. Dabei vergisst man meist, dass auch viele israelische Parteien von religiösen und religiös-nationalen Ideologien geleitet sind. In Deutschland würden manche wegen ihrer rassistischen Prinzipien als verfassungsfeindlich gelten, in Israel sind sie jedoch Teil der Regierungskoalition von Benjamin Netanjahu.

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Die religiösen und religiös-nationalen Parteien regieren in Israel schon seit mehr als 15 Jahren. Diese Parteien haben die israelische Gesellschaft gegenüber den Palästinensern und allen Arabern radikalisiert. Jede Gruppierung versucht, ihre Konkurrenz mit noch radikaleren Ansätzen zu überbieten. Mittlerweile ist es keine Seltenheit mehr, dass israelische Fußballfans den Tod von weiteren 1000 Palästinensern fordern oder dass eine israelische Knesset-Abgeordnete der Regierungspartei Jüdisches Haus, Ayelet Shaked, fordert, alle palästinensischen Mütter zu töten, damit sie keine Kinder mehr in die Welt bringen. Der Vize-Parlamentsvorsitzende, Moshe Feiglin, hat schon die ethnische Säuberung des Gazastreifens gefordert.

Kriegstaktik der "verbrannten Erde"

Entsprechend den Vorgaben der Politik verfolgt die israelische Armee einen radikalen Ansatz. Generäle ließen in den Medien verlautbaren, dass sie die Kriegstaktik der "verbrannten Erde" gegen den Gazastreifen anwenden. Dieses Ziel verfolgten sie konsequent in den vergangenen Wochen.

Mehr als 15 000 Häuser und Einrichtungen wurden bombardiert, mehr als die Hälfte davon dem Erdboden gleichgemacht. Etwa 85 Prozent der 1850 Getöteten und mehr als 95 Prozent der 9500 Verletzten sind Zivilisten. Die Palästinenser haben seit Wochen weder Strom noch sauberes Wasser. Schon vor der aktuellen Eskalation warnten Berichte der UN, dass der gesamte Gazastreifen von 2020 an kein geeigneter Ort zum Leben mehr sein wird.

Seit mehr als sieben Jahren leben die Palästinenser im Gazastreifen nun schon unter einer harten Blockade. Einfache Grundrechte wie Bewegungsfreiheit sind nicht vorhanden. Selbst die Einfuhr von Baumaterialen ist nicht gestattet, um die bombardierten Häuser wieder aufzubauen. Im Gazastreifen werden die Menschen nur mit den nötigen Lebensmitteln versorgt - Tieren im Zoo geht es besser. Mehr als die Hälfte der arbeitsfähigen Bevölkerung hat keinen Job. Die Armutsrate stieg auf über 70 Prozent. Innerhalb von sechs Jahren führten israelische Regierungen drei Kriege gegen den Gazastreifen. Was sollen die Palästinenser in Anbetracht dieser bitteren Ausweglosigkeit nur machen?

Traurig ist dabei, dass man in Deutschland stets der palästinensischen Seite die Schuld zuweist, wenn wieder einmal die Gewalt eskaliert - insbesondere der Hamas. Dabei vergisst man, dass der Gazastreifen bereits seit 47 Jahren besetzt ist und die Menschen hier unter unmenschlichen Umständen leben.

Zwar haben sich die israelischen Streitkräfte im Jahr 2005 an den Rand des Gazastreifens zurückgezogen. Sie haben aber nicht die Kontrolle über das Leben der Menschen abgegeben. Israel kontrolliert immer noch die See- und Landgrenzen des Gazastreifens sowie den kompletten Luftraum. Damit kontrolliert Israel weiterhin Importe und Exporte, Zugang und Ausgang.

Was sollen die Palästinenser im Gazastreifen tun? Stellen Sie sich vor, Sie wären nicht in Deutschland, sondern in Gaza auf die Welt gekommen. Stellen Sie sich vor, Sie hätten in den vergangenen sechs Jahren drei mörderische Kriege erlebt ohne Aussicht auf eine Verbesserung der katastrophalen humanitären Lage. Was würden Sie tun? Was sollen die Palästinenser machen? Die Antwort ist eigentlich einfach, für Israel aber politisch scheinbar nicht opportun: Die meisten Palästinenser wollen seit vielen Jahren Frieden und Koexistenz mit Israel. Sie haben sich mit 22 Prozent des historischen Mandatsgebiets Palästinas begnügt, und den Israelis 78 Prozent eingeräumt.

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Aber die Israelis haben sich damit nicht begnügt. Täglich wird im Westjordanland palästinensisches Land enteignet, werden neue jüdische Siedlungen gebaut. Seit 20 Jahren verhandeln nun die Palästinenser mit den Israelis für einen palästinensischen lebensfähigen souveränen Staat, und das Ergebnis ist ein immer beengteres und stärker eingeschränktes Leben für die Palästinenser.

20 Jahre lang legten die zahlreichen israelischen Regierungen der Selbstbestimmung der Palästinenser Stolpersteine in den Weg, um Verhandlungen scheitern zu lassen. Seit dem Amtsantritt von Präsident Mahmud Abbas vor zehn Jahren koordinieren die palästinensischen Sicherheitsapparate mit den israelischen die Sicherheitsbelange Israels. Die Palästinenser sind weltweit das einzige Volk, das die Grenzen seines Feindes sichern muss.

Wer die Palästinenser ernst nimmt, weiß, dass dieser Friede möglich ist

Die Gründe fürs Scheitern der Friedensbemühungen liegen nicht bei den Palästinensern, wie es in den deutschen Medien dargestellt wird. Der Frieden wird verhindert durch die Arroganz des deutlich stärkeren Staates Israel. Er praktiziert gegenüber den Palästinensern eine Politik des Diktats. Bis jetzt lehnte Israel jede praktische Lösung des Konflikts ab.

Die israelische Gesellschaft radikalisiert sich zusehends. Israel betreibt eine zunehmend blinde Politik der Stärke und Gewalt, die ein friedliches Miteinander mit seinen Nachbarn verhindert. Was Israel jedoch ausblendet: Die Sicherheit Israels wird auf Dauer nur mit seiner arabischen Umwelt garantiert sein, nicht gegen sie. Israel mag mit seiner militärischen Überlegenheit und regelmäßigen Angriffen kurzfristig Vorteile erzwingen. Auf lange Sicht droht das Land auf diese Weise aber zu verlieren.

Die Palästinenser werden ihre Hoffnung auf ein selbstbestimmtes Leben in Würde und Freiheit nicht aufgeben. Wenn auf friedlichem Wege keine Fortschritte zu erzielen sind, weil Israel sich nicht bereit zu Kompromissen zeigt, wird die Anwendung von Gewalt als Mittel der Fortführung der Politik in den Augen der meisten Palästinenser die einzige Option bleiben. Dann wird auch Israel keinen Frieden finden. Wer jedoch die Palästinenser als rationale Menschen ernst nimmt, weiß, dass dieser Friede möglich ist.

© SZ vom 13.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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