Lech Kaczynski:Letzte Ruhe neben Polens Königen

Während Polen von Präsident Kaczynski Abschied nimmt, suchen Experten weiter nach der Unglücksursache: Hinweise auf Fehler der Piloten verdichten sich.

T. Urban

Zehntausende Polen haben am Dienstag von dem bei einem Flugzeugunglück zu Tode gekommen Staatspräsidenten Lech Kaczynski und seiner Frau Maria Abschied genommen. Die Särge wurden im Präsidentenpalast neben der Warschauer Altstadt aufgebahrt. Aus der Präsidialkanzlei wurde bekannt, dass das Präsidentenpaar am Sonntag in der Wawelkathetrale in Krakau beigesetzt werde - das Einverständnis der Familie vorausgesetzt.

Die Kathedrale war die Begräbnisstätte der polnischen Könige, hier befinden sich auch die Gräber von herausragenden Politikern und Künstlern. Vor dem Staatsbegräbnis soll in einer Trauerfeier, zu der hohe Staatsgäste aus aller Welt erwartet werden, auch der anderen 94 Opfer des Flugzeugabsturzes in Russland gedacht werden.

Kaczynski stand an der Spitze einer polnischen Delegation, die am vergangenen Samstag auf dem Gräberfeld von Katyn aus Anlass des 70. Jahrestages der Ermordung von etwa 4500 polnischen Offizieren durch den sowjetischen Geheimdienst der Opfer gedenken wollte.

Die Präsidentenmaschine ist im dichten Nebel beim Landeanflug in einem Waldstück etwa zwei Kilometer vor dem Militärflughafen der russischen Großstadt Smolensk zerschellt. Niemand an Bord hat überlebt. Zu den Opfern gehörten wichtige Politiker, darunter drei stellvertretende Parlamentspräsidenten und sechs Staatssekretäre sowie die fünf höchsten Generäle Polens.

Hinweise auf Pilotenfehler

Gleichzeitig verdichteten sich die Hinweise auf einen schweren Fehler des Piloten, eines 36 Jahre alten Hauptmanns der polnischen Luftstreitkräfte. Der russische Vizepremier Sergej Iwanow gab bekannt, dass Feuer oder Explosion an Bord als Unglücksursache ausgeschlossen werden könnten. Auch habe die bisherige Auswertung der Flugschreiber keine Hinweise auf technische Mängel ergeben.

Russische und polnische Experten untersuchten auch am vierten Tag nach dem Unglück das Waldstück Smolensk. Kräne verluden Wrackteile auf Schwertransporter, alle Teile, die über einen Quadratkilometer verstreut liegen, sollen zur weiteren Untersuchung an einen Ort gebracht werden. Die Leitung der russischen Untersuchungskommission hat Regierungschef Wladimir Putin an sich gezogen.

Der Leichnam der Präsidentengattin Maria Kaczynska wurde am Dienstag von der polnischen Luftwaffe nach Warschau geflogen, zwei Tage nach den sterblichen Überresten ihres Mannes. Die Zeremonie auf dem Warschauer Flughafen fand in privatem Rahmen statt, zugegen waren Jaroslaw Kaczynski, der Zwillingsbruder des toten Präsidenten, sowie die 30-jährige Tochter des Präsidentenpaares, Marta Kaczynska. Als der Leichenwagen in das Zentrum zum Präsidentenpalast fuhr, säumten Tausende die Straßen, um den Leichenwagen zu sehen und Blumen darauf zu werfen.

Beliebte Präsidentengattin

Die 66-jährige Maria Kaczynska war in Polen außerordentlich beliebt. Sie hielt sich zwar bei offiziellen Anlässen stets im Hintergrund, doch wussten ihre Landsleute von ihrer Schlagfertigkeit und ihrem Humor. Sie sprach im Gegensatz zu ihrem Mann mehrere Fremdsprachen, konnte sich also auch mit den meisten Staatsgästen unterhalten.

Zweimal hat sie sich öffentlich in die Politik eingemischt: Das erste Mal, als sie mit dem Hinweis, sie sei als Tochter eines Försters in einem Wald aufgewachsen, für die Umweltschützer eintrat, die den Bau einer Autobahn durch ein Naturschutzgebiet verhindern wollten. Ausgerechnet ihr Schwager Jaroslaw, damals Regierungschef, wollte dieses Projekt durchsetzen.

Das zweite Mal wandte sie sich in einer Debatte mit Journalistinnen am Internationalen Frauentag gegen eine weitere Verschärfung des in Polen ohnehin strengen Abtreibungsverbotes. Sie wurde damit zum Hassobjekt des Leiters des nationalistischen Senders Radio Maryja, des Paters Tadeusz Rydzyk. Dieser sagte in einer geschlossenen Veranstaltung der von ihm gegründeten Journalistenschule, dass Maria Kaczynska eine "Hexe" sei, die sich selbst der "Euthanasie unterziehen" sollte.

Ein Mitschnitt dieses Vortrags geriet in die Presse, das Nachrichtenmagazins Wprost legte ihn eine Ausgabe sogar als CD bei. Die Angriffe des umstrittenen Paters auf die Präsidentengattin trugen einiges zu ihrer Popularität bei und führten auch zum Bruch zwischen ihm und den Zwillingen. "Maria Kaczynska war sehr sensibel und hatte einen großen Einfluss auf ihren Mann", sagte der ehemalige Regierungschef Tadeusz Mazowiecki im Radio.

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