Lebensmittel:Essen nach Farben

Lange wurde in Deutschland um eine Kennzeichnung für Lebensmittel gerungen. Nun hat sich Ernährungsministerin Julia Klöckner für ein Logo entschieden, Pflicht wird es aber nicht.

Von Michael Kläsgen

Das in anderen EU-Ländern erprobte fünffarbige Nährwertlogo Nutri-Score auf Lebensmittelverpackungen soll künftig auch Verbrauchern in Deutschland helfen, sich ausgewogener zu ernähren. Nach jahrelangem Streit über Art und Inhalt der Kennzeichnung gab Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) am Montag bekannt, sich für das in Frankreich entwickelte Nutri-Score-Modell entschieden zu haben. Dabei wird auf einer fünfstufigen Nährwertskala, die von einem grünen, empfehlenswerten "A" bis zu einem roten, ungünstigen "E" reicht, ein Buchstabe hervorgehoben. Die damit verbundene Stufe berücksichtigt den Gehalt an Zucker, Fett und Salz ebenso wie den Anteil von gesünderen Zutaten wie Obst oder Gemüse.

Klöckner sagte, Nutri-Score habe in einer Verbraucherbefragung am besten abgeschnitten. Die Ministerin hatte 1600 Personen über vier Modelle abstimmen lassen. Nutri-Score habe in allen Fragestellungen an erster Stelle gelegen. Die Frage, ob es in Deutschland eingeführt werden solle, bejahten 57 Prozent der Befragten. Für das vom bundeseigenen Max-Rubner-Institut im Auftrag des Ministeriums entwickelte Modell sprachen sich 28 Prozent der Teilnehmer aus. Die CDU-Politikerin will nun eine Verordnung vorlegen, die den Rechtsrahmen für eine freiwillige Verwendung des Nutri-Score-Logos schafft. Im kommenden Jahr soll dieser Rechtsrahmen stehen. Zuvor müssen noch die EU-Kommission und der Bundesrat zustimmen.

Die Ankündigung Klöckners stieß weitgehend auf positive Resonanz. Die Verbraucherorganisation Foodwatch, die Nutri-Score favorisiert hatte, lobte Klöckners Entscheidung, kritisierte aber, dass die Kennzeichnung zunächst freiwillig bleibe. Renate Künast, die Grünen-Sprecherin für Ernährungspolitik, forderte Klöckner auf, sich nun auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, Nutri-Score in der EU verpflichtend für alle Hersteller zu machen. Nestlé, der größte Lebensmittelkonzern der Welt, kündigte an, die Nährwertkennzeichnung "schnellstmöglich umsetzen" zu wollen. Er hatte sich frühzeitig für Nutri-Score ausgesprochen. Als international tätiger Konzern ist Nestlé grundsätzlich an einem europaweiten Label interessiert.

Edeka, der größte Lebensmittelhändler Deutschlands, äußerte sich kritischer. Der Konzern teilte mit, es müssten zunächst "authentische Erfahrungswerte aus der Lebenswelt der Verbraucher einbezogen werden", um beurteilen zu können, ob diese das Label akzeptierten. Edeka hatte Nutri-Score testweise bei einzelnen Produkten eingeführt. Für Verwunderung hatte dabei gesorgt, dass etwa süßstoffhaltige Softdrinks wegen des niedrigen Zuckergehalts positiv bewertet wurden, Lachs hingegen wegen des hohen Fettgehalts negativ. Der Lebensmittelverband verwies ausdrücklich darauf, dass es "die freie Entscheidung eines jeden Unternehmens" sei, Klöckners Empfehlung zu folgen.

In Deutschland gelten laut Ernährungsministerium 47 Prozent der Frauen, 62 Prozent der Männer und 15 Prozent der Kinder als übergewichtig. Zu viel Zucker, Fett und Salz erhöhen nachweislich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

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