Lebensmittel:Das große Fressen

Öko boomt, dennoch droht Bioläden das Aus.

Von Michael Kläsgen

Früher gab es "Bio" nur im Laden an der Ecke, gut, aber teuer. Das hat sich geändert. Der neue Prospekt von Aldi-Süd lässt keinen Zweifel daran, wer jetzt die Marktführerschaft bei Bioprodukten beansprucht: der Discounter. Auf 28 Seiten wirbt er nicht nur für Biolebensmittel, sondern auch für Naturkosmetik und Reinigungsprodukte mit Ökolabel. Allesamt Produkte, die durchaus den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Auch wenn für Fachleute der Spruch gilt: "Bio plus regional plus saisonal ist erste Wahl." Diese drei Kriterien erfüllt Aldi nicht immer.

Dennoch ist das Gespann Aldi-Nord und Aldi-Süd nach Angaben der Marktforscher der GfK seit 2017 nach Umsatz die Nummer eins im Biolebensmittelhandel. Aldi-Nord liegt mit einem Umsatzanteil von 14 Prozent in seinem Vertriebsgebiet sogar noch vor Aldi-Süd mit 13,4 Prozent. Das Discounterpaar steht damit für einen breiten Trend.

Wer heute Bio einkauft, geht meist in den Discounter oder Supermarkt und kaum noch in den inhabergeführten Bioladen in seiner Nähe. Zwei Drittel der Ausgaben für biologisch angebaute Lebensmittel landen in den Kassen von Handelskonzernen wie Aldi, Lidl, Rewe und Edeka, nur ein Drittel beim Fachhandel, zu dem auch Biosupermärkte wie Alnatura, Denn's oder Basic gehören.

Weil die Konzerne immer mehr Bioprodukte in ihr Sortiment nehmen und den Erzeugern große Mengen abnehmen, erzielen sie relativ günstige Einkaufspreise, die sie an die Verbraucher weitergeben können. Viele kleine Läden mussten bereits schließen, weil sie dem Preiswettbewerb nicht standhalten konnten. Die Konkurrenz der Konzerne spüren aber auch Bio-Ketten wie Alnatura oder Denn's. Seit 2013 waren jedes Jahr mehr als 100 neue Filialen dieser Biosupermärkte entstanden. An jedem fünften Standort stagniert oder schrumpft der Umsatz inzwischen jedoch, konstatiert Joachim Riedl, Handelsexperte an der Hochschule Hof. "Es bedarf wenig prognostischer Fähigkeiten, um für den Biofachhandel einen Konsolidierungsprozess vorauszusehen, in dem nur einige der heute aktiven Player überleben werden", prognostiziert er im Branchenblatt Lebensmittel-Zeitung.

Riedl beschreibt eine auf den ersten Blick paradoxe Situation: Bio boomt zwar, dennoch steht angeblich ein Bioladen-Sterben bevor. Verantwortlich dafür ist laut Riedl das Angebot in Discountern und Supermärkten. Günstige Preise, großes Sortiment, alles unter einem Dach.

Die Konzerne setzen auf Bio, weil es für sie lukrativ ist. Zwar ist der Handel mit Biolebensmitteln immer noch ein Nischengeschäft, 2017 machte er gerade einmal fünf Prozent des Gesamtumsatzes mit Lebensmitteln aus. Das entscheidende Kriterium für die großen vier Händler ist aber: Die Nachfrage nach Bioware steigt viel stärker als die nach herkömmlichen Lebensmitteln. Seit 2004 hat sich der Bio-Anteil mehr als verdreifacht.

Eine Bedrohung für die Fachhändler sind aber nicht nur Discounter und Supermärkte, sondern auch die Drogeriemärkte. Branchenführer dm räumte 2015 bereits Alnatura-Produkte aus seinen Regalen. Dort hinein stellt er neuerdings höherpreisige Biomarken, die dazu dienen, den Fachhändlern die anspruchsvollen Kunden abzujagen.

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