Lebensmittel:Bodenschatz

Deutsche Kartoffeln sind wegen der Dürre besonders teuer.

Von Joachim Käppner

Viele Sprichwörter gibt es um die Kartoffel herum. Das bekannteste und gewiss am wenigsten gerechte lautet, die dümmsten Bauern hätten die dicksten Kartoffeln. Hier klingt noch ein wenig der Neid auf jene nach, die vom Kartoffelanbau angeblich reich wurden. Schon fast vergessen ist die Redewendung "rin in die Kartoffeln, raus aus die Kartoffeln". Dieses Synonym für ein quälendes Hin und Her stammte aus der militärverliebten Kaiserzeit. Befahl der eine Offizier der Truppe, beim Manöver durchs Kartoffelfeld auf den imaginierten Feind vorzugehen, so machte ein anderer die Order rückgängig, aus Rücksicht auf die Bauern und mehr noch aus Sorge, verklagt zu werden.

Aus all dem spricht noch die enorme Bedeutung, welche die Kartoffel als Grundnahrungsmittel der Deutschen besaß und besitzt. Als Folge der langen Dürre ist die Ernte in diesem Jahr schlecht ausgefallen und der Preis für die Verbraucher mancherorts um die Hälfte gestiegen, was früher ausgereicht hätte, soziale Unruhen zu entfachen. In den Läden sind die Kartoffeln nicht nur teurer geworden, sondern auch hässlicher - jedenfalls wenn man die Kriterien des Durchschnittssupermarktes zugrunde legt, in dem Äpfel zu glänzen und Kartoffeln glatt wie Kieselsteine zu sein haben. Viele der nun angebotenen Knollen haben dunkle Flecken oder sogenannte Schorfpusteln. Essen kann man sie trotzdem bedenkenlos.

Obwohl die Anbaufläche zurückgeht, produzieren deutsche Bauern in einem normalen Jahr gut zehn bis elf Millionen Tonnen Kartoffeln. Heuer sind es gut ein Fünftel weniger, leere Regale gibt es aber schon wegen der vielen Importe nicht. Die Kartoffeln sind heute eine beliebte und preiswerte Beilage, aber schon lange kein Arme-Leute-Essen mehr wie früher, als "gequellte un dubb dubb" (Pfälzisch für Pellkartoffeln mit Salz) und Ähnliches fast täglich auf den Tisch kam. Im bettelarmen Irland war die Kartoffel überlebenswichtig, als 1845 die Kartoffelfäule die Ernten vernichtete, starben etwa eine Million Menschen an Hunger.

Die nahrhafte und widerstandsfähige Knolle stammt aus dem Inkareich Südamerikas, die spanischen Eroberer brachten sie im 16. Jahrhundert nach Europa. Es dauerte allerdings noch gut 200 Jahre, bis sich die Deutschen damit anfreundeten. König Friedrich II. von Preußen förderte im Alter den Anbau der Knolle in den von seinen Kriegen verwüsteten oder neu erschlossenen Provinzen. Ein bekanntes Gemälde zeigt ihn beim Inspizieren der Ernte, während ein Begleitoffizier in prächtiger Uniform sich zu fragen scheint, was um alles in der Welt der Herrscher da bei den Bauern auf dem lehmigen Feld wohl sucht. Etwa zur selben Zeit, 1774, besang der Dichter Matthias Claudius die Feldfrucht: "Schön rötlich die Kartoffeln sind und weiß wie Alabaster . . ."

In der kleinen Kartoffelkrise dieses Herbstes geht es weniger um dicke und dünne Bauern, sondern eher um solche im Glück und solche im Pech. Sogar jene, welche der Dürre entgingen, profitieren nicht automatisch von steigenden Preisen. Dumm dran sind jene, die schon vorab ihre Ernte zu den üblichen Festpreisen veräußert hatten, etwa zehn Euro pro Doppelzentner. Sie haben gar nichts davon, dass sie nun mehr als das Doppelte bekommen könnten.

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