Das Acropolis House liegt ziemlich zentral. Zwischen Vergangenheit und Zukunft, wenn man so will. Zu Fuß in die eine Richtung, und man steht auf der Akropolis. Zu Fuß in die andere Richtung, und man steht auf dem Syntagma-Platz und blickt aufs Parlamentsgebäude, wo die Politik gerade heftig um dieses Land ringt. Dazwischen dieses Haus, leuchtend gelb gestrichen. 150 Jahre alt, mit Stuck an der Decke und Kronleuchtern. Keine Edel-Herberge. Es gibt noch Zimmer mit Klo auf dem Gang und die alten Sicherungen zum Schrauben.
An der Rezeption sitzt Jasmine Labrou, Groß, schlank, perfekt gemalter roter Lippenstift. Zu schön für das Wort adrett. Wer verstehen möchte, wie es dem Land geht in diesen Tagen, die keine normalen mehr sind, sondern schicksalhafte, sollte ihr ein bisschen zuhören. "Rettet Griechenland", titelt die Athener Sonntagszeitung To Vima, im Hintergrund die Landesfahne. Von Todeskampf ist auch schon die Rede in den Zeitungen. Jasmine Labrou hat viel zu sagen. Zu allererst dies: Sie hat keine Angst. Vor dem Grexit erst recht nicht.
An ihr kommt im Acropolis House niemand vorbei: Jasmine Labrou wacht über die Schlüssel - und eine interessierte Gesprächspartnerin.
(Foto: Mike Szymanski)"Was soll denn auch noch schlechter werden in diesem Land?"
Manchmal übernachten Professoren im Acropolis House, die an der Uni zu Gast sind. Wenn es sich ergibt - und an dieser Frau kommt eigentlich niemand vorbei, weil sie ja die Schlüsselgewalt hat und ein sehr interessierter Mensch ist - dann fragt sie die Wissenschaftler, was die so denken. Raus aus dem Euro oder nicht?
"Die meisten sagen: raus." Ihr leuchte das ein: "Was soll denn auch noch schlechter werden in diesem Land?" Man muss gar nicht in die armen Viertel von Athen fahren, um das Elend zu sehen. Das gibt es auch schon hier in Plaka, im Zentrum der Stadt: Zur Tür raus, hundert Meter weiter die Straße Voulis entlang liegt ein Obdachloser im Schatten und schläft. So tief muss man aber gar nicht fallen, um unglücklich zu sein.
Sparen, noch mehr sparen und immer noch mehr sparen
"Jeder kennt ein, zwei, drei, vier oder fünf Arbeitslose", sagt Jasmine Labrou. Eine ganze Generation wächst ohne Perspektive heran. Junge Menschen, die nicht zu Hause ausziehen können, weil sie keine Arbeit finden und kein Geld verdienen.
Sparen, noch mehr sparen und immer noch mehr sparen. Eine solche Politik halte auf Dauer doch keine Gesellschaft aus, sagt Jasmine Labrou. Waren die letzten Jahre nicht Stress pur für alle? "Den Leuten steht es bis hier." Sie fährt mit der Hand hoch zum Kopf. Sie stört auch, ständig für die Misere in Haftung genommen zu werden. Und dann ist man auch schon schnell bei der Schuldfrage. Da lasse sie sich von niemanden einreden, die Griechen seien selbst schuld. Im Übrigen, was solle das überhaupt heißen, die Griechen. "Ich habe nie über meine Verhältnisse gelebt", sagt sie. Und sie habe auch immer ihre Steuern bezahlt. "Ich fühle mich nicht schlecht."
Klar habe das Land Fehler gemacht, die Politiker. Viele Fehler sogar: die Reichen geschont. Die Korruption blühen lassen. Die Trickserei, um überhaupt den Euro zu bekommen. Aber haben die Griechen nicht mittlerweile auch schon genug für diese Fehler bezahlt? Die Frau am Empfang fragt sich: Wie hoch soll der Preis denn noch sein?