Süddeutsche Zeitung

Lausanne:Atomverhandlungen mit Iran in "wichtigen Fragen festgefahren"

Lesezeit: 3 min

Von Paul-Anton Krüger, Lausanne

Die Atomgespräche der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit Iran in Lausanne sind bis tief in die Nacht fortgesetzt und dann für wenige Stunden unterbrochen worden. Irans Außenminister Mohammad Dschawad Sarif sagte: "Es war ein sehr langer Tag für alle Delegationen. Wir haben einiges erreicht, aber unsere Leute mussten sich kurz ausruhen, um dann am frühen Morgen weiterarbeiten zu können." Er fügte hinzu, er hoffe, dass "wir die Arbeit beenden" und die Arbeit am Text einer Vereinbarung beginnen könne.

Sein russischer Kollege Sergeij Lawrow sagte laut der Nachrichtenagentur RIA Nowosti: "Wir können mit relativer Sicherheit sagen, dass wir auf Ministerebene eine grundsätzliche Einigung in allen Schlüsselfragen erzielt haben".

Ein Vertreter der amerikanischen Delegation stellte das allerdings in Abrede. Es gebe weiterhin noch ungeklärte Fragen. Ein Scheitern war demnach weiterhin nicht ausgeschlossen. Der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest, drohte indirekt mit einem Abbruch der Gespräche. Wenn keine politische Grundsatzeinigung erreicht werden könne, werde die amerikanische Delegation nicht bis 30. Juni warten, um die Verhandlungen zu verlassen. Bis zu diesem Datum sollen der Text und alle technischen Details eines möglichen Abkommens vereinbart sein.

Aus deutschen Delegationskreisen hieß es am Morgen, die Verhandlungen "waren gestern Nacht an einigen wichtigen Fragen festgefahren, Fachleute haben die ganze Nacht gearbeitet". Die verbliebenen Außenminister, John Kerry, Frank-Walter Steinmeier und Philipp Hammond sowie die politischen Direktoren Frankreichs, Russlands und Chinas würden sich derzeit zu einer Bestandsaufnahme treffen, um dann wieder Gespräche mit der iranischen Delegation aufzunehmen. Fortschritte seien erkennbar.

Es sei "nichts ausgemacht, aber bei gutem Willen aller ist eine Einigung möglich". Steinmeier habe mit seinem französischen Kollegen Fabius vor dessen Abreise heute Nacht eine enge deutsch-französische Abstimmung vereinbart. Auch Russlands Außenminister Sergeij Lawrow war am Morgen abgereist.

Der britische Außenminister Hammond sagte, es seien "erhebliche Fortschritte" in den vergangenen Tagen erzielt worden, aber es gehe langsam voran. Man habe die Gespräche in der Nacht unterbrochen, weil einige der Experten schon die vorangegangene Nacht durchgearbeitet hätten. Sie sollten "frisch sein, wenn wir die wenigen verbliebenen Punkte in Angriff nehmen". Er sei optimistisch, dass am Vormittag weiterer Fortschritt erzielt werden könne, aber das setze voraus, dass "die Iraner bereit sind, sich auf uns zuzubewegen, wo es noch Punkte zu klären seien".

Kerry unterrichtet Obama per Videokonferenz

Um Mitternacht war die Frist abgelaufen, die sich die beiden Seiten selbst gesetzt hatten, um eine politische Grundsatzeinigung über ein Abkommen erzielen, das den seit zwölf Jahren schwelenden Atomstreit mit Iran beilegen soll. Der Text und die technischen Anhänge des Vertrages sollten dann bis Ende Juni verhandelt werden.

Die Sprecherin von US-Außenminister John Kerry hatte am späten Abend mitgeteilt, es seien genügend Fortschritte erzielt worden, um eine Fortsetzung der Gespräche in den Mittwoch hinein zu rechtfertigen. Kerry unterrichtete Präsident Barack Obama und das amerikanische Sicherheitskabinett in der Nacht in einer Videokonferenz über den Stand der Verhandlungen.

Am Dienstagabend hatte es aus der deutschen Delegation hatte geheißen, es habe "den ganzen Tag über schwierigste Verhandlungen der Minister über die entscheidenden Fragen" gegeben. Über weite Strecken hatten am Nachmittag die Ressortchefs die Gespräche selbst geführt und jeweils nur noch einen Berater mit im Raum. Die Stimmung sei "wechselhaft", es gebe ein "hartes Ringen um eine machbare, für beide Seiten akzeptable Lösung", hieß es weiter. Es sei "weiter offen, ob das gelingt".

Als Zeichen, wie verhärtet die Positionen im Laufe des Abends waren, wurden Äußerungen eines hochrangigen iranischen Delegationsmitglieds gewertet, das sagte, die Gespräche würden fortgesetzt, bis "wir die Rechte des iranischen Volkes gewahrt sehen. Diese Rhetorik erinnerte schon fast an die Zeiten vor dem Regierungswechsel in Iran, der nach der Wahl von Hassan Rohani zum Präsidenten im Augst 2013 neue Perspektiven bei den Atomverhandlungen eröffnet hatte.

Iran besteht auf Aufhebung der Sanktionen

Aus Delegationskreisen hatte es am Abend geheißen, im Wesentlichen seien drei Punkte umstritten. In erster Linie gehe es um die Dauer, für die Iran Beschränkungen bei der Anreicherung von Uran auferlegt werden. Eng verbunden damit: Forschung an und Entwicklung von moderner Nukleartechnologie - vor allem leistungsfähigerer Zentrifugen zu Urananreicherung. Da seien "die Erwartungen des Iran sehr anspruchsvoll", hatte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier gesagt.

Iran war dem Vernehmen nach nicht bereit zu akzeptieren, dass gewisse Beschränkungen über einen Zeitraum von zehn Jahren hinaus gelten sollten. Dagegen wollten die westlichen Verhandlungspartner sicherstellen, dass es nicht nach dem Auslaufen eines Abkommens dazu kommt, dass Irans Kapazitäten vor allem bei der Urananreicherung sprunghaft ansteigen.

Zum anderen ging es um die Aufhebung der Sanktionen, vor allem jener, die der UN-Sicherheitsrat gegen Iran verhängt hat. Die westlichen Staaten haben Iran angeboten, den Großteil der Wirtschafts- und Finanzsanktionen in einer frühen Phase des Abkommens zu lockern und damit der schwer angeschlagenen iranischen Wirtschaft Luft zu geben.

Allerdings bestand Teheran darauf, dass alle Sanktionen sofort aufgehoben werden, darunter auch jene des Sicherheitsrates, die etwa die Einfuhr von Atomtechnologie verbieten. Das ist für den Westen nicht akzeptabel, der zudem auf einem Mechanismus besteht, der die Sanktionen automatisch wieder in Kraft setzt, sollte Iran gegen ein Abkommen verstoßen.

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SZ vom 01.04.2015
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