Ministerpräsidentenkonferenz:Nichts mehr mit "Normalität"

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Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU). (Foto: David Young/dpa)

Wie NRW-Regierungschef Hendrik Wüst sich von seinem Vorgänger Armin Laschet abzusetzen versucht.

Von Christian Wernicke, Düsseldorf

Hendrik Wüst will Farbe bekennen an diesem Mittwoch. Schwarzer Anzug und dunkle Krawatte, das soll wohl passen zur Rolle, die Nordrhein-Westfalens neuer Ministerpräsident bei seinem Auftritt vor dem Düsseldorfer Landtag ausprobiert: Jetzt tritt er als Schwarzer auf, als CDU-Politiker.

Also nimmt der NRW-Regierungschef, der seit Ende Oktober auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) ist, erst einmal die Roten ins Fadenkreuz bei seiner Rede zur akuten Pandemie-Lage. Als Sündenböcke. Es seien schließlich die SPD-Länder gewesen, an denen eine frühere Corona-MPK etwa schon vorige Woche gescheitert sei. Auch Olaf Scholz, der mutmaßlich baldige Kanzler, sei leider "erst jetzt zu einer Sonder-MPK bereit", beklagt Wüst: "Es ist viel Zeit verloren gegangen, und vor allem ist viel Akzeptanz und Vertrauen in der Bevölkerung verloren gegangen." Zudem sende die angehende Ampelkoalition mit ihrem Plan, die epidemische Notlage gerade jetzt aufzuheben, ein "falsches Signal". Noch bleibe Zeit, diesen Fehler zu korrigieren, mahnt der CDU-Mann den SPD-Politiker: "Auch dem künftigen Kanzler würde kein Zacken aus der Krone brechen, an dieser Stelle umzukehren." Stunden nach der Landtagsdebatte wurde bekannt, dass Wüst in einem Brief an Scholz sogar mit einer Blockade des Ampel-Gesetzes im Bundesrat droht.

Es ist das erste Mal, dass der neue starke Mann an Rhein und Ruhr sich so vehement, so parteipolemisch einmischt in die Bundespolitik. Wüst zeigt klare Kante als Christdemokrat, auch um den Preis, dass er auf diese Weise daheim in Düsseldorf nur einfarbigen Beifall erntet: Allein die CDU-Abgeordneten der schwarz-gelben Regierungskoalition klatschen. Die FDP-Mitglieder im Landtag hingegen rühren keinen Finger, als Wüst die Corona-Pläne der Berliner Ampel kritisiert. Eine halbe Stunde später werden einige Liberale mit heftigen Klopfzeichen ihrer Fingerknöchel sogar dem SPD-Landes- und Fraktionschef Thomas Kutschaty Respekt zollen, als dieser Wüsts Corona-Kurs attackiert und ihm "Nichtstun" vorwirft. Die politische Neuordnung an der Spree, so scheint es, erzeugt neue Schwingungen auch im Landtag am Rhein.

Hinter den Kulissen gibt sich Wüst versöhnlich

Hinter den Kulissen, so ist in Düsseldorf zu hören, agiert Wüst seit Tagen weitaus versöhnlicher. Der neue MPK-Chef müht sich, alle 16 Länder schon vor der Video-Sitzung mit Noch-Kanzlerin Angela Merkel auf einen Kompromiss einzuschwören, was eine einheitliche Gestaltung etwa der 2-G-Regelungen angeht. Wüst, so sagt ein führender Sozialdemokrat, sei "klar konsensorientierter" als der damalige MPK-Vorsitzende Markus Söder zu Beginn der Corona-Krise. Wüst, ein Duzfreund des Bayern aus frühen Karrierezeiten, will seine 15 Amtskollegen am Donnerstagvormittag (drei Stunden vor dem Termin mit Merkel) möglichst für ein gemeinsames Corona-Strategiepapier gewinnen.

Was da am Ende drinstehen wird, blieb am Mittwoch offen. In weiten Teilen dürfte Wüst empfehlen, was er seinem Land verordnet hat: die 2-G-Regel für Ausstellungen, Fußballstadien oder Gaststätten, 2-G-Plus für Diskotheken-Besucher und Karnevalisten. Wüst nennt das "konzentrierte Wachsamkeit". Das sind zwei Worte, mit denen er sich abzusetzen versucht von seinem Amtsvorgänger Armin Laschet und dessen Kurs der "verantwortungsvollen Normalität". Was wiederum beweist: Wüst schnitzt an seinem Profil.

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