Süddeutsche Zeitung

Machtkampf in der Union:Der Rückhalt für Laschet schwindet

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Als erster CDU-Ministerpräsident wendet sich Reiner Haseloff von seinem Parteichef ab. Auch Abgeordnete setzen verstärkt auf Söders Popularität. Am Abend stellen sich immerhin zwei Länderchefs hinter Laschet.

Von Stefan Braun und Robert Roßmann, Berlin

Im Streit um die Kanzlerkandidatur der Union schwindet in der CDU der Rückhalt für Parteichef Armin Laschet. Aus immer mehr Landesverbänden kommen Signale, dass bei der Entscheidung zwischen Laschet und CSU-Chef Markus Söder vor allem die Popularität berücksichtigt werden müsse - in den Meinungsumfragen liegt aber Söder mit großem Vorsprung vor dem CDU-Chef. Als erster Ministerpräsident der Christdemokraten ging Sachsen-Anhalts Regierungschef Reiner Haseloff offen auf Distanz zu Laschet.

Haseloff sagte dem Spiegel: "Leider geht es jetzt nur um die harte Machtfrage: Mit wem haben wir die besten Chancen?" Es gehe "nicht um persönliche Sympathie, Vertrauen oder Charaktereigenschaften". Es helfe "nichts, wenn jemand nach allgemeiner Überzeugung absolut kanzlerfähig ist, aber dieses Amt nicht erreicht, weil die Wählerinnen und Wähler ihn nicht lassen". Die Äußerung kommt einer eindeutigen Parteinahme für Söder gleich. Haseloff ist Mitglied des CDU-Präsidiums, das sich am Montag noch einmütig hinter Laschet gestellt hatte. Im Juni sind in Sachsen-Anhalt Landtagswahlen.

Günther, Bouffier und Klöckner für Laschet

Am Abend unterstützten dann zwar die Ministerpräsidenten von Schleswig-Holstein und Hessen, Daniel Günther und Volker Bouffier, Laschet. Bouffier sagte dem Hessischen Rundfunk, das CDU-Präsidium sei "nicht umnachtet" gewesen, als es sich am Montag für ihn ausgesprochen habe, Laschet sei sein "Wunschkandidat"

Andere Ministerpräsidenten und auch Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) wollten sich dagegen nicht, oder nicht so klar äußern. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer sagte der Süddeutschen Zeitung lediglich: "Das ist ein ganz spannender Prozess, den wir jetzt gerade erleben. Dieser ist wichtig für Deutschland und er muss mit großer Verantwortung auch bewältigt werden. Ich habe keinen Zweifel, dass das auch gelingt." Niedersachsens CDU-Chef Bernd Althusmann sagte, auflösen könnten das Problem "jetzt ausschließlich die beiden Kandidaten, indem sie zügig zu einer Entscheidung kommen".

Unterstützung für Laschet kam von der stellvertretenden CDU-Vorsitzenden Julia Klöckner. "Wir haben zwei erfolgreiche Ministerpräsidenten zur Auswahl. Beide können und beide wollen es", sagte Klöckner der SZ. Sie rufe beide dazu auf, sich "schleunigst" zu einigen. Armin Laschet habe "große Integrationskraft und die Fähigkeit zum Ausgleich, ich unterstütze unseren Bundesvorsitzenden".

Helfen könnte Laschet eine klare Positionierung der Kanzlerin. Damit ist aber nicht zu rechnen. Angela Merkel hat bereits klargemacht, dass sie sich nicht einmischen werde. Im Lager Laschets herrscht deshalb mittlerweile erheblicher Unmut über die frühere CDU-Vorsitzende, weil sie durch ihr Verhalten Söders Chancen erhöhe. Erste Unterstützer des CDU-Vorsitzenden halten das Rennen bereits für entschieden - und zwar für Söder. Haseloffs offenes Eintreten sei "der Wendepunkt" und "das Ende" für Laschets Ambitionen, sagte ein CDU-Mann, der zuletzt mit Verve für den Parteichef gekämpft hatte.

Die Fraktion fühlt sich von Laschet nicht ernst genommen

In der Unionsfraktion wächst derweil der Verdruss darüber, dass Söder und Laschet zu keiner Einigung kommen. Wenn sich daran nicht schnell etwas ändere, würden die Abgeordneten eine Abstimmung einfordern, hieß es aus der Führung. Wie diese ausgehen würde, sei allerdings offen. Es könnte auch noch zu einem sehr knappen Erfolg Laschets kommen. Laut Spiegel haben Unions-Abgeordnete am Donnerstagabend bereits damit begonnen, Unterschriften für ein Votum in der Fraktionssitzung zu sammeln. Geführt werde die Liste vom Vorsitzenden des Europa-Ausschusses, dem CDU-Abgeordneten Gunther Krichbaum. Er gilt als Unterstützer Söders. Aus dem Lager Laschets wird berichtet, dass Anhänger Söders massiven Druck ausübten. Bisherige Unterstützer des CDU-Chefs würden wahlweise von Kollegen im Parlament, von Mitgliedern an der Basis oder von anderen Gremienvertretern in den Landesverbänden verbal attackiert.

Dass sich immer mehr Unionsabgeordnete in Richtung Söder orientieren, liegt aber auch daran, dass sich die Fraktion von Laschet nicht ernst genommen fühlt. Der CDU-Chef wollte zunächst nicht an der Fraktionssitzung am vergangenen Dienstag teilnehmen. Und er sträubt sich gegen die Wahrnehmung, dass es in dieser Sitzung ein klares Meinungsbild für Söder gab, obwohl die deutliche Mehrheit der gut 60 Redner für den CSU-Chef sprach. Vor allem aber haben die direkt gewählten Abgeordneten Angst, mit Laschet an der Spitze ihre Wahlkreise zu verlieren.

In der Spitze der Unionsfraktion wurde auf Erkenntnisse von Meinungsforschern verwiesen: Man könne in Umfragen zwar sehr schnell an Beliebtheit verlieren, der Weg nach oben sei aber ungleich schwerer und dauere viel länger. Laschet betont gern, dass Bundesgesundheitsminister Jens Spahn in den Umfragen noch vor einem Vierteljahr weit oben stand, inzwischen aber abgestürzt sei - und will mit diesem Beispiel die Aussagekraft von Söders Umfragewerten relativieren.

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