Süddeutsche Zeitung

Laschet oder Laumann als Röttgen-Nachfolger:CDU setzt auf das Duell Blaumann gegen Multi-Mann

Dass es so schlimm werden würde, hatte kaum einer gedacht. Am Tag nach der Wahl steht die NRW-CDU mit dem schlechtesten Ergebnis der Geschichte da - und ohne Vorsitzenden. Als Nachfolger für Norbert Röttgen kommen zwei Kandidaten in Frage, die jedoch beide ihre Schwächen haben. Oder setzt Merkel abermals einen Berliner Vertrauten durch?

Michael König, Düsseldorf

Manch einem CDUler brummt noch Stunden später der Schädel. "Wie ein Hammer" habe ihn das Ergebnis erwischt, erzählt ein Mitglied des Landesvorstands. Noch auf der Fahrt zur Geschäftsstelle in Düsseldorf habe er an "irgendwas über 30 Prozent" geglaubt. Und dann das: 26,3 Prozent, das schlechteste Ergebnis der NRW-CDU aller Zeiten. Seit 2005, als Jürgen Rüttgers das Land für die Union gewann, hat sie 18,5 Prozentpunkte eingebüßt. Und liegt nun knapp 13 Zähler hinter der SPD, die mit den Grünen eine satte Mehrheit im Landtag hat.

Die Folgen des Hammerschlages sind deutlich zu sehen, als der gescheiterte Spitzenkandidat Norbert Röttgen um 18:09 Uhr mit geröteten Augen die Bühne der Geschäftsstelle betritt. In loser Reihenfolge fallen die Begriffe "bitter", "eindeutig", "klar", "umfassend" und noch zweimal "bitter". Und schließlich: "Das führt zwingend dazu, dass ich die Verantwortung abgebe, in andere Hände".

Damit steht fest: Der Brummschädel wird die Union noch einige Zeit begleiten. Die Partei steht vor einer Zerreißprobe. Sie muss sich in kurzer Zeit auf einen Nachfolger für Röttgen einigen, um den Bundestagswahlkampf 2013 nicht zu gefährden. In den kommenden Tagen sollen die Weichen gestellt werden, auf einem Sonderparteitag im Juni dann der neue Mann gewählt werden. Doch am Sonntagabend sieht es nicht so aus, als würde sich die CDU damit leichttun.

Dabei beschränkt sich der Kreis der Kandidaten im Grunde auf zwei Namen: Armin Laschet und Karl-Josef Laumann. Der eine, Laschet, will den Job unbedingt. Er wäre eigentlich auch an der Reihe, wenn es in der Politik fair zuginge. Der andere, Laumann, muss den Job wollen, um seinen großen Einfluss auf die Partei nicht zu verspielen. Dabei ist unklar, ob der bisherige Fraktionschef sich den Job an der vordersten (Medien-)Front zutraut.

Laschet, 51, war zwischen 2005 und 2010 der erste Landesintegrationsminister der Bundesrepublik. Der gebürtige Aachener hatte zunächst als Journalist und Verlagsleiter gearbeitet, ehe er sich der Berufspolitik verschrieb und 1994 erfolgreich für den Bundestag kandidierte. 1999 wechselte Laschet ins Europäische Parlament, dann holte ihn Rüttgers nach Düsseldorf.

Als "Multiminister" für Generationen, Familie, Frauen und Integration machte Laschet mit liberalen Positionen Schlagzeilen. Er setzte sich für frühkindliche Bildung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ein. Laschet stellte auch fest, "dass wir de facto eine multikulturelle Gesellschaft und ein Zuwanderungsland sind", was ihm in der Union nicht nur Applaus einbrachte.

Laumann mag es geradlinig

Und so musste er nach der Wahlpleite 2010 auch zweimal einsehen, dass ihm die Partei mehrheitlich nicht folgte, als sich Laschet um Spitzenpositionen bewarb. Der Vater dreier Kinder scheiterte bei einer Mitgliederumfrage an Norbert Röttgen, als es um den Posten des neuen Landesvorsitzenden ging. Röttgen kam damals auf 54,8 Prozent, Laschet auf 45,2 Prozent. Im parteiinternen Wahlkampf hatte sich Laschet als volksnaher Mann präsentiert, der die landesväterliche Politik Rüttgers' weiterführen wollte. Röttgen gab hingegen den wortgewandten Visionär - und setzte sich durch. Heute bedauert manch ein CDU-Mitglied dieses Ergebnis.

Zuvor hatte Laschet 2010 bereits versucht, Fraktionschef der Union im Landtag zu werden. Doch er verlor die Kampfabstimmung mit 32 zu 34 Stimmen gegen den Mann, der ihm auch jetzt im Wege stehen könnte: Karl-Josef Laumann.

Bei Laumann, 54, stehen allerlei Sorten Wurst auf dem Tisch, wenn er Journalisten in seinem Landtagsbüro mit Blick auf den Rhein empfängt. Der gelernte Maschinenschlosser mag es deftig, gradlinig und sozial. Als ehemaliger Orts-, Kreis- und amtierender Bezirksverbandsvorsitzender im Münsterland kennt Laumann jeden Winkel der Landespolitik.

Überregionale Bekanntheit erlangte Laumann als Bundestagsabgeordneter (1990 bis 2005) und Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA, seit 2005). Rüttgers machte den "Blaumann unter Nadelstreifen" 2005 zum Arbeits- und Sozialminister in NRW. Als "soziales Gewissen der Union" wehrte sich der in Riesenbeck im Tecklenburger Land aufgewachsene Vater dreier Kinder gegen neoliberale Tendenzen in seiner Partei. Vor seiner finanzpolitischen Expertise haben auch viele Politiker der Konkurrenz Respekt.

Doch wie Laschet hat auch Laumann Schwächen. Seine westfälisch-knorrige Art mag auf dem Land gut ankommen, doch das urbane Publikum wird die Union mit Laumann nur schwer erreichen. Das ausdauernde Lächeln in Fernsehkameras ist nicht seine beste Disziplin. Daraus macht der Bauernsohn keinen Hehl. Im Vergleich zur eleganten SPD-Landesmama Hannelore Kraft könnte Laumann in TV-Duellen eher plump wirken.

Dennoch könnte es auf ihn hinauslaufen, wenn Laschet das Etikett des ewigen Verlierers nicht rechtzeitig abstreifen kann. Zudem sind sich Röttgen und Laschet politisch womöglich zu ähnlich. Beide stehen für die Großstadt-CDU mit Lust an schwarz-grünen Experimenten.

Ein dritter Kandidat?

Eine offensive Kandidatur vermeiden am Sonntagabend beide Seiten. "In aller Ruhe", werde man sich zusammensetzen und reden, sagt Laumann im Foyer des Landtags. Ein für den Abend geplantes Interview mit der SZ sagt er ab. Aus dem Umfeld des Fraktionschefs ist jedoch zu hören, Laumann wolle zunächst in die Partei "hineinhorchen", ehe er sich für die Kandidatur als Landesvorsitzender entscheidet. Es sei jedoch schon klar, dass er sich am Dienstag als Vorsitzender der Fraktion bestätigen lassen wolle. Und eigentlich gehörten beide Posten in eine Hand, in solch schweren Zeiten.

Auch Angela Merkel wird dabei ein Wörtchen mitzureden haben. Oder erweitert die Parteichefin das Duell Laschet versus Laumann um einen dritten Kandidaten? Früh macht am Sonntagabend das Gerücht die Runde, Hermann Gröhe solle auf Geheiß der Bundeskanzlerin kandidieren. Der Generalsekretär der Bundes-CDU stammt vom Niederrhein und er ist ein Vertrauter von Merkel - nicht die schlechtesten Voraussetzungen. Doch Gröhe nennt derlei Gedankenspiele "abwegig". Er übe seinen jetzigen Job mit Begeisterung aus. Es ist ohnehin fraglich, ob sich die gebeutelte NRW-CDU abermals von einem Mann führen ließe, der aus der Ferne kommt. Die Erfahrungen mit dem zwischen Berlin und Düsseldorf pendelnden Röttgen sind noch zu frisch. Gröhe sei ein "interessanter Mann", sagt am späten Abend einer aus der CDU-Landesspitze in Düsseldorf. Ob er eine Chance hätte? "Das wollen wir dann mal sehen."

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1356596
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
Süddeutsche.de/grc/gba
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.