Machtkampf um die CDU-Spitze:Zauderer Laschet unter Zeitdruck

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NRW-Ministerpräsident Armin Laschet nimmt nach seiner Rede beim Valentinstreffen der CDU Kelkheim den Applaus in der Stadthalle entgegen. (Foto: Arne Dedert/dpa)

Nach dem Rückzug Kramp-Karrenbauers sah es so aus, als sei der NRW-Ministerpräsident der Favorit für den CDU-Vorsitz. Doch viele Parteifreunde halten ihn für zu nett - und er selbst kommt nicht aus der Deckung.

Porträt von Christian Wernicke, Düsseldorf/Kelkheim

Das Volk ruft nach ihm. Ja, es schreit sogar. "Armin!", rufen seine Fans vom Parkett des Aachener Festsaals, "Armin, du musst es machen!" Der Mann, der auf der Bühne diese Stimmung angezettelt hat, lächelt zufrieden. Dies ist der ganz und gar geplante Höhepunkt von Armin Laschets handgeschriebener Büttenrede als "Ritter wider den tierischen Ernst". Seine jecke Frage, wer denn nun "Deutschlands next Mutti" werden solle, steht im Skript. Und Laschet wusste genau, wie sie daheim reagieren würden auf seine scheinbar so ratlose Frage, wer in aller Welt den Kanzlerjob denn nur übernehmen solle. Drei, vier Sekunden genießt er den Jubel, die Huldigungen. Dann blickt er auf den Teleprompter an der Saalwand, winkt und liest ab: "Nein, nein, nein, nicht ich. Quatsch!"

Aus dem Aachener Karnevalsspaß vor zwölf Tagen ist längst Ernst geworden. Bitterer Ernst. 36 Stunden danach kündigte CDU-Chefin AKK ihren Verzicht auf Parteiführung und Kanzlerkandidatur an, seither taumelt die Union in der Krise. Und Armin Laschet steckt, als Partei- und Regierungschef des bevölkerungsstärksten Bundeslandes, mittendrin.

CDU-Vorsitz
:Spielverderber Röttgen

Norbert Röttgen kandidiert überraschend für den CDU-Vorsitz. Damit ist eine Hinterzimmerlösung zwischen Laschet, Spahn und Merz nicht mehr möglich.

Von Robert Roßmann

Der gläubige Katholik musste Demut lernen, erst im zweiten Anlauf wurde er CDU-Chef in NRW

Laschet, zugleich CDU-Bundesvize, fällt bei der Neuaufstellung seiner Partei eine Schlüsselrolle zu. Nur welche - als Königsmacher oder als Partei-Prinz mit eigenen Ambitionen? Der oft unterschätzte, weil allzeit joviale Rheinländer ist neben dem konservativen Friedrich Merz und dem Jungstar Jens Spahn einer von drei Christdemokraten aus Nordrhein-Westfalen, die sich (bislang noch unerklärt) die beiden mächtigen Berliner Ämter zutrauen. Ein viertes Landeskind, Laschets einstiger Weggefährte und Ex-Freund Norbert Röttgen, hat sich am Dienstag sogar offiziell beworben. Das verändert die Lage erneut, und nicht unbedingt zu Laschets Gunsten. "Er und Laschet pflegen dasselbe liberale, moderne Profil", sagt ein Düsseldorfer Insider, "nur kann Röttgen besser blenden."

Noch zu Beginn der Woche sah es aus Düsseldorfer Perspektive so aus, "dass alles auf Laschet zuläuft". So sagte es da ein gut informierter CDU-Politiker, der bisher nicht zum engsten Fanklub des Landesvaters zählt. Laschet, der Netzwerker und Strippenzieher, bastelte an einer "Teamlösung" für die künftige CDU-Spitze, die der Partei und ihm selbst Kampfabstimmungen ersparen sollte. Diesen Weg nach oben hat Röttgen, der "Team als ein anderes Wort für Hinterzimmer" denunzierte, nun versperrt. Er kandidiert gegen alle, verlangt sogar eine Mitgliederbefragung.

Laschet muss sich entscheiden: Zieht er in den offenen Kampf um die Macht in der Partei und Republik? Riskiert er, sich im Falle einer Niederlage mit nicht mal 60 Jahren auch in seinem geliebten Amt des NRW-Ministerpräsident zu beschädigen?

Viele Parteifreunde trauen das "unsrem Armin" nicht zu. Laschet, studierter Jurist und gelernter Journalist, gilt ihnen als "zu nett", als Zauderer. Der gläubige Katholik musste Demut lernen, erst im jeweils zweiten Anlauf wurde er Partei- und Fraktionschef in NRW. Der Sieg bei der Landtagswahl im Mai 2017 gegen ausgelaugte Sozialdemokraten hat ihn selbst überrascht. Nur kalkuliert der Mann sein Risiko präzise. Laschet, der Fußballfan, wettet zwar lau und setzt nur auf Unentschieden - aber er kann vorrechnen, wie er so unterm Strich Gewinne einstreicht.

Eher bescheidene Erwartungen eröffnen allerdings die Chance, sein Publikum zu überraschen. So geschehen im hessischen Kelkheim im Frankfurter Speckgürtel, wo die lokalen Christdemokraten alljährlich einen CDU-Prominenten zum "Valentinstreffen" auftreten lässt. 400 meist ältere Parteisemester sind gekommen, die Blaskapelle spielt. Den Gastredner vom Rhein erwartet kein Heimspiel, als er vorigen Freitag die Stadthalle betritt: Der Beifall ist freundlich, aber befragte Besucher hegen eher Hoffnungen, "dass jetzt der Merz rankommt". Damit sich endlich was ändere, "der Laschet ist ja eher bei Merkel, oder?" Dann verhaspelt sich der örtliche Parteichef und begrüßt herzlich "den Ministerpräsidenten Lasch ... äh".

Laschet ficht das nicht an. Er gibt sich als loyaler Diener der Partei, zu Personalfragen und eigenem Ehrgeiz wolle er "nicht mal eine Andeutung machen". Und doch zeichnet er mit zartem Strich von sich selbst das Bild eines Aspiranten, der genau jene Eigenschaften mitbringe, die Partei und Land jetzt bräuchten.

Der Noch-nicht-Kandidat spricht frei, wandert rechts wie links hin und her auf der Bühne und präsentiert sich als Mann des Ausgleichs. Er preist "Maß und Mitte", sein Regierungsmotto in NRW, als Rezept für Europa, für Berlin, für die Partei. Eindringlich warnt er vor "Brüchen", die Zeiten seien ernst, siehe Thüringen, siehe AfD, siehe Mordanschläge von Rechtsextremen: "Was wäre, wenn wir demnächst fünf oder sechs Millionen Arbeitslose haben - wie wäre dann die Stimmung im Land?" Erster Beifall wallt auf.

Überhaupt, die wirtschaftliche Lage. Laschet, daheim als fast präsidentieller Landesvater bekannt, spricht lang über die Grundlagen des Wohlstands. Vom Grundgesetz, vom Sozialstaat, von der Mitbestimmung. Nur sei heute eben "die Front nicht mehr Kapital gegen Arbeit", belehrt er, "sondern: Wie schaffen wir es, Umwelt- und Klimaschutz mit dem Ziel zu vereinbaren, Industrieland zu sein?" Im Parkett nicken ergraute Köpfe, während Laschet seine Arbeit in NRW als Modell empfiehlt. Auch da regiere ein Team, und der Konflikt um die Braunkohle, den Hambacher Forst oder auch um den Radschnellweg im Ruhrgebiet, "bei dem die Grünen jetzt lernen, dass es immer Leute gibt, die dagegen sind" - all das habe er durchgestanden "mit Maß und Mitte, und das ist, was wir auch in Berlin wieder brauchen". Der Beifall im Saal schwillt an. Das alles klingt noch vage. Aber Laschet könnte, wenn ihn jetzt der Konkurrent Röttgen aus der Deckung zwingt, dieses Thema zu einem präzisen "Projekt", zur (auch persönlichen) Zukunftsmission entwickeln.

Gegen Ende seiner Rede erntet Laschet, selbsterklärter Ausgleicher und Teamspieler, Ovationen. Auf Nachfrage offenbart er Finesse: "Wer ist eigentlich unser Hauptwettbewerber? Wenn das die Grünen sind ..." Pause, dann weiter: Man lebe längst in Zeiten, da es "in einer bürgerlichen Stadt wie dieser mal theoretisch einen grünen Bürgermeister geben könnte". Der Saal johlt, Laschet grinst, er hat sich ja informiert: In Kelkheim regieren die Grünen seit 2016. Allzu grüne Zustände in Berlin zu verhindern, auch dafür empfiehlt sich der Gast. Nur offenbaren mag er sich nicht. "Ich habe ja nichts gesagt", bemerkt er und grinst. Nur weiß er: Die Zeit, da ihn das weiterbringt, läuft ab.

© SZ vom 20.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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