Süddeutsche Zeitung

Laos:Obama und das tödliche Erbe des Vietnamkriegs

  • Obama besucht als erster US-Präsident das südostasiatische Land Laos.
  • Im Vietnamkrieg warfen die Amerikaner geschätzte zwei Millionen Tonnen Bomben auf Laos ab. Noch immer werden Menschen dadurch verletzt oder getötet.
  • Nun verspricht Washington Geld zur Beseitigung der Sprengsätze.

Von Arne Perras, Singapur

US-Präsident Barack Obama nimmt Abschied von den Ländern jenseits des Pazifiks. Vom pompösen G-20-Gipfel in China führte ihn seine Reise weiter zu einer Konferenz südostasiatischer Staaten im Nachbarstaat Laos. Noch nie zuvor hat ein regierender US-Präsident das kleine, von Kommunisten kontrollierte Land besucht, das sich bisher ganz an Peking orientierte. Gut möglich, dass sich keiner der Vorgänger Obamas traute, dem tödlichen Erbe fehlgeleiteter US-Politik in diesem Land ins Auge zu sehen.

Das Erbe des Vietnamkrieges lastet besonders schwer auf Laos. Die Wunden des Konflikts, der vor mehr als vier Jahrzehnten endete, konnten dort nie richtig heilen. Denn Monat für Monat kommen immer neue Verletzungen hinzu. Schuld daran sind die US-Sprengsätze, die immer noch, ungezündet, in den Bergen und Tälern des Landes liegen. Sie reißen Bauern, Frauen und Kinder in den Tod oder verursachen grässliche Verstümmelungen.

Über keinem Land der Welt wurden je so viele Bomben abgeworfen wie über Laos. Geschätzte zwei Millionen Tonnen. Schweres politisches Gepäck für Obama, von dem nun in Vientiane ein deutliches Zeichen erwartet wurde. Der Präsident versuchte es zunächst mit einer Zahl. 90 Millionen Dollar versprach er den Laoten für die kommenden drei Jahre, um alte Bomben zu räumen.

Das entspricht knapp jener Summe, die Amerika in den vergangenen 20 Jahren zusammen für diese Zwecke gezahlt hat. "Angesichts unserer Geschichte hier glaube ich, dass die Vereinigten Staaten eine moralische Pflicht haben, bei der Heilung in Laos zu helfen", sagte Obama bei seiner Rede in Vientiane, die einer Versöhnung den Weg ebnen sollte. Er sprach auch über das Leid der Opfer in Laos. Eine Entschuldigung äußerte der US-Präsident nicht.

Die US-Hilfe nimmt nun also deutlich zu, ist aber alles in allem immer noch gering, angesichts der verheerenden Kriegslasten. Doch welche Summe könnte auch wirklich aufwiegen, was die Menschen in Laos auszuhalten hatten? Von 1964 bis 1973 flog die US-Luftwaffe 580 000 Einsätze über dem Land, man nannte es den "heimlichen Krieg", weil sich Washington dazu nicht offen bekannte. Die Amerikaner wollten Nachschubwege der Nordvietnamesen auf dem sogenannten Ho-Chi-Minh-Pfad zerstören. Über Laos versorgte Hanoi die Rebellen des Vietcong im Süden Vietnams.

Vor allem Kinder und Farmer sind unter Verletzten

Washington war lange der sogenannten Domino-Theorie verfallen, die besagte, dass ein Sieg der Kommunisten in Vietnam ganz Südostasien in die Arme des ideologischen Gegners treiben würde. Mit allen Mitteln versuchten die USA, einen Sieg zu erlangen. Dennoch verloren sie. Die US-Luftangriffe auf Laos hinterließen nach Schätzungen etwa 80 Millionen einzelne Sprengsätze, die am Boden nicht explodierten. In Laos nennen sie die Überbleibsel "Bombies". Seit Kriegsende töteten sie mindestens 8000 Menschen, mehr als 12 000 wurden durch Detonationen dieser Sprengsätze verwundet.

Weniger als ein Prozent der betroffenen Flächen gilt als vollständig geräumt, die USA haben die Arbeit bislang nur sehr zögerlich unterstützt. "Man hat uns schlicht vergessen", sagt Channapha Kamvongsa, Gründerin der Hilfsorganisation Legacies of War. Sie war als Kind aus Vientiane in die USA geflüchtet und beschloss später, sich für die Kriegsopfer in ihrer asiatischen Heimat zu engagieren.

"Bombies" haben die Größe eines Tennisballs. Kinder fühlen sich von ihnen magisch angezogen, sehen sie doch aus wie Spielzeug. Fast jedes zweite Opfer ist ein Kind, aber es trifft auch viele Farmer, die es sich nicht leisten können, ihre Felder brachliegen zu lassen.

Laos und Kambodscha verhindern gemeinsame Linie der Asean-Staaten

Washingtons Versuch, nun auf Laos zuzugehen, hat vor allem strategische Gründe. Die Amerikaner treibt eine wachsende Rivalität mit Peking. Die Chinesen investieren kräftig im kleinen Nachbarstaat, je eine Milliarde Dollar waren es 2014 und 2015. Laos hängt am Tropf des großen Nachbarn, der auch Kredite für eine Eisenbahnlinie von Vientiane an die chinesische Grenze liefert. Ihre Kosten werden auf mindestens sechs Milliarden Dollar geschätzt. Für Peking wiederum ist Laos eine wichtige Station für den Ausbau ihrer neuen Seidenstraße, außerdem setzt China mehr denn je auf den Rückhalt einzelner Nachbarn, um Widerstand auf breiter Front erst gar nicht aufkommen zu lassen.

Die Strategie bilateraler Bündnisse ist bislang für Peking aufgegangen. Denn sie hat eine geschlossene Position des Asean-Blocks gegenüber Peking verhindert. Besonders brisant ist dies im Streit um maritime Rechte und Inseln im Südchinesischen Meer, ein Konflikt, der auch bei diesem Gipfel wieder zur Sprache kommen dürfte. Ein halbes Dutzend südostasiatischer Länder sieht seine Interessen durch das Vorgehen Chinas auf dem Meer bedroht. Doch Einigkeit konnte Asean bisher nicht erzielen, weil Laos und Kambodscha eine gemeinsame harte Linie verhindern.

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SZ vom 07.09.2016/mtt
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