Langstreckentest in Nordkorea:Habe Rakete, biete Mitfluggelegenheit

Zum Todestag seines Vaters hat Kim Jong Un eine klare Botschaft: Wir können eine Nutzlastrakete mit großer Reichweite verschießen und wir tun es, wenn es uns passt. Zugleich profiliert sich Nordkorea als potenzieller Rüstungsexporteur. Der Pazifik wird zum geostrategischen Aufmarschplatz.

Ein Kommentar von Stefan Kornelius

Nordkorea will einen Wettersatelliten ins All geschossen haben. Das ist eine hübsche Lüge. Wenn dieser Satellit eines beobachtet, dann höchstens die politische Klimaveränderung rings um den Pazifik. Vor allem aber beobachtet der Satellit nicht nur - er bestimmt von nun an das Klima zwischen Los Angeles und Shanghai, zwischen Seoul und Manila.

Die Botschaft aus Nordkorea: Wir können eine Nutzlastrakete mit großer Reichweite erfolgreich verschießen; wir tun es, wenn es uns passt; und nun beginnt eine neue Zeitrechnung. Weil sich außerdem standhaft das Gerücht hält, Nordkorea könnte demnächst auch noch eine Atombombe testen, ist die Sache mit der neuen Zeitrechnung seit dem 12.12.2012 möglicherweise wirklich ernst zu nehmen.

Zum Todestag von Kim Jong Il hat dessen Sohn und Diktaturen-Erbe Kim Jong Un nun klargemacht, dass er doch nicht nur der reformfreudige Strahlemann ist, der sich da sanft und mondgesichtig präsentiert. Kim fährt nicht nur Karussell im Vergnügungspark, sondern auch Achterbahn mit der Welt. Vor allem die Chinesen düpiert er, die sich von ihm eine Öffnung erwarten. Für Chinas neue Führung kommt der Test freilich zu früh, um den Bruch mit dem Bruderstaat zu begehen oder zumindest die Daumenschrauben ein wenig stärker anzuziehen. Dazu muss die neue Führungsmannschaft in Peking erst einmal fest installiert sein.

Kim öffnet sein Land - aber zu seinen Bedingungen. Für die Region hält der Raketenstart gleich mehrere Lektionen parat: Nordkorea macht mithilfe von Raketentreibstoff Innenpolitik - in Japan und Südkorea. Dort wird gewählt, und nun besteht kein Zweifel mehr, dass der Potentat in Nordkorea lieber beinharte Versöhnungsfeinde zum Nachbarn hat als Freunde der Annäherung. Den Konservativen in Japan wird der Raketenstart bei den Wahlen helfen.

Antworten bekamen auch alle, die über die künftige Natur der pazifischen Sicherheitspolitik rätselten. Jetzt ist klar: China rüstet auf, Japan mottet seine defensive Verteidigungspolitik ein, die Philippinen unterstützen das Land dabei, die USA verlegen Truppen und Flotten nach Westen - der Pazifik wird zum geostrategischen Aufmarschplatz.

Nordkorea könnte bald eine Nuklearwaffe auf der Rakete installieren

Auch wenn Nordkorea möglicherweise noch keine einsatzfähige Nuklearwaffe hat und den Sprengkörper auch noch nicht auf die Raketen montieren kann: Kim Jong Un nähert sich einem großen Ziel; sein Land könnte bald die gefährlichste Waffe mit dem gefährlichsten Transportmittel kombinieren. Das schreit nach Abschreckung, nach Raketenabwehr, nach einem unheiligen Rüstungswettlauf. Für Stabilität sorgt der Schuss ins All jedenfalls nicht. Ganz nebenbei absolvierten die Nordkoreaner eine erfolgreiche Verkaufsveranstaltung. Bei Bedarf an Raketentechnologie in Teheran oder Kairo - bitte in Pjöngjang melden.

Kim Jong Un mag nun also den Triumph des Augenblicks genießen. Er hat sie alle vorgeführt und außerdem die nordkoreanische Unberechenbarkeit zu neuer Blüte getrieben. Er öffnet und droht gleichzeitig. Die neue Lockerheit ist in Pjöngjang auf den Straßen zu bewundern. Aber dahinter steht ebenso eine neue politische Entschlossenheit. Die alte Dechiffriermaschine für das Land funktioniert nicht mehr. Der Code wurde geändert.

Es ist müßig, neue Sanktionen zu diskutieren

Weil Nordkorea nichts zu verlieren hat, ist es müßig, über neue Sanktionen oder nutzlose UN-Resolutionen nachzudenken. Mehr denn je liegt der Hebel in Peking. Wer Kim isolieren will, muss China auf seine Seite zwingen. Dazu ist die Gelegenheit günstig. Auch Peking hat kein Interesse an einem unkontrollierten Rüstungswettlauf der Pazifik-Mächte - vor allem nicht, wenn nun mit nuklearen Szenarien gehandelt wird.

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