Parteichefin Ricarda Lang hält die Aufstellung eines Kanzlerkandidaten der Grünen zur nächsten Bundestagswahl trotz derzeit schwacher Umfragewerte grundsätzlich offen. „Wir sehen, dass das Parteiensystem sich schon grundlegend verändert hat“, sagte sie im „Sommerinterview“ der ZDF-Sendung „Berlin direkt“. Wenn nur noch Parteien mit 30 Prozent es machen könnten, hätte man jetzt genau eine Kanzlerkandidatur, sagte Lang mit Blick auf die Union. „Ich glaube, das wäre nicht so gut für die Demokratie.“
Die Co-Vorsitzende fügte hinzu, dass die Grünen sich mit ihren Umfragewerten von derzeit 13 Prozent natürlich nicht zufriedengeben könnten. „Wenn wir sagen, wir wollen für die Breite des Landes Politik machen, dann muss das wieder mehr werden. Und daran arbeiten wir jetzt.“ Die Entscheidung, mit wem an der Spitze die Grünen in die Bundestagswahl 2025 gehen, solle in diesem Jahr gefällt werden, machte die Parteichefin deutlich. Auf die Frage, ob es außer Vizekanzler Robert Habeck jemand anderen dafür geben könne, sagte sie: „Ich sehe gerade niemanden.“ Alle weiteren Entscheidungen würden aber später gefällt, „weil wir nicht das Gefühl haben, dass jetzt über ein Jahr vor der Wahl die Leute sich vor allem für Personalfragen interessieren.“
Habeck gilt als klarer Favorit für eine mögliche Kanzlerkandidatur, nachdem Außenministerin Annalena Baerbock erklärt hatte, nicht erneut dafür antreten zu wollen. Mit ihr als Kanzlerkandidatin waren die Grünen bei der Bundestagswahl 2021 auf 14,7 Prozent gekommen.
Wahlen in Ostdeutschland: „Koalitionsfähigkeit nicht aufs Spiel setzen“
Angesichts der nahenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, bei der sich starke Ergebnisse für AfD und BSW abzeichnen, warnte die Grünen-Chefin vor einer übermäßigen Polarisierung: „Ich kann alle nur ermahnen und auch appellieren, im Osten jetzt nicht die Koalitionsfähigkeit aufs Spiel zu setzen“, sagte Lang. Bei den Grünen komme zu Versäumnissen, an denen man arbeiten müsse, hinzu, „dass wir immer wieder von anderen zum Feindbild gemacht werden“. Gegenseitige Koalitionsfähigkeit werde aber noch unfassbar wichtig sein.

Bundespolitik:FDP wirft Merz zu große Nähe zu den Grünen vor
„Er fordert Entlastung, solide Finanzen und Entbürokratisierung, biedert sich aber den Grünen an“, sagt FDP-Generalsekretär Djir-Sarai über den CDU-Chef.
Lang wies in diesem Zusammenhang Äußerungen von CDU-Chef Friedrich Merz zurück, wonach zum Schutz der Demokratie etwa auch Anhänger von Grünen und SPD bei den Wahlen für die CDU stimmen sollten. Diese „Leihstimmenkampagne“ sei zutiefst gefährlich. Denn am Ende drohten in diesen Ländern Parlamente, in denen nur noch BSW, AfD und CDU sitzen. „Das kann sich niemand wünschen.“
Die Grünen kämpften natürlich um jede einzelne Stimme. „Wir sagen auch, wir sind Garant für stabile Mehrheitsverhältnisse und Regierungsfindungen.“ Merz hatte deutlich gemacht, dass er die CDU bei den Wahlen als entscheidende Kraft gegen ein Erstarken der AfD und des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) sieht.
Die Ampelparteien spielten im Osten kaum noch eine Rolle, während die CDU zweitstärkste Partei sei. Diejenigen, die erwögen, SPD, FDP oder Grüne zu wählen, „die allesamt einstellig sind und möglicherweise alle drei unter fünf Prozent bleiben, kann ich nur bitten, jetzt in dieser Situation die CDU zu wählen“, sagte Merz. In Thüringen und Sachsen wird am 1. September gewählt, am 22. September dann in Brandenburg. Umfragen zufolge lag die AfD zuletzt vorne, das BSW könnte auf zweistellige Ergebnisse hoffen.