Alois Rainer steht in der CSU-Zentrale im Garten, es ist der Tag der Bekanntgabe der Kabinettsliste seiner Partei. Der designierte Bundeslandwirtschaftsminister beäugt offensichtlich etwas skeptisch den Pulk an Kamerateams, in dem sich seine künftigen Ministerkollegen Alexander Dobrindt und Dorothee Bär sicher und lautsprecherisch bewegen. Frage am Rande: Wann hat er von seiner Berufung erfahren? Rainer sagt nur: „Rechtzeitig.“ An dem, was sie in der CSU über den 60 Jahre alten Bundestagsabgeordneten und niederbayerischen Metzgermeister behaupten, dürfte schon was dran sein: die Bodenständigkeit in Person, kein Schreihals, eher „Typ Handwerker“, auch in der Politik.
Was Rainer indes nicht davon abhielt, bereits vor seiner Ernennung am kommenden Dienstag inhaltliche Pflöcke einzuschlagen – und im ökologisch-progressiven Lager prompt zur Reizfigur zu werden. „Jetzt gibt’s wieder Leberkäs statt Tofu-Tümelei“, hatte Söder über den „schwarzen Metzger“ getönt. In ersten Äußerungen sprach sich Rainer gegen steuerbedingte Preisaufschläge für Fleisch aus. Bei den Speiseplänen in Schulen und Kitas warnte er vor rein vegetarischer Küche. Den Bauern will er mehr Freiheiten geben. Kein Söder-Sprech, aber es ist die Linie, die sich der CSU-Chef für die Bundesregierung wünscht: ein „Richtungswechsel“, die Entgrünung der Politik, wenn man so will.
Er weiß, wie Politik funktioniert: Seit 2013 sitzt er im Bundestag
Ursprünglich wollte Söder den Posten direkt aus der Agrarbranche besetzen, mit dem bayerischen Bauernpräsidenten Günther Felßner. Aber der zog nach einer übergriffigen Protestaktion von Tierschützern zurück. Klar war in der CSU: Jemand mit „Stallgeruch“ muss her. Rainer ist auf einem Bauernhof aufgewachsen, er ist Waldbesitzer. Als Metzgermeister – den Betrieb führt heute sein Sohn – schlachtete er selbst. Er habe „seit jeher eine gute Kommunikation mit der Landwirtschaft“, sagt er. Für Söders Pläne beim neuen Agrarministerium geht es aber nicht nur um Detailkenntnis der Gülleverordnung. Dem Ressort wurde der Bereich Heimat zugeschlagen.
Söder zählte auf, was dazu gehöre: Identität, ländlicher Raum, Handwerk, Gastronomie, Bürgermeister – „alles Themen, die für Bayern wichtig sind“, die CSU müsse dafür in Berlin „Anwalt“ sein. Gesucht war also einer, der bella figura macht auf dem Land, egal ob es um Kuhstall, Wurstkessel oder Eisstockschießen geht. Und der trotzdem weiß, wie Politik funktioniert: Rainer sitzt seit 2013 im Bundestag, leitete zuletzt den Finanzausschuss. Zuvor war er 18 Jahre Bürgermeister der Gemeinde Haibach im Landkreis Straubing-Bogen. Die eigentlich zweite Wahl passt also recht gut.
Seine Schwester ist die frühere CSU-Landesgruppenchefin und Bundesministerin Gerda Hasselfeldt
In einem Interview mit dem regionalen Onlinemagazin „da Hog'n“ im Januar gab Rainer sein Ziel als Abgeordneter aus, das jetzt auch Richtschnur als Minister sein dürfte. Er wolle, „den Fokus mehr auf die Menschen im ländlichen Raum richten. Die Ampelpolitik war sehr von Großstadtpolitik geprägt. Aber ein Großteil der Menschen wohnt auf dem Land“. Das fordert auch Söder oft. Der Metzger seines Vertrauens für diesen Job kommt aus einer Politikfamilie. Rainers Schwester ist die frühere CSU-Landesgruppenchefin und Bundesministerin Gerda Hasselfeldt. Und sein Vater war nicht nur fast vier Jahrzehnte lang Bürgermeister in Haibach, sondern saß auch von 1965 bis 1983 im Bundestag. Alexander Dobrindt schwärmt, Rainer werde Landwirtschaft „mehr aus der Praxis erklären, weniger mit Brüsseler Theorie“. Vor allem die konventionelle Landwirtschaft dürfte sich über die Berufung freuen.
Für Söder bietet die Personalie noch eine Chance. Rainers Wahlkreis gilt zwar als tief schwarz, er holte bei der Bundestagswahl 46,3 Prozent der Erststimmen, die CSU als Partei knapp 40 Prozent. Doch dann folgt schon die AfD: 27,7 Prozent. Ein Bundesminister aus Ostbayern, noch dazu klar konservativ, könnte die Konkurrenz rechts außen einzudämmen helfen. Vertrauen ist verloren gegangen. 2013 holte Rainer noch 61,2 Prozent. Und das lag wohl kaum am damaligen Werbeartikel im Wahlkampf: hausgemachte Dosenwurst.