Süddeutsche Zeitung

Landwirtschaft:Grüne wollen Agrarpolitik umbauen

Die Minister Lemke und Özdemir kündigen eine "strategische Allianz" zwischen Umwelt- und Landwirtschaftsressort an.

Von Michael Bauchmüller

Strengere Regeln auf Äckern und in Ställen, bessere Kennzeichnung von Lebensmitteln, mehr Ökolandbau: Auf Landwirte und Verbraucher kommen in den nächsten Jahren reihenweise Änderungen zu - jedenfalls, wenn es nach den zuständigen Ministerien geht. Die Richtung haben Umweltministerin Steffi Lemke und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (beide Grüne) am Dienstag bei einem Agrarkongress in Berlin skizziert. "Die Landwirtschaft steht vor tiefgreifenden Veränderungen", sagte Lemke. Fördergelder müssten künftig nach anderen Kriterien fließen als bisher.

In früheren Regierungen lagen die beiden Häuser verlässlich über Kreuz. In der großen Koalition stritten sie über den Schutz von Insekten, Gewässern und Mooren ebenso wie über den Einsatz von Dünge- und Pflanzenschutzmitteln. Das soll nun vorbei sein. "Wir machen Schluss mit einer besonders unsinnigen Form von Energieverschwendung", kündigte Özdemir an. "Dass wir unsere Kräfte verpulvern, im Tauziehen der Ressorts, das gehört nun der Vergangenheit an." Lemke sprach von einer "strategischen Allianz" beider Ministerien.

Vorarbeiten gibt es. Noch die Vorgängerregierung hatte eine "Zukunftskommission" eingesetzt, die einen Ausgleich zwischen den Interessen von Landwirten, Verbrauchern und Umweltschützern gesucht hatte. Danach sollten Landwirte stärker ökologische Leistungen für die Gesellschaft bereitstellen, dafür aber auch angemessen entlohnt werden. Unabhängig davon untersuchte eine Kommission unter dem Vorsitz des einstigen CDU-Landwirtschaftsministers Jochen Borchert, wie sich mehr Tierwohl in den Ställen organisieren lässt, ohne dass die Landwirte damit im internationalen Wettbewerb ins Hintertreffen geraten. Sie formulierte die Idee einer "Tierwohl-Abgabe", über die Verbraucher am tiergerechten Umbau der Ställe beteiligt werden sollen.

Beide Kommissionen blieben zunächst folgenlos, doch Özdemir und Lemke wollen ihre Ergebnisse nun aufgreifen. So kündigte Özdemir noch für dieses Jahr eine verbindliche Kennzeichnung an, die Verbrauchern Auskunft über die Haltungsstandards von Tieren gibt. Ziel müsse sein, die "Übernutzung" von Tieren zu beenden. Dafür allerdings bräuchten die Landwirte Unterstützung. "Eine Verbesserung des Tierschutzes gibt es nicht zum Nulltarif", sagte er. Lemke wiederum will noch bis Ostern ein "Aktionsprogramm natürlicher Klimaschutz" vorlegen. Es soll unter anderem den Schutz von Mooren vorantreiben. Häufig wurden sie für die Landwirtschaft trockengelegt. Das aber schadet dem Klima.

Aus der Opposition kam Kritik am Auftritt der beiden Minister. Deren geplante Allianz sei "mehr Bedrohung als Verheißung", sagte Unionsfraktionsvize Steffen Bilger. Die Interessen der Landwirte müssten "offensiv" in der Regierung vertreten werden. "Das Ringen um Kompromisse bringt unter dem Strich bessere Ergebnisse als die schlichte Übernahme des grünen Parteiprogramms", sagte er.

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