Was die Äcker rund um das sächsische Städtchen Geithain mit Wohnungen in einer deutschen Großstadt zu tun haben, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Mangel an Wohnungen gibt es in dem Ort zwischen Leipzig und Chemnitz jedenfalls nicht. Die Rendite macht man hier nicht mit Mieten, sondern mit Boden. Dachten sich wohl auch die Erben von Aldi Nord, deren Lukas-Stiftung unlängst im großen Stil in die Geithainer Landwirtschaft einstieg. Auf dem Land ist Boden knapp wie Wohnungen in Großstädten. Das Geschäft boomt, die Preise steigen.
Denn in Zeiten niedriger Zinsen verspricht die Scholle eine stabile Rendite - entweder aus Verpachtung oder durch Landwirtschaft im großen Stil. Und da Boden sich nicht vermehren lässt, die Nachfrage nach Lebensmitteln aber weltweit wächst, ist das Risiko überschaubar. Befeuert wird der Boom noch durch die europäische Agrarpolitik, denn die belohnt Größe. Einige der größten Empfänger von Agrarsubventionen sind Kapitalgesellschaften. Die Verlockung ist groß.
Aber wo führt das hin? Diesen Donnerstag lädt das Landwirtschaftsministerium zu einem Kongress zum Thema, Titel: "Boden ohne Bauern?" Schon die Leitfrage ist bang. "In den vergangenen zehn Jahren sind die außerlandwirtschaftlichen Investoren die großen Gewinner auf dem Bodenmarkt", sagt Ministerin Julia Klöckner (CDU). "Und aktive Landwirte sind die Verlierer." Wer neu in die Landwirtschaft einsteigen wolle, komme kaum noch an bezahlbare Ackerflächen. Der wachsende Einfluss von Investoren, sagt Klöckner, "ist eine Schieflage und Fehlentwicklung, die wir mit Sorge betrachten".
Die Entwicklung ist schleichend. Statistiken darüber, in welche Hände Land wechselt, gibt es nicht. Als das staatliche Thünen-Institut in zehn ostdeutschen Landkreisen untersuchte, wer zwischen 2007 und 2017 die Mehrheit an Großbetrieben übernahm, waren fast drei Viertel überregionale Investoren. "Es besteht kein Anlass zu der Vermutung, dass sich die Lage beruhigt hätte", sagt Andreas Tietz, Boden-Experte des Instituts. Stattdessen ersännen Investoren immer neue Konstruktionen, um Flächen zu kaufen.
Anreiz dazu gibt es: So sparen Investoren die Grunderwerbsteuer, wenn sie Land nicht direkt kaufen, sondern eine Firma, der Land gehört. Diese "share deals" sind umstritten, die Koalition will sie eindämmen - kann sich aber bisher nicht auf eine wirksame Lösung verständigen. So nehmen die Dinge ihren Lauf.
Die Folgen für die Landwirtschaft sind gravierend. "Geld spielt für diese Leute keine Rolle", sagt Martin Schulz, Chef der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft. "Und da ist keiner dabei, der schon immer den Traum hatte, Bauer zu sein." Allein seit 2005 haben sich die Kaufpreise nahezu verdoppelt, die Pachten stiegen um mehr als 50 Prozent. Damit wird es für Bauern attraktiver, ihr Land zu verkaufen oder zu verpachten, statt es zu beackern. Wer dagegen Landwirt bleiben will, muss dem Boden immer mehr abringen, um die Pachtpreise zu erwirtschaften. "Da entsteht ein Druck zur Intensivierung", sagt Thünen-Experte Tietz. Das Ideal des bäuerlichen, eigentümergeführten Betriebes aber gehe mehr und mehr zurück. "Die Frage ist, ob wir das wollen", sagt Tietz.