Süddeutsche Zeitung

Landtagswahlkampf in Baden-Württemberg:Warum der FDP die Wiedergeburt gelingen könnte

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Christian Lindner hat die FDP neu ausgerichtet - in ihrem Stammland im Südwesten könnte sich das nun zum ersten Mal bezahlt machen.

Von Josef Kelnberger und Roman Deininger

Die Freien Demokraten und die Süddeutsche Zeitung, das ist nicht unbedingt eine Liebesgeschichte. Den Liberalismus haben eigentlich beide als Thema, aber die Interpretationen wichen in der Vergangenheit doch sehr voneinander ab. Die Klientelpolitik der Westerwelle-Rösler-FDP, mehr oder minder offen eine kalte Vertretung der Besserverdienenden, hat niemand schärfer kritisiert als die SZ. Und deshalb stößt man als Reporter durchaus auf Skepsis, wenn man dieser Tage Wahlkampf-Veranstaltungen der FDP in Baden-Württemberg besucht. Kommentar eines Kandidaten in Ludwigsburg: "Anderen werden Fehler verziehen, uns verzeiht man nichts."

Dabei könnte nun gerade ausgerechnet Württemberg, Stammland der FDP, zum Schauplatz einer Art Wiedergeburt nach dem Fiasko bei der Bundestagswahl 2013 werden. Acht Prozent verheißt ihr die neueste Umfrage für die Landtagswahl am 13. März. Offenbar trifft die Flüchtlingspolitik des Vorsitzenden Christian Lindner den Nerv vieler Wähler. Er fordert eine Abkehr von Kanzlerin Merkels Willkommenskultur, europäische Kontingente und ein modernes Einwanderungsgesetz. Zugleich grenzt er sich scharf von der AfD ab. Als Stimme der Vernunft wird er offenbar wahrgenommen. Und so könnte vom Südwesten das Signal ausgehen: Die Liberalen, die sich nun Freie Demokraten nennen, sind wieder eine ernst zu nehmende Kraft in Deutschland.

Trotz Neuausrichtung ist nicht klar, wo Mitgefühl bei der FDP verortet ist

Grund genug, sich umzusehen im liberalen Milieu Baden-Württembergs. Christian Lindner hat ja der FDP mit seiner Neudefinition des Markenkerns - nicht die Wirtschaft steht im Mittelpunkt, sondern die Freiheit des Individuums - viele neue Freunde beschert. Und so besuchten wir den Solarenergie-Professor Eicke Weber, Landtagskandidat in Freiburg, der für Bündnisse mit den Grünen wirbt. Wir besuchten Junge Liberale beim FDP-Kondome-Verteilen in Stuttgart und stellten fest: kein BWL-Student unter ihnen, kein angehender Zahnarzt. Wir besuchten auch die Unternehmer-Legende Hans Peter Stihl in Waiblingen, der mit 83 erstmals für die FDP wirbt: Sie trage die Marktwirtschaft in ihren Genen.

Ein ziemliches buntes Volk, das sich da zusammenfindet, und deshalb besuchten wir natürlich auch den Mann, der den Laden zusammenzuhalten versucht: Christian Lindner. Eineinhalb Stunden nahm er sich bei einem Mittagessen am Prenzlauer Berg in Berlin, seinem Zweitwohnsitz, Zeit für ein Gespräch. Eine gewisse Grundskepsis zwischen SZ und FDP war auch da zu spüren. "Bin mal gespannt, was Sie draus machen", sagte er zum Abschied. So viel sei verraten: Es lohnt sich, diesem Wanderprediger der Vernunft zuzuhören, der mit Kant und Sloterdijk so mühelos hantiert. Auch wenn man hinterher immer noch nicht ganz sicher ist, wo Mitgefühl und Empathie verortet sind in Lindners neuer FDP.

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