Landtagswahlen:Kretschmann siegt - AfD triumphiert

Die Rechtspopulisten erzielen zweistellige Ergebnisse. Die Grünen feiern historischen Wahlerfolg.

Von J. Käppner und H. Kuckat

Die Landtagswahlen in drei Bundesländern haben laut des vorläufigen amtlichen Endergebnisses zwei eindeutige Sieger: Winfried Kretschmann und die AfD. In Baden-Württemberg triumphierte der grüne Ministerpräsident. Die Grünen wurden mit 30,3 Prozent vor der CDU, die zwölf Prozentpunkte einbüßte, erstmals stärkste Partei. Kretschmanns Regierungspartner, die SPD, verlor allerdings so massiv, dass eine Fortsetzung der grün-roten Koalition in Stuttgart ausgeschlossen ist. Der Ministerpräsident sagte am Wahlabend, seine Partei habe "Geschichte geschrieben", da die Grünen erstmals stärkste Kraft in einem Bundesland sind. In den beiden anderen Ländern verlor die Partei allerdings stark an Zuspruch. Der andere Gewinner des Abends ist die rechtspopulistische AfD. Sie zog mit zweistelligen Ergebnissen in alle drei Landtage ein, in Sachsen-Anhalt erzielte sie mit 24,2 Prozent ein Rekordergebnis und wurde nach der CDU sogar zweitstärkste Kraft im Land. Die Partei, die ihre Anhänger vor allem gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung mobilisiert, setzt damit ihre Erfolgsserie seit 2014 fort und ist nun in acht von 16 Landtagen vertreten. Auch in Baden-Württemberg erhielt sie mehr Stimmen als die SPD. Am Abend sagte AfD-Chefin Frauke Petry: "Wir befinden uns auf der Siegerstraße - vor allen Dingen zum Bundestag 2017." Einige ihrer Anhänger riefen auf der Wahlparty: "Merkel muss weg!" Bei der Bundestagswahl 2013 war die AfD unter alter Führung und mit dem Thema der Euro-Krise noch an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

"Das Flüchtlingsthema lässt sich nicht mehr ausblenden. Es müssen jetzt Lösungen her."

Die SPD erlitt niederschmetternde Schlappen in Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt. In Rheinland-Pfalz dagegen erzielten die Sozialdemokraten einen lange nicht für möglich gehaltenen Erfolg. Unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer erreichten sie mit 36,2 Prozent ein besseres Ergebnis als erwartet; die SPD liegt deutlich vor der lange favorisierten CDU (31,8 Prozent) unter Julia Klöckner. Auf die Frage, ob es wegen des Debakels in den anderen Ländern zu einer Personaldiskussion über den Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel kommen werde, sagte SPD-Vizechef Ralf Stegner: "Nein, kein Stück."

Die Landtagswahlen galten als Stimmungstest über die Flüchtlingspolitik der großen Koalition im Bund und vor allem von Kanzlerin Angela Merkel. Weil die Union ihre Wahlziele in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz deutlich verfehlt hat, forderte Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff am Sonntagabend indirekt eine Kurskorrektur in der Flüchtlingspolitik: "Dieses Thema lässt sich nicht mehr ausblenden. Es müssen jetzt Lösungen her." Haseloff, dessen Landes-CDU ein relativ gutes Ergebnis erzielte, hatte während des Wahlkampfs Obergrenzen für die Aufnahme von Asylsuchenden verlangt. Allerdings war auch Julia Klöckner in Mainz mehrfach auf Distanz zur Kanzlerin gegangen, was ihr aber bei der Wahl nichts nutzte. "Das schlechte Abschneiden der CDU hat seine Ursache in der Politik des unbegrenzten und ungesteuerten Zustroms von Flüchtlingen", erklärte der Vizechef der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Hans Michelbach. 2015 waren mehr als eine Million Flüchtlinge nach Deutschland gekommen, viele aus den vom Bürgerkrieg zerrissenen Staaten Syrien und Irak. Die Bundeskanzlerin hatte am Samstag bei der Abschlusskundgebung der baden-württembergischen CDU in Haigerloch ihren Kurs verteidigt. Am Wahlabend lehnte auch Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) eine Änderung der Flüchtlingspolitik ab: 80 Prozent der Wähler hätten "für Parteien gestimmt, die den Kurs der Kanzlerin unterstützen". Auch SPD-Chef Gabriel sprach sich gegen einen Kurswechsel aus: "Wir haben klare Aussagen und dazu stehen wir." Enttäuschend war die Wahl für die Linke. Sie versäumte in beiden Westländern den Einzug ins Parlament und ist in Sachsen-Anhalt nur noch dritte Kraft hinter der AfD. Die FDP zog in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz ein, in Sachsen-Anhalt verpasste sie nach dem amtlichen Zwischenergebnis um Mitternacht aber die Fünf-Prozent-Hürde. Die Regierungsbildung wird in allen drei Ländern komplizierter werden, weil die amtierenden Koalitionen keine Mehrheiten mehr haben. Die Wahlsieger Kretschmann, Dreyer und Haseloff beanspruchten die Regierungsbildung für sich. Dreyer sagte, sie favorisiere in Rheinland-Pfalz eine "Ampelkoalition" mit Grünen und FDP. In allen drei Bundesländern lag die Wahlbeteiligung erheblich höher als bei den Wahlen zuvor. Sie betrug in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mehr als 70 Prozent, in Sachsen-Anhalt gingen etwa 61 Prozent zur Wahl. 12,7 Millionen Bürger waren stimmberechtigt. Am Wochenende warfen Unbekannte mehrere Fenster eines Berliner Hotels ein, in dem die AfD ihre Wahlparty plante.

Der Staatsschutz ermittelt. Am Sonntag demonstrierten etwa 160 Menschen vor dem Gebäude. Zu Zwischenfällen kam es nicht. Die Polizei meldete lediglich, sie habe ein "Tortenkatapult" beschlagnahmt.

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