Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz:Wahlen in Zeiten von Corona

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Winfried Kretschmann (Bündnis 90/Die Grünen) und Susanne Eisenmann (CDU) im Jahre 2019. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Die Maßnahmen gegen das Virus zeigen offenbar Auswirkungen auf die Beliebtheit der Parteien und ihrer Kandidaten. Das war allerdings vor allem zu Beginn der Pandemie zu beobachten. Eine Übersicht in Grafiken.

Von Markus C. Schulte von Drach

Das Wahljahr 2021 steht erwartungsgemäß im Schatten der Corona-Krise - wie lang dieser Schatten sein wird, lässt sich für die Bundestagswahl noch nicht klar sagen. Für die Wahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz könnte es aber gewisse Effekte geben. Darauf deuten zumindest die Umfragen hin.

Deren Ergebnisse müssen vorsichtig interpretiert werden - insbesondere nachdem bei den Landtagswahlen vor fünf Jahren die Forschungsinstitute von den Ergebnissen zum Teil sehr überrascht wurden. Auch verändern sich Werte manchmal relativ schnell, weil aktuelle Ereignisse sich auswirken können. So ist etwa noch nicht klar, ob und wie sich die Masken-Affäre auswirken wird, in deren Mittelpunkt auch ein CDU-Abgeordneter aus Baden-Württemberg steht. Die "Sonntagsfragen" aber vermitteln zumindest ein Bild der jeweiligen politischen Stimmung.

Baden-Württemberg

In Baden-Württemberg sieht es so aus, als könnten die Grünen von Ministerpräsident Winfried Kretschmann ihre klare Führungsposition halten. Sie liegen bei der Sonntagsfrage etwa von Infratest dimap schon länger stabil über 30 Prozent und vor der CDU - mit einem Allzeithoch von 38 Prozent im September 2019, als Kretschmann seine erneute Kandidatur erklärte.

Bei der aktuellen Sonntagsfrage des Umfrageinstituts kommt die Partei auf 33 Prozent Zustimmung, die Forschungsgruppe Wahlen beobachtet kurz vor der Wahl sogar eine Zustimmung bei 34 Prozent der Befragten. In Baden-Württemberg stehen die Grünen damit deutlich besser da als die Konkurrenz.

Ihr gegenwärtiger Koalitionspartner CDU hatte unmittelbar nach dem ersten Lockdown im März 2020 zwar stark an Beliebtheit zugelegt, seit Dezember gehen die Werte aber deutlich zurück.

Die Sozialdemokraten liegen in den Infratest-Umfragen seit einem Jahr stabil bei etwa elf Prozent Zustimmung. Die Linke wird voraussichtlich erneut den Einzug ins Parlament verpassen - daran hat auch das Coronavirus nichts geändert.

Die AfD hatte im Frühjahr 2020 an Zustimmung verloren, liegt aber inzwischen wieder bei zwölf Prozent. Die FDP allerdings, die zu Beginn der Pandemie an Zustimmung verloren hatte, legt seit dem Herbst zu und hat zuletzt zehn Prozent erreicht.

Es erscheint naheliegend, die jüngeren Veränderungen bei der Union und den Liberalen der wachsenden Müdigkeit eines Teils der Bevölkerung gegenüber den Corona-Maßnahmen zuzuschreiben. Die FDP kritisiert die Politik sowohl auf Landes- als auch Bundesebene seit Monaten heftig - eine Politik, die in Baden-Württemberg von der CDU (mit)verantwortet wird.

Ministerpräsident Kretschmann selbst erfreut sich noch immer großer Beliebtheit. Gerade nach der Entscheidung zum ersten Lockdown hatte die sogar noch einen kleinen Schub erhalten. Allerdings ist der Anteil der Befragten, die mit ihm zufrieden sind, in den Umfragen von Infratest dimap seit Oktober 2020 von 77 Prozent auf inzwischen 67 Prozent doch deutlich gesunken.

Auch die Zufriedenheit mit der Landesregierung, die bis weit in die Pandemie hinein leicht zugenommen hatte, hat in den vergangenen Monaten erkennbar nachgelassen.

Diese Entwicklung verläuft parallel zur deutlich abnehmenden Zufriedenheit mit dem Corona-Krisenmanagement und einer zunehmenden Ablehnung der Maßnahmen gegen das Virus.

Der Anteil der Befragten, die mit dem Krisenmanagement einverstanden sind, war im Februar auf 45 Prozent gefallen. Die Maßnahmen hielten immerhin 60 Prozent für angemessen und 15 Prozent gingen sie sogar nicht weit genug.

Dass immer mehr Menschen unzufrieden sind, spiegelt ein Stück weit die Entwicklung bei der Einstellung zu den Maßnahmen der Bundesregierung in Deutschland insgesamt wider. Zwar hält die Mehrheit der Bevölkerung diese für richtig oder sogar nicht streng genug. Der Anteil der von der Forschungsgruppe Wahlen Befragten, die sie für übertrieben halten, hatte im Februar mit 23 Prozent allerdings den bislang höchsten Wert erreicht. Die Cosmo-Studie der Universität Erfurt und weiterer Einrichtungen deutet ebenfalls darauf hin, dass die Unzufriedenheit zunimmt.

Welche Rolle die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage spielt, lässt sich nicht klar sagen: Vor dem ersten Lockdown waren laut Infratest dimap noch mehr als 70 Prozent der Bevölkerung damit zufrieden, inzwischen ist fast die Hälfte unzufrieden. Der Abwärtstrend hatte allerdings schon deutlich früher begonnen. Im März 2019 etwa waren immerhin neunzig Prozent der Befragten zufrieden oder sogar sehr zufrieden gewesen.

Im Augenblick sieht es also so aus, als könne Ministerpräsident Kretschmann darauf hoffen, das Amt ein weiteres Mal anzutreten - erneut an der Spitze einer grün-schwarzen, vielleicht aber auch einer Ampelkoalition aus Grünen, SPD und FDP. Daran ändert auch seine sinkende Beliebtheit nichts. Selbst eine grün-rote Regierung wie zwischen 2011 und 2016 oder ein grün-gelbes Bündnis lassen sich derzeit nicht völlig ausschließen. Äußerst unwahrscheinlich, aber zumindest rechnerisch denkbar wäre außerdem, dass die Union mit ihrer Spitzenkandidatin Susanne Eisenmann eine schwarz-rot-gelbe Koalition anführt. Wäre vor einem Jahr - nach dem Beginn des ersten Lockdowns - gewählt worden, hätte eine solche Regierung unter ihrer Führung wohl größere Chancen gehabt.

Rheinland-Pfalz

Vertraut man auf die Sonntagsfragen der Wahlforscher, darf Ministerpräsidentin Malu Dreyer darauf hoffen, die nächste Regierung zu führen. In den jüngsten Umfragen hat ihre SPD beim Wahlstimmenanteil die Union überholt. Dabei war die CDU den Sonntagsfragen von Infratest dimap zufolge während der ersten Zeit der Corona-Krise in der Beliebtheit deutlich gestiegen. Bei einer Wahl wäre sie die mit Abstand stärkste Partei geworden. Nun ist sie wieder auf das vorherige Niveau abgestürzt, während die SPD in der Zustimmung zugelegt hat.

Es könnte nun für eine weitere Ampelkoalition reichen, wenn die FDP wieder in den Landtag einzieht - was derzeit gut möglich erscheint. Sollten SPD und Grüne aber zusammen noch etwas zulegen, wäre Rot-Grün wohl wahrscheinlicher. Theoretisch denkbar, aber unwahrscheinlich ist dagegen "Jamaika". Dann käme mit Christian Baldauf von der CDU ein Ministerpräsident an die Macht, mit dem allerdings nicht einmal halb so viele Befragte zufrieden sind wie mit Dreyer. Und weder die Grünen, noch die FDP zeigen sich an einer solchen Koalition bislang sonderlich interessiert.

Sollte die FDP den Einzug verpassen, sind sowohl Rot-Grün oder Schwarz-Grün theoretisch denkbar, oder - natürlich - eine große Koalition. Wer diese führen würde, hinge davon ab, ob die Union die SPD doch noch hinter sich lassen kann.

Malu Dreyer wies jüngst sogar noch größere Beliebtheitswerte auf als ihr Amtskollege Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg. Auch sie konnte ihre Werte Infratest dimap zufolge im ersten Lockdown erst einmal erkennbar verbessern. Inzwischen sind jedoch nur noch 61 Prozent der Befragten zufrieden oder sehr zufrieden mit ihr - das sind die schlechtesten Werte seit der Landtagswahl 2016, und sie liegen wieder unter denen von Kretschmann.

Auch ihre rot-gelb-grüne Regierung hatte mit dem Beginn der Corona-Maßnahmen den Anteil der Befragten, die mit ihrer Arbeit zufrieden sind, um 16 Prozentpunkte auf 71 Prozent erhöhen können, wie das Umfrageinstitut berichtet. Inzwischen liegen die Anteile der Zufriedenen mit 56 Prozent und der Unzufriedenen mit 41 Prozent wieder auf dem Niveau von vor der Pandemie.

Mit dem Corona-Krisenmanagement ist laut Infratest dimap nur noch etwa jede und jeder zweite Befragte in Rheinland-Pfalz zufrieden.

Und seit Dezember hat sich der Anteil derjenigen, denen die Maßnahmen zu weit gehen, von zehn auf 20 Prozent verdoppelt. Während Ende vergangenen Jahres noch 45 Prozent fanden, es müsse sogar noch mehr gegen Corona getan werden, meint das jetzt nur noch jeder Fünfte.

Dabei gilt die Corona-Krise immerhin noch für 45 Prozent als das größte Problem, gefolgt von Bildung und Schule, was mit dem Homeschooling eine Folge eben dieser Krise sein dürfte. Nur etwa zehn Prozent dagegen setzten Wirtschaft, Mobilität, Umwelt und Klima sowie Gesundheitsversorgung und Pflege oben auf ihre Liste.

Zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage durch die Bevölkerung stehen zum Vergleich nur etwas ältere Daten zur Verfügung. Für mindestens gut hält sie derzeit etwa die Hälfte der Bevölkerung. 2019 galt das allerdings für etwa drei Viertel der Befragten.

Für die bevorstehende Wahl wichtig ist angesichts der Sorgen, die die Menschen derzeit haben, die Frage, welcher Partei welche Kompetenzen zugestanden werden. Hier kommen die Sozialdemokraten in Rheinland-Pfalz Infratest dimap zufolge in den meisten Bereichen am besten weg.

Deutlich mehr Menschen trauen der SPD am ehesten zu, die Corona-Krise zu bewältigen und die soziale Gerechtigkeit voranzubringen.

Die CDU schlägt die SPD allerdings in Bezug auf das Vertrauen in ihre Wirtschaftskompetenz. 45 Prozent der Befragten - der größte Anteil, den eine der Parteien zu einem der Bereiche überhaupt für sich vereinnahmen kann - sprechen den Grünen die größte Kompetenz in Fragen Klima und Umwelt zu.

Wenn es darum geht, überhaupt die wichtigsten Aufgaben in Rheinland-Pfalz zu lösen, liegt wieder die SPD vorn. Allerdings kommt sie hier auch nur auf Werte zwischen dreißig und vierzig Prozent.

Wie in Baden-Württemberg wären Wahlen nach dem Beginn der Pandemie wohl anders ausgefallen als jetzt. Der indirekte Einfluss des Coronavirus zeigt sich am stärksten bei der anfänglich wachsenden und dann wieder abnehmenden Zustimmung zur CDU in beiden Ländern. Die Pandemie ist ein Paradebeispiel dafür, wie stark sich unvorhersehbare Ereignisse und die Reaktion der Politik darauf auf die politische Stimmung auswirken können.

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