Landtagswahlen 2011:Sieben Wahlen, sieben Prüfungen

In sieben Bundesländern wird in diesem Jahr gewählt, vielleicht kommt auch noch Nordrhein-Westfalen hinzu. Der FDP und ihrem Chef Westerwelle drohen Debakel - aber auch die Linkspartei büßt an Zustimmung ein. Verliert die CDU ihre Hochburg im Südwesten, wäre das auch für Merkel ein Menetekel mit Folgen.

Überblick.

Deutschland geht es gut - zumindest, was die Wirtschaft angeht. Das ist für alle Parteien im Wahljahr 2011 zunächst einmal ein erfreulicher Ausgangspunkt, denn es beflügelt die Konkurrenz. Sorgen um Lohn und Brot überlagern gewöhnlich alle anderen Probleme, die das Volk von seinen Repräsentanten gelöst haben möchte, in Zeiten wirtschaftlicher Not trauen die Wähler eher den großen Parteien Tatkraft zu.

Landtagswahlen

Von Baden-Württemberg bis Berlin: In sieben Bundesländern finden 2011 Landtagswahlen statt.

(Foto: Graphik: sueddeutsche.de)

In besseren Tagen wie diesen haben Grüne, FDP und Linke mehr Raum, sich mit anderen Themen wie Ökologie, bürgerlicher Freiheit oder Gerechtigkeit interessant zu machen - oder Wähler zu vergrätzen. Die Volksparteien wiederum können den stärksten Aufschwung seit der Wiedervereinigung als Erfolg ihrer Politik in der großen Koalition während der Krise von 2009 verkaufen. Geht es allen besser, sinkt allerdings auch der Druck, überhaupt zur Wahl zu gehen. Es kommt also sehr darauf an, wie gut die Parteien ihre Anhänger mobilisieren.

Die CDU muss zeigen, ob sie ihr Formtief nach dem desaströsen Start der schwarz-gelben Koalition überwunden hat, die SPD könnte ihren Machtverlust im Bund mit Siegen in den Ländern kompensieren, die Grünen spekulieren auf das erfolgreichste Jahr ihrer Geschichte. Für die Mit-Regierungspartei FDP geht es ums Ganze, ebenso für die Linke, zumindest im Westen. Landtagswahlen haben allerdings auch ihre Besonderheiten. "Zu 50 Prozent entscheidet der Spitzenkandidat, zu einem Drittel Parteiprogramme, der Rest sind Einzelthemen", schätzt Manfred Güllner, Chef des Meinungsforschungsinstituts Forsa.

Dass in solchen Zeiten erhöhter Sensibilität jeder Fehler zählt, hat gerade erst Linken-Chefin Gesine Lötzsch zu spüren bekommen. Weil sie den Kommunismus für quasi salonfähig erklärte, hat sie die Debatte darüber neu entfacht, ob die Linke überhaupt eine Option bei der Regierungsbildung sein könnte. Dies dürfte vor allem ihrem Spitzenkandidaten in Sachsen-Anhalt, Wulf Gallert, schaden, wo die Partei sich Chancen ausgerechnet hatte, den Ministerpräsidenten zu stellen. Gleichzeitig verschlechtern sich ihre Aussichten in den West-Bundesländern.

Die Grünen treten mit ehrgeizigen Zielen an

Nur wenig besser geht es der FDP. Parteichef Westerwelle hatte zwar auf dem Dreikönigstreffen vorsichtshalber so getan, als sei der Aufschwung in Deutschland vor allem ein Produkt weitsichtiger FDP-Politik. Dieses Manöver konnte jedoch kaum davon ablenken, dass der beispiellose Niedergang der Umfragewerte seiner Partei seit dem Eintritt in die Bundesregierung eng mit seiner Person verknüpft ist.

Die Grünen könnten sich als die großen Gewinner der Wahlen erweisen, sollte ihnen nicht noch ein Patzer unterlaufen. Bis zum Jahresende will die Partei in allen 16 Landtagen und auch erneut in der einen oder anderen Regierung vertreten sein. Ihre Opposition gegen das Bahn-Projekt Stuttgart 21 wird den Grünen vermutlich besonders in Baden-Württemberg satte Gewinne bringen.

Den Sozialdemokraten steht ein Auf und Ab der Gefühle bevor. In Hamburg, zum Auftakt der Wahlserie am 20. Februar, hat der Rückzug des populären CDU-Bürgermeisters Ole von Beust dem ehemaligen SPD-Bundesarbeitsminister Olaf Scholz den Weg zum Sieg zumindest erleichtert. Die Bundespartei erhofft sich davon Rückenwind. In Rheinland-Pfalz kann sich der ehemalige Bundesvorsitzende der Partei, Ministerpräsident Kurt Beck, Hoffnung auf seine Wiederwahl machen, ebenso Bürgermeister Jens Böhrnsen in Bremen, sowie neuerdings auch wieder Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Schlechter dagegen sieht es für die SPD in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg aus.

Angela Merkels CDU kann dem Wahl-Marathon nur mäßig entspannt entgegensehen. Hamburg, im Grunde schon immer sozialdemokratisch geprägt, ist von der Partei intern schon fast abgehakt worden. Die Gemütslage der Union für das weitere Jahr dürfte vom Test in Baden-Württemberg am 27.März bestimmt werden, der wichtigsten Abstimmung des Jahres. Der Streit um den Tiefbahnhof könnte Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) dort Stimmen kosten - und damit die politische Landkarte im Bund verändern.

Von Alexandra Borchardt

Hamburg - Vom Modellprojekt zum Krisenfall

Niemand kann Christoph Ahlhaus vorwerfen, dass er nicht über sich selbst lachen könne. Hamburgs noch amtierender Bürgermeister zeigt sogar eine Art vorzeitigen Galgenhumor. In diesen Tagen ist in der Stadt, die am 20. Februar vorzeitig eine neue Bürgerschaft wählt, ein recht mächtiges Ringel-T-Shirt für einen guten Zweck versteigert worden. Für die Hamburger Politik ist es: das Ringel-Shirt.

CDU-Wahlkampf in Hamburg

Hamburgs Erster Bürgermeister Christoph Ahlhaus (CDU) auf einer CDU-Wahlkampfveranstaltung.

(Foto: dpa)

Mit ihm fing die kurze, unglückliche Amtszeit des Bürgermeisters schon unglücklich an. Als im vergangenen Sommer der elegante Ole von Beust zurücktrat, zeigte sich sein Nachfolger wenig mondän in diesem über dem Bauch allzu stark spannenden Polo-Shirt. Fortan fremdelten die Hamburger mit diesem Bürgermeister, der einst aus Heidelberg kam und eben nicht an Alster und Elbe aufwuchs.

Die schlecht geführte schwarz-grüne Koalition wandelte sich blitzartig vom Modellprojekt zum Krisenfall und zerbrach, als im November auch noch der CDU-Finanzsenator gehen musste. Gelitten hat daran bisher allein die CDU, der ein dramatischer Einbruch prognostiziert wird. Ahlhaus hat die kurze Zeit im Amt eher geschadet, er geht sozusagen mit einem Amts-Malus ins Rennen. Und die Bundes-CDU wird am Hamburger Ergebnis erfahren, wie ihre Stammwähler auf Schwarz-Grün reagieren. Derzeit müssen die Christdemokraten mit einem historisch schwachen Ergebnis rechnen.

Chance für Scholz

Wie ein sicherer Sieger wirkt SPD-Spitzenkandidat Olaf Scholz, der eben nur nicht den Fehler machen darf, diese Rolle zu selbstgewiss einzunehmen. Der einstige Bundesarbeitsminister kann hoffen, die lange am Boden liegende Partei wieder zu dem zu machen, was sie Jahrzehnte war: der "Hamburg-Partei". Scholz setzt dabei bewusst auf ein eher konservatives Profil und legt Schwerpunkte auf die Wirtschaftspolitik. Die Grünen, sein potentieller Koalitionspartner, warnen bereits: "Eine SPD-Alleinregierung bedeutet Stillstand. Die Grünen müssen als Motor mit an die Macht", sagt Spitzenkandidatin Anja Hajduk.

Die CDU spricht, als wäre sie der Herausforderer, von einer Aufholjagd - und muss doch erst mal einen Abwehrkampf an anderer Stelle bestreiten: Mit der jungen Katja Suding versucht die seit Jahren chronisch erfolglose FDP enttäuschte bürgerliche Wähler für sich zu gewinnen und ins Parlament zurückzukehren. Im Wahlkampf wird es inhaltlich vor allem um Wohnungsknappheit und den maroden Haushalt gehen. Spannend wird dabei, wie sehr bundespolitische Eruptionen die Parteien in der Stadt treffen.

Die Linken spüren bereits, dass die aufgeregte Debatte um den Kommunismus es für sie unerwartet schwer macht, mit anderen Themen durchzudringen. Geführt von der Lehrerin Dora Heyenn, die zuvor fast drei Jahrzehnte lang in der SPD war, hatte die Fraktion sich - anders als die oft chaotischen Linken in anderen Ländern - viel Respekt erworben. Nun sind sie in den Umfragen abgerutscht und müssen um den Wiedereinzug ins Stadtparlament bangen.

Von Jens Schneider

Magdeburg - Der Machtanspruch kommt von links

Verabschiedungsappell von Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan

Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Wolfgang Böhmer bei der Verabschiedung von Bundeswehrsoldaten nach Afghanistan. Auch Böhmer wird sich bald verabschieden, er wird Ende Januar 75 Jahre alt und tritt bei der Wahl nicht mehr an.

(Foto: ZB)

Das politische Leben in Sachsen-Anhalt findet in diesen Tagen in den Festsälen statt. Da folgt ein Neujahrsempfang dem anderen, und der derzeitige Ministerpräsident Wolfgang Böhmer (CDU) ist fast immer dabei. Der Politiker, der Ende Januar 75 Jahre alt wird, genießt es sichtlich, noch einmal bei allen wichtigen Institutionen und Verbänden im Land die Runde zu machen, denn zur Landtagswahl tritt Böhmer nicht mehr an.

Statt seiner bewirbt sich Wirtschaftsminister Reiner Haseloff, 56, um die Position als Landesvater, und so ist auch er zurzeit ein eifriger Besucher der Neujahrsempfänge. Für die Wahl am 20.März aber dürfte der Christdemokrat Haseloff kaum mit dem Amtsbonus seines Vorgängers rechnen können, weshalb der Wahlausgang nur sehr schwer vorauszusehen ist.

Bislang regiert Böhmer mit einer Koalition aus Christdemokraten und SPD im Landtag, die CDU war bei den vergangenen Wahlen 2006 mit 36,2 Prozent stärkste Partei. Nach den aktuellen Umfragen liegen die Christdemokraten jedoch nur bei 30 Prozent. Gleichauf mit der CDU steht die Linkspartei, die den Erhebungen zufolge ebenfalls von beinahe jedem dritten Wahlberechtigten bevorzugt wird. Und so könnte der Spitzenkandidat der Linken Wulf Gallert unbeschadet der quälenden Führungsdebatte in seiner Bundespartei rein rechnerisch die Wahl in Sachsen-Anhalt gewinnen. Gallert, 47, ein Politikwissenschaftler, der früher als Lehrer arbeitete, hat auch schon erklärt, dass er das Amt des Ministerpräsidenten anstrebt. Freilich benötigt der Linke dazu die Unterstützung der SPD, die in Umfragen konstant bei 21 Prozent liegt.

Die Linke greift nach der Macht

Der Spitzenkandidat der SPD, Jens Bullerjahn, 48, möchte jedoch auf keinen Fall einen Ministerpräsidenten der Linken ins Amt heben. Zwar käme Bullerjahn, der zurzeit in der Regierung mit der CDU als Finanzminister arbeitet, eine rot-rote Koalition nicht ungelegen - dies jedoch nur, wenn die SPD darin die Führung übernehmen würde, was angesichts der Mehrheitsverhältnisse völlig illusorisch ist. Und so könnte es in Sachsen-Anhalt auch nach der Wahl noch spannend werden.

Für den Linken-Politiker Gallert jedenfalls steht fest: "Ich will Ministerpräsident werden." Und wenn die SPD die Politik verfolgen wolle, "die sie ihren Wählern verspricht", sagt Gallert, dann werde sie nicht anders können, als die Linkspartei zu unterstützen. Das sieht der Elektro-Ingenieur Bullerjahn, der mit Gallert einst eng befreundet war, freilich völlig anders.

Eines der wichtigsten Probleme im Land ist die Entwicklung der Bevölkerung: Jeden Tag verliert Sachsen-Anhalt 76Einwohner, das schafft Probleme für die Organisation von Behörden, Schulen und Infrastruktur. Hingegen ist die Arbeitslosigkeit zurzeit so niedrig wie nie seit der Wende. Das Land hat den schwierigen Strukturwandel von den DDR-Kombinaten der Chemie- und Schwerindustrie hin zu zukunftsträchtigen Branchen wie der Solarkraft mittlerweile erfolgreich bewältigt.

Von Christiane Kohl

Stuttgart - Seit der Stauferzeit nicht mehr so knapp

Landeskabinett trifft sich in Heilbronn

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) liegt den Umfragen zufolge vorn, trotzdem könnte es knapp werden für ihn und seine Partei.

(Foto: dpa)

Der SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag hatte die Geschichtsbücher konsultiert, um die Dimension der Stunde zu verdeutlichen. "Erstmals seit der Stauferzeit", sprach Claus Schmiedel, könnte es in Baden-Württemberg eine Mehrheit für Rot-Grün geben. Staufer wie Grüne werden diese These für übermütig halten, aber die Stoßrichtung stimmt: Es ist denkbar, dass das Land demnächst nicht mehr von einem Ministerpräsidenten der CDU regiert wird - nach 57 Jahren Dominanz im Stammland der Partei. In Berlin hoffen Bundeskanzlerin Merkel und mehr noch FDP-Chef Westerwelle auf das Ausbleiben dieses Erdbebens, das auch ihre Regierung und Karriereplanung tüchtig erschüttern würde.

In den aktuellen Umfragen liegt die CDU von Amtsinhaber Stefan Mappus bei etwa 40 Prozent, der Koalitionspartner FDP muss demnach um das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde bangen. Die Grünen kratzen an anderen Marken: 30 Prozent halten die Meinungsforscher für möglich. Die SPD ist in diesem Tableau eine Volkspartei ohne Volk, mehr als 20 Prozent dürfte schon als erfolgreiche Schadensbegrenzung durchgehen. SPD-Spitzenkandidat Nils Schmid, 37, ist einer jener nüchternen Typen in der Politik, die Journalisten der Einfachheit halber als "blass" beschreiben.

Ein Volkstribun ist auch der Mann nicht, der sich zu Mappus' Hauptgegner aufgeschwungen hat: Winfried Kretschmann, 62, könnte der erste grüne Ministerpräsident werden. Der Lehrer zitiert gern Platon und veranschaulicht als Figur sehr gut, wie die Grünen unter früheren CDU-Stammwählern im Bildungsbürgertum Fuß fassen konnten.

Mappus gibt sich siegesgewiss

Dennoch malen Schwarz und Gelb das Schreckensbild einer grünen "Dagegen-Partei" voller Widersprüche. "Es ist so weit", formuliert FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, "dass die Grünen per SMS zu einer Demonstration gegen Mobilfunkmasten aufrufen." Die Debatte über Sachthemen kommt derweil nicht recht in die Gänge, die Opposition versucht arg bemüht, Mappus mit einer Klage wegen Missachtung des Landtags beim EnBW-Deal zu bedrängen. Der Streit um Stuttgart 21 steht im Zentrum, hat aber nach der Schlichtung außerhalb der Stadt an Zündstoff verloren.

Mappus, der den Verdruss der Bürger zu lange ignorierte, gibt sich deshalb siegesgewiss. Zumal das Wahlsystem im Ländle der CDU sogar mit weniger als 45 Prozent der Stimmen eine Mehrheit der Sitze bescheren könnte. Grüne und SPD beschwören die historische Chance, gemeinsam mit dem "schwarzen Filz" aufzuräumen, doch Stuttgart 21 (Grüne lautstark dagegen, Rote kleinlaut dafür) würde die Gemeinschaft rasch testen. Denn auch wenn sich die Blöcke Schwarz-Gelb und Grün-Rot in Kraftmeierei übertreffen: Ausgeschlossen ist nicht, dass die SPD sich einer CDU, der - trotz der Umfragen unwahrscheinlich - die FDP verlustig gegangen ist, als Juniorpartner andient. Am Ende könnte es also für eine glückliche CDU heißen: Seit der Stauferzeit ist es nicht mehr so knapp gewesen.

Von Roman Deininger

Rheinland-Pfalz - Der Alte will's noch einmal wissen

Landesparteitag der SPD in Rheinland-Pfalz

Kurt Beck regiert in Rheinland-Pfalz seit 17 Jahren. Es ist das letzte Bundesland, in dem die SPD alleine regiert.

(Foto: dapd)

Seit 17 Jahren regiert in Rheinland-Pfalz immer der eine: Kurt Beck (SPD). Lange hatte sich seine Partei mit der FDP zusammengetan, seit fünf Jahren führt er das Land sogar mit absoluter Mehrheit. Und der bald 62-Jährige will es noch einmal wissen: Beck hat angeblich vor, erneut volle fünf Jahre den Landesvater zu geben. Seine wichtigste Gegnerin kommt von der CDU.

Die Christdemokraten haben die junge und fotogene Julia Klöckner aufgestellt, Theologin und Politologin, derzeit parlamentarische Staatssekretärin im Berliner Verbraucherschutzministerium. Als die CDU ihre Kandidatin vor einem Jahr hervorzauberte, waren die Sozialdemokraten geschockt. Sie hatten auf den blasseren Fraktionschef Christian Baldauf gehofft. Mittlerweile attackiert die Regierungspartei die Herausforderin kräftig, sie sei unerfahren. Von Klöckner, 38, stammt der bislang einprägsamste Spruch zum Wahlkampf: Sie wolle "aus Rheinland-Filz wieder Rheinland-Pfalz machen".

Koalitionsreigen - wer mit wem ist ungewiss

Die Umfragen sind bislang verwirrend. In manchen liegen SPD und CDU Kopf an Kopf, in anderen hat Beck einen satten Vorsprung. Eine Tatsache durchzieht alle Erhebungen: Die FDP muss um den Einzug in den Landtag bangen, ebenso wie die ständig zankende Linke. Die Grünen könnten dagegen eine triumphale Rückkehr ins Parlament schaffen - und mit einem zweistelligen Ergebnis zum Königsmacher werden. Die größte Überraschung wäre, wenn Kurt Beck von einer schwarz-grünen Regierung abgelöst würde.

Wer mit wem kann, ist nicht ganz ausgemacht. SPD und FDP waren in Rheinland-Pfalz jahrelang verbündet; nun aber ist Kurt Beck zu den Grünen auffallend freundlich. Diese werden auch von der CDU umworben und halten sich ihre Entscheidung offen. Am liebsten will die CDU mit der FDP koalieren, sagt sie. Nur mit den chaotischen Linken mag in Wirklichkeit niemand.

In Berlin schaut man vor allem vom Willy-Brandt-Haus aus aufmerksam auf die Wahl: Für die SPD ist Rheinland-Pfalz das letzte Land, in dem sie mit absoluter Mehrheit regiert. Für die FDP geht es schlicht um ihre politische Existenz in den Ländern. FDP-Spitzenkandidat Herbert Mertin hielt es unlängst sogar für einen Fehler, Parteichef Guido Westerwelle im Wahlkampf auftreten zu lassen, dieser sei "ein Klotz am Bein".

Ein mit Stuttgart21 vergleichbares großes Streitthema hat Rheinland-Pfalz nicht zu bieten, dafür aber Affären, wohin man blickt: Die Landesregierung muss sich vor allem für den Bau eines überdimensionierten Freizeitparks am Nürburgring verantworten. Auch die teure Sanierung des Schlosshotels in Becks Heimatstadt Bad Bergzabern auf Staatskosten wird gescholten. Justizminister Heinz Georg Bamberger (SPD) steht unter Druck, weil er einen Richterposten rechtswidrig besetzt haben soll. Und die CDU ist in Not, weil sie kurz vor Weihnachten eine Millionenstrafe erhielt; sie hatte Wahlkampf 2006 illegalerweise mit Fraktionsgeld finanziert. Sauber bleibt keiner.

Von Marc Widmann

Bremen - Mit ruhiger Hand dauerhaft an der Spitze

Amtierender Bundespräsident Böhrnsen gibt Pressekonferenz

Der sozialdemokratische Bürgermeister von Bremen, Jens Böhrnsen, tritt erneut als Chef einer rot-grünen Regierung als Spitzenkandidat an.

(Foto: dpa)

Bremen ist nicht nur das kleinste Bundesland, es ist auch eine Stadt mit Traditionen. Schon 466mal trafen sich die ehrbaren Kaufleute im Rathaus zum Schaffermahl, in Frack und Fliege. Zum ältesten Brudermahl der Welt wird Grünkohl mit Pinkel gereicht. Auch die Eiswette hat seit 1829 ihren Platz im Veranstaltungskalender: Immer am 6. Januar überprüft der Schneider mit seinem Bügeleisen den Eisgang der Weser. Steht sie, überquert er sie zu Fuß, geht sie, setzt er mit einem Boot über. Und so sicher, wie der Schneider nasse Füße bekommt, weil die Weser nicht mehr zufriert, so sicher wählt Bremen die SPD: Nie fehlten ihre Leute in den vergangenen 60 Jahren auf der Senatsbank, immer war sie in der Bürgerschaft die stärkste Kraft.

Auch wenn es an der Weser noch keine Umfragen gibt vier Monate vor den nächsten Wahlen, dürfte sich am sozialdemokratischen Regierungsabonnement wohl nichts ändern. Bürgermeister Jens Böhrnsen tritt als Chef einer rot-grünen Regierung erneut als Spitzenkandidat an. Der 61-Jährige gehört zwar zu den unauffälligeren politischen Führungskräften im Land, hat aber durch seine Interims-Bundespräsidentschaft nach dem Rücktritt Horst Köhlers bundesweit Bekanntheit erlangt. Böhrnsen polarisiert nicht, ist kein Populist, regiert mit ruhiger Hand den am Existenzminimum kratzenden Staat. Hanseaten mögen diese Art.

Innerparteiliche Scharmützel bei der CDU

Eine starke Spitzenkandidatur der CDU und ein geschlossenes konservatives Lager könnten der blassen SPD-Führung aber wohl dennoch gefährlich werden - so es denn beides gäbe. Doch die CDU in Bremen beschäftigte sich in den vergangenen Wochen viel zu sehr mit sich selbst und nutzte die Aufstellung der Listen für die Wahlen zu leidenschaftlichen innerparteilichen Scharmützeln. Zudem geht in Rita Mohr-Lüllmann zwar erstmals eine Frau als Nummer eins im Wahlkampf an den Start, doch die 53-jährige Gesundheitsexpertin sucht noch nach Angriffsflächen bei der Regierung. Stillstand wirft sie dem rot-grünen Senat vor und verspricht, die Stärken Bremens - zum Beispiel auf den Gebieten Logistik, Weltraumforschung und Windenergie - pointierter herauszuarbeiten. Das prickelt noch nicht.

Ihr Feindbild, mit dem sich im Wahlkampf Stimmung machen lassen könnte, hat die Union in Umwelt- und Verkehrssenator Reinhard Loske gefunden. Der profilierte Grüne macht es mit seiner Verkehrspolitik Autofahrern in der Stadt durch Tempolimits, neue Fußgängerampeln oder verengte Fahrbahnen immer schwerer, und schließt sogar eine City-Maut nicht aus. Loske gehören damit die Schlagzeilen und Leserbriefspalten der regionalen Presse. Die grüne Spitzenkandidatin, Finanzsenatorin Karoline Linnert, kann im Hintergrund in Ruhe die leeren Kassen verwalten. Neu erfinden musste sich Rot-Grün in Bremen nicht, um besser zu sein als die große Koalition, die sie abgelöst hatte. Dafür ist die Opposition zu schwach - auch wegen einer sich eher in Auflösung als im Aufbruch befindlichen FDP.

Von Ralf Wiegand

Schwerin - Koalitionen, Köche und Kellner

Landtagssitzung in Mecklenburg-Vorpommern

Erwin Sellering (SPD) regiert im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern. Am 4. September stellt er sich erneut zur Wahl.

(Foto: dapd)

In der Landeshauptstadt Schwerin ist in diesen Tagen Sehnsucht nach einem Orakel zu spüren. Zu gern wüssten die Partner in der recht geräuschlos regierenden großen Koalition unter dem Sozialdemokraten Erwin Sellering, ob dieses Bündnis sich eher für ihn auszahlt - oder für seinen Gegenkandidaten von der CDU, Innenminister Lorenz Caffier. Doch seit Monaten gab es keine Umfragen, zudem wenig politische Debatten. So orakeln sie denn, wer bei der Wahl am 4. September davon profitieren wird, dass die Zeit der großen Tristesse in Mecklenburg-Vorpommern vorbei ist. Nach der deutschen Vereinigung hatte der Nordosten besonders arg unter dem wirtschaftlichen Zusammenbruch zu leiden, viele Junge mussten sich im Westen Arbeit suchen. Einige Landstriche sind heute nahezu unbewohnt.

Inzwischen geht der Trend in die andere Richtung, und zwar so heftig, dass das Probleme bereitet: Mecklenburg-Vorpommern erlebt vor allem im Tourismus einen Aufschwung. Viele Gaststätten und Hoteliers suchen verzweifelt nach Kellnern, Köchen, vor allem Lehrlingen. Rügen und Usedom blühen auf, wobei diese Blüte angesichts oft niedriger Löhne beim Personal der Kaiserbäder und anderer Urlaubsorte nicht zwingend zu großem Wohlstand führt. Aber vorbei sind die Zeiten, in denen Tausende junge Leute im Gefühl aufwuchsen, dass man sie in ihrer Heimat nicht braucht.

Mit vereinten Kräften gegen die NPD

Auch Rostock, Schwerin und die Studentenstadt Greifswald strahlen mehr Lebenskraft aus, als es das aus den Neunzigern verbliebene Image vermuten ließe. Von diesen städtischen Strukturen könnten die Grünen profitieren, über den Wiedereinzug der FDP wird auch dort entschieden.

Die Sozialdemokraten wissen nicht, wie fremd ihren Wählern ihr Ministerpräsident Sellering noch ist, der das Amt während der Legislaturperiode von Harald Ringstorff übernommen hat, dessen bodenständige Ausstrahlung manche vermissen. Mit dem früheren Minister Helmut Holter bietet sich die Linkspartei mit einem pragmatischen Kurs für eine Koalition an. Aber auch mit dem christdemokratischen Innenminister Caffier kommt die SPD gut aus. Für die Koalitionsbildung wird die Frage entscheidend sein, wer die stärkste Partei wird und den Regierungschef stellt.

Einig stellten sich in Schwerin alle demokratischen Parteien gegen die NPD, die im Landtag nur durch schrille Töne auffiel. Die Rechtsextremisten haben zwar in Teilen des Nordostens, in wirtschaftlich abgehängten Regionen, Wurzeln schlagen können; aber schon bei den jüngsten Kommunalwahlen erreichten sie nicht mehr ihre selbst gesteckten Ziele. So hegen die anderen Parteien in Schwerin zunehmend die Hoffnung, dass der Umschwung der NPD ihren Nährboden genommen hat und sie über ihren Zenit ist.

Von Jens Schneider

Berlin - Stadt der Verheißung, Stadt der Zumutung

Wowereit erwägt eigenständiges Kulturressort

Die Sehnsucht nach frischen Ideen könnte ihm zum Verhängnis werden: Klaus Wowereit (SPD), wird sich bei der letzten Wahl in diesem Jahr seinen Gegner stellen müssen.

(Foto: dpa)

2011 wählt Berlin als letztes Bundesland, und wenn es nach den Grünen geht, kommt es in der Hauptstadt zum Finale furioso. Renate Künast will Klaus Wowereit aus dem Amt werfen und den Grünen zu einem historischen Sieg über die SPD verhelfen. Ob es so kommt, ist ungewiss; aber dass es so kommen könnte, ist in Berlin wahrscheinlicher als sonstwo im Land. Nach zwei Amtszeiten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit ist in der Hauptstadt die Sehnsucht nach frischen Ideen und mehr Niveau in der Landespolitik groß.

Der rot-rote Senat wirkt abgenutzt und kämpft gegen den Ruf, den Ton der Stadt nicht mehr zu treffen. Berlin, einst Hauptstadt der Kleinbürger und Versorgungsfälle, gefällt sich inzwischen in der Rolle der "kreativen" Metropole - und die Grünen haben es verstanden, sich als Mentor der neuen Hauptstadtgesellschaft zu inszenieren. Studenten, umweltbewusste Unternehmer, enttäuschte Schwarz-Gelb-Wähler und Bestverdiener aus Dahlem bescherten der Partei Umfragewerte bis zu 30 Prozent.

Bis Renate Künast antrat, mit dem Wahlslogan "Eine für alle", und mit forschen Sprüchen wie: "Berlin ist eine Verheißung, aber die Landesregierung ist eine Zumutung." Die grüne Fraktionschefin im Bundestag sprach sich als Erstes, wenn auch indirekt, für Tempo 30 in der Stadt aus. Dann stellte sie die Zukunft des Gymnasiums in Frage und die Interkontinentalanbindung des neuen Großflughafens.

Die Rechnung kam prompt: Die Grünen liegen in jüngsten Umfrage nicht mehr vor, sondern mit 25 Prozent wieder hinter der SPD. Im direkten Vergleich hat Wowereit mit 54 Prozent seine Rivalin abgehängt (28 Prozent). Statt Finale furioso also Funerale doloroso der Grünen? Abwarten und anstrengen, heißt es jetzt in der Partei, die auf bessere Absprachen ihrer vielbeschäftigten Spitzenfrau hofft - und darauf, dass die übrigen Parteien ihre mäßige Performance fortsetzen.

Die Linke stagniert

Wowereit wirkt zwar belebt von den Startproblemen seiner Konkurrentin. Seine Koalition aber hat wahlkampfbedingt das Regieren weitgehend eingestellt. Kein Wort ist da mehr zu hören, wie Berlin seine Schulden abbauen und explodierenden Sozialkosten beikommen soll. Ein lange verhandeltes Gesetz zur energetischen Sanierung der Stadt wird nicht mehr verabschiedet. Die Entscheidung über den Weiterbau der Stadtautobahn - vertagt. Die Zukunft der Charité, der maroden S-Bahn, der Brennpunktschulen - offen. Ein Integrationsgesetz immerhin ist verabschiedet, was es bringt, ist so unbeantwortet wie die Frage, wer Wowereits Lieblingprojekte bezahlen soll: eine neue Landesbibliothek und eine Kunsthalle.

Stille auch rund um die Linkspartei, sie schafft es kaum noch in die Zeitungen und stagniert in Umfragen bei 17 Prozent. Berlins CDU hat zwar die gröbsten internen Intrigen beigelegt und ein innovatives Papier zur Zuwanderung vorgelegt. Den Wählern aber imponiert das wenig - die Partei kommt in Umfragen nur auf 20, die FDP nicht einmal mehr auf fünf Prozent.

Von Constanze von Bullion

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