Potsdam (dpa) - Er regiert das Land seit elf Jahren und will an der Macht bleiben - unter einer Bedingung. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke will bei der Landtagswahl am 22. September einen Sieg der AfD verhindern und nur bei einem Wahlsieg seiner SPD weitermachen - doch wer ihm bei einer möglichen Niederlage folgen würde, ist offen. Vor allem zwei Kronprinzessinnen, aber auch ein Kronprinz gelten als Anwärter mit Chancen.
„Wir sind hier nicht im Königreich - und die Brandenburger SPD ist auch nicht eine "One-Man-Show"“, sagte Woidke beim Spitzenkandidaten-Talk der „Potsdamer Neuesten Nachrichten“ und des „Tagesspiegels“ am Sonntag auf die Frage, wer übernehmen würde. „Wir werden dann uns entsprechend unterhalten darüber, wer das Land weiter führen kann, die SPD weiter führen kann.“ Er konzentriere sich nicht auf Nachfolgedebatten.
Woidke gegen die AfD
„Meine größte Herausforderung ist, zu verhindern, dass Menschen, die mindestens des Rechtsextremismus verdächtig sind, in diesem Land jemals etwas wieder zu sagen haben“, sagte der SPD-Regierungschef. Er meint die AfD, die vom Verfassungsschutz Brandenburg als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird. In einer neuen Kampagne auch für Facebook und Instagram warnt die SPD vor „rechten Glatzen“: „Wenn Glatze, dann Woidke“.
Der 62-Jährige ist mit großem Abstand der beliebteste Politiker in Brandenburg, wie eine Umfrage von Infratest dimap für den RBB im Juli ergab. Weil die Ampel-Regierung in der Kritik ist und seine Partei bundesweit schlechte Umfragewerte einfährt, will er möglichst ohne Kanzler Olaf Scholz Wahlkampf machen.
AfD in Umfragen bisher vor SPD
Ob die SPD als Erster oder Zweiter ins Ziel geht, ist offen. In den bisherigen Umfragen lag die AfD vorn. Sie kam in der jüngsten Befragung von Infratest dimap für den RBB von vergangener Woche auf 27 Prozent vor der SPD mit 23 Prozent. Dahinter folgten die CDU mit 18 Prozent und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 15 Prozent. Die Linke erreichte 4 Prozent, BVB/Freie Wähler kamen auf 3 Prozent. Beide Parteien lagen damit unter der Fünf-Prozent-Hürde. Mit Direktmandat ist aber ein Einzug in den Landtag trotzdem möglich.
Den ersten Zugriff als mögliche Nachfolgerin hätte voraussichtlich Finanzministerin Katrin Lange, Woidkes Stellvertreterin in der Landes-SPD. Sie saß beim Sommerfest der SPD Brandenburg direkt neben ihm. Die Prignitzerin redet gern Klartext: Anfang September schlug sie in der „Bild“-Zeitung einen Talkshow-Verzicht mit Blick auf SPD-Chefin Saskia Esken und Generalsekretär Kevin Kühnert vor. „Ja, es reicht jetzt. Der Eindruck ist verheerend – und nicht nur hier im Osten“, sagte Lange.
Zwei Kronprinzessinnen ...
Nachdem das Verfassungsgericht die früheren Regelungen zum Brandenburg-Hilfspaket für nichtig erklärt hatte, wies sie die Forderung der AfD-Fraktion nach einer Entlassung selbstbewusst zurück: „Das können Sie sich von der Backe putzen. Ich bin aus der Prignitz. Ich lasse mich nicht provozieren.“ Innerhalb der SPD werden ihr die größten Chancen eingeräumt.
Auch Wissenschaftsministerin Manja Schüle gilt als mögliche Anwärterin auf Woidkes Nachfolge. Sie hat nach fast fünf Jahren Regierung eine sehr positive Bilanz aufzuweisen: Die neue Potsdamer Synagoge ist - dank ihres Verhandlungsgeschicks und trotz jahrelangen Streits unter jüdischen Gemeinden - eröffnet, die Medizinische Hochschule Lausitz in vergleichsweise kurzer Zeit auf den Weg gebracht.
... und ein Kronprinz
Chancen als Kronprinz werden auch Daniel Keller nachgesagt. Der Judoka hatte 2021 den SPD-Fraktionsvorsitz im Landtag von Erik Stohn übernommen, der nach eigener Darstellung nicht freiwillig ging. Keller hat die Fraktion weitgehend geschlossen hinter sich. Auf das Thema Nachfolge angesprochen, äußern sich die drei potenziellen Thronfolger nicht. Alle drei sind auch Direktkandidaten für die Wahl.
Vor fünf Jahren zog die SPD kurz vor der Wahl noch an der AfD vorbei. Sollte die AfD stärkste Kraft werden, wäre das für die Sozialdemokraten ein herber Schlag. Sie regieren seit 1990 ununterbrochen im Land mit wechselnden Partnern. Die SPD müsste sich erst einmal neu ordnen, bevor möglicherweise schwierige Gespräche über eine Regierungsbildung losgingen. Da keine andere Partei mit der AfD koalieren möchte, läge die Regierungsbildung dann bei der zweitstärksten Partei.
Grüne: SPD „nicht sortierter Haufen“
Grünen-Spitzenkandidat Benjamin Raschke wirft dem Koalitionspartner SPD vor, die Nachfolgedebatte verschlafen zu haben. „Was wir feststellen ist, dass die SPD ein nicht sortierter Haufen ist“, sagte Raschke. Damit schwäche sie sich.
Der Potsdamer Politikwissenschaftler Jan Philipp Thomeczek nannte Woidkes Verknüpfung seiner politischen Zukunft mit einem Wahlsieg überzeugend. „Er weiß, er ist beliebter als seine eigene Partei.“
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