Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Schleswig-Holstein:AfD scheitert an der Fünf-Prozent-Hürde

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Die Rechten sitzen künftig nicht mehr im Landtag in Kiel - und fliegen damit erstmals wieder aus einem Parlament. Ihren Fraktionsstatus hatte die AfD schon vorher eingebüßt.

Die AfD ist bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein erstmals in Deutschland wieder aus einem Landesparlament geflogen. Die Partei um ihren Spitzenkandidaten Jörg Nobis erhielt am Sonntag laut vorläufigem Ergebnis nur 4,4 Prozent und scheiterte damit an der Fünf-Prozent-Hürde. Erst 2017 hatte die AfD im nördlichsten Bundesland überhaupt den Einzug in den Landtag geschafft. Umfragen hatten die Partei vor der Wahl noch bei fünf bis sechs Prozent gesehen.

Nobis machte internen Streit als Ursache für die Niederlage aus. "Interner Streit wird vom Wähler nicht goutiert", sagte er. Bereits vor der Wahl hatte die AfD im Landtag ihren Fraktionsstatus eingebüßt. Die zunächst fünfköpfige Fraktion zerfiel, weil der Partei nur drei Abgeordnete blieben. Eine Fraktion muss mindestens vier Politiker haben. Die frühere AfD-Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein wurde aus Partei und Fraktion ausgeschlossen. Frank Brodehl verließ die AfD und trat später in die Splitterpartei Liberal-Konservative Reformer ein.

Klar gewonnen hat die Landtagswahl im Norden die CDU von Ministerpräsident Daniel Günther. Dem vorläufigen Ergebnis zufolge kamen die Christdemokraten am Sonntag auf 43,4 Prozent der Stimmen. Das sind 11,4 Punkte mehr als 2017, es ist das beste Ergebnis nach 1983. Die SPD mit Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller dagegen schnitt mit 16,0 Prozent historisch schlecht ab und fiel sogar hinter die Grünen zurück, die von 12,9 Prozent bei der Wahl 2017 auf jetzt 18,3 Prozent zulegten.

Die FDP, die mit CDU und Grünen in einer Jamaika-Koalition regiert, verlor 5,1 Punkte und kam nun auf 6,4 Prozent. Stark verbessern von 3,3 auf 5,7 Prozent konnte sich der Südschleswigsche Wählerverband (SSW). Neben der AfD scheiterte auch die Linken mit 1,7 Prozent an der Fünf-Prozent-Hürde.

Günther geht somit gestärkt aus der Wahl hervor und kann erwartungsgemäß das Land weiter reagieren. Rechnerisch ist er nicht mehr auf zwei Koalitionspartner angewiesen, er könnte allein mit den Liberalen oder den Grünen weiterregieren.

Der Ministerpräsident selbst freute sich nach den ersten Hochrechnungen über einen "wirklich enormen Vertrauensbeweis, eine enorme Unterstützung natürlich auch, auch für mich persönlich". Er wolle mit beiden bisherigen Koalitionspartnern über eine Regierungsbildung sprechen. "Damit es gar keine langen Nachfragen danach gibt, ist mir auch vollkommen klar an diesem Abend, dass wir natürlich auch in den nächsten Tagen mit unseren beiden Koalitionspartnern, mit denen wir zusammengearbeitet haben in dieser Regierung, Gespräche führen werden."

SPD-Spitzenkandidat Thomas Losse-Müller sagte, die Partei und er selbst seien sehr enttäuscht über das schlechte Abschneiden. "Wir haben hart dafür gekämpft, dass es anders ist." Er versuchte, die Niederlage damit zu erklären, dass es seiner Partei nicht gelungen sei, sich mit ihren Themen durchzusetzen. Zudem sei es eine große Herausforderung gewesen, gegen den beliebtesten Ministerpräsidenten der Bundesrepublik anzugehen.

Nordrhein-Westfalens SPD-Landeschef Thomas Kutschaty gratulierte Günther "zu seinem sehr guten Ergebnis und zum Wahlsieg", erklärte jedoch, er sei fest von einem Sieg der SPD bei der anstehenden Landtagswahl in NRW überzeugt. Er betonte, dass es Unterschiede zwischen der Lage in Schleswig-Holstein und in Nordrhein-Westfalen gebe. Kiels Regierungschef Daniel Günther stehe "für eine andere CDU" und er habe "nicht versucht, aus der Krise Profit zu schlagen".

Grünen-Spitzenkandidatin Monika Heinold interpretierte die Zahlen so, dass "die Menschen im Land wollen, dass wir weiter Regierungsverantwortung tragen". Der grüne Vizekanzler Robert Habeck freute sich über ein "sehr, sehr gutes Ergebnis für die Grünen". Er legt nahe, dass die CDU mit den Grünen weiterregieren sollte. Moderne und konservative Kräfte hätten gut zusammengearbeitet. "Ich glaube Daniel Günther ist schlau genug zu sehen, wenn zwei Parteien die Wahl gewinnen, was daraus dann zu folgen hat."

Bernd Buchholz, FDP-Spitzenkandidat, zeigt sich zuversichtlich, dass seine Partei an der künftigen Landesregierung beteiligt sein wird. "Es gibt die Möglichkeit in der Mitte eine stabile Regierung mit uns zu bilden in diesem Land." FDP-Chef Christian Lindner erklärte, es habe in Schleswig-Holstein keine Landtagswahl stattgefunden. "Es hat stattgefunden eine Günther-Wahl." Lindner gratulierte dem CDU-Politiker zu einem überragenden Wahlsieg.

SSW-Spitzenkandidat Lars Harms freute sich über das beste Ergebnis seit der Gründung der Partei 1948. Sechs Prozent oder mehr "wäre wirklich der absolute Hammer". CDU-Generalsekretär Mario Czaja erklärte, die Bundes-CDU habe keine Präferenz, ob Daniel Günther mit der FDP oder den Grünen regieren werde. "Dazu wird es aus Berlin keine Empfehlung geben", kündigte er an.

Vor fünf Jahren hatte die Union 32 Prozent der Stimmen auf sich vereinen können und regierte seitdem mit den Grünen und der FDP. Die Sozialdemokraten waren 2017 auf 27 Prozent gekommen, haben also noch deutlich verloren, die Grünen haben sich von knapp 13 Prozent erheblich verbessert.

Stimmberechtigt waren in Schleswig-Holstein etwa 2,3 Millionen Bürgerinnen und Bürger. Zur Wahl standen 16 Parteien, drei mehr als vor fünf Jahren. Gewählt wurden in mehreren Städten auch die Bürgermeister.

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