Grüne und Linke in Sachsen :Mit Plan B in den Landtag

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Nam Duy Nguyen tritt für die Linke in Leipzig an und hofft auf ein Direktmandat für den sächsischen Landtag. (Foto: Nora Börding)

Für Grüne und Linke in Sachsen dürfte es eng werden mit der Fünfprozenthürde. Scheitern sie, profitiert auch die AfD. Deshalb mischt nun die Kampagnenplattform Campact mit.

Von Johannes Bauer, Leipzig

Um bei einer Wahl erfolgreich zu sein, muss eine Partei nicht unbedingt die meisten Wähler hinter sich versammeln – es reicht, wenn es genug Wähler an den richtigen Stellen sind. Bald dürfte sich das wieder in den USA zeigen; dort unterlag aufgrund des Mehrheitswahlrechts Hillary Clinton einst Donald Trump, obwohl sie gut 2,8 Millionen Stimmen mehr erhielt als er. In einem viel kleineren Maßstab gilt das auch bei der sächsischen Wahl im September. Für den Einzug in den Landtag reichen einer Partei fünf Prozent aller Stimmen – oder zwei Direktmandate. Auch damit würde sie so viele Sitze bekommen, wie ihr nach dem prozentualen Zweitstimmenergebnis zustünden.

Interessant ist diese Regel vor allem für die Grünen und die Linke. Erstere liegen laut Umfragen mit sechs Prozent zwar etwas über dem Knick, wollen aber nichts riskieren. Für die Linke könnte es gar die einzige Möglichkeit sein. Ihr trauen aktuelle Umfragen nur drei bis vier Prozent der Stimmen zu. Auf dem Spiel steht für beide Parteien aber mehr als nur der Einzug in den sächsischen Landtag: Sollte eine daran scheitern, würde ein Teil ihrer Mandate auch an die AfD übergehen. Die hätte dann so viele Sitze, dass sie wichtige Vorhaben der Regierung verhindern und diese dadurch unter Druck setzen könnte.

Zwei würden reichen, doch Grüne und Linke hoffen beide auf drei Direktmandate

Noch aber ist Nam Duy Nguyen, der für die Linke im Landkreis Leipzig Mitte-Ost antritt, optimistisch: „Es ist auf jeden Fall Plan A, dass die Linke deutlich über fünf Prozent kommt.“ Bei den Kommunal- und Europawahlen habe das seine Partei schließlich auch geschafft. Schaut man sich in Leipzig um, grüßt Plan B von den Plakaten der Linken. Denn auf diesen lächelt Nguyen gemeinsam mit seinen Mitstreitern Marco Böhme und Juliane Nagel. Alle drei sollen für die Linke einen Leipziger Wahlkreis gewinnen.

Für seine Partei sei das eine „zusätzliche Lebensversicherung“, sagt Nguyen. Da er zum ersten Mal kandidiert und, wie er erzählt, aus ärmlichen Verhältnissen stamme, fehlt es ihm im Wahlkampf an Mitteln. Von der Kampagnenplattform Campact bekam er daher neben logistischer Unterstützung eine Spende über 25 000 Euro.

Die Aktivisten von Campact befürchten, dass die AfD bei der Wahl in Sachsen eine sogenannte Sperrminorität erreichen könnte. „Das ist unsere größte Sorge“, sagt Vorstand Felix Kolb. Dafür bräuchte die AfD mehr als 40 Sitze. Dies wäre der Fall, wenn die Partei ihren Umfragewert von 31 Prozent bestätigt und von der Linken oder den Grünen Sitze erhält, weil diese unter fünf Prozent bleiben und keine zwei Direktmandate erringen. „Die AfD könnte dann sämtliche Entscheidungen blockieren, für die es eine Zweidrittelmehrheit benötigt“, führt Kolb aus. Das sei etwa bei der Änderung der Verfassung oder der Geschäftsordnung des Landtags der Fall, aber auch bei der Wahl des Verfassungsgerichtshofs.

Wen Campact zur Wahl empfiehlt, das ist selbst ein kleines Politikum

Kolb glaubt, die AfD würde diese „Vetomacht“ ausnutzen und versuchen, politisch Profit daraus zu schlagen, selbst wenn die Landesregierung nur einen kleinen Punkt in der Geschäftsordnung ändern wollte. Deshalb unterstützt Campact Nam Duy Nguyen, Juliane Nagel und Claudia Maicher (Grüne) bei ihrer Kandidatur um das Direktmandat in Leipzig, dazu Thomas Löser (Grüne), der in Dresden antritt. Zu diesem Zweck verschicke man Mails mit einer Wahlempfehlung an alle Campact-Unterstützer in den vier besagten Landkreisen. „Damit erreichen wir rund 32 000 Wähler“, sagt Danny Schmidt, der die Kampagne organisiert. Dazu kämen Postwurfsendungen sowie Werbung in den sozialen Netzwerken, allerdings nur in zwei der vier Wahlkreise. In diesen beiden dürfte der Kampf um das Direktmandat nämlich besonders eng werden – in beiden Fällen konkurrieren ausgerechnet Linke und Grüne darum.

In seiner Wahlempfehlung stützt sich Campact auf die Ergebnisse der letzten Landtagswahl und den vergangenen beiden Kommunalwahlen. Darum erhält beispielsweise in Leipzig Claudia Maicher (Grüne) den Vorzug vor Marco Böhme (Linke), dafür aber auch Juliane Nagel (Linke) den Vorzug vor Gesine Märtens (Grüne). „Deshalb haben wir die finanzielle Unterstützung von Campact auch abgelehnt“, sagt die Grüne Landesvorsitzende Christin Furtenbacher. Es funktioniere für die Grünen nicht, dass man sich zwei ihrer drei Kandidaten, die um ein Direktmandat kämpften, herauspicke. Da sei man solidarisch und habe die Spende über jeweils 25 000 Euro deshalb abgelehnt.

Verstimmt klingt Furtenbacher jedoch nicht. Sie betont, anders als Nguyen, dass der Kniff mit den Direktmandaten für die Grünen eben keine „Lebensversicherung“ sei. „Wir kämpfen in Sachsen für ein starkes Zweitstimmenergebnis.“ Eine Sache räumt sie jedoch ein: dass strategisches Wählen bei diesen Landtagswahlen eine große Rolle spiele – womöglich eine größere als jemals zuvor.

Nach den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen diskutiert die SZ am 11. September im Münchner Künstlerhaus über die Stärke populistischer Parteien und den Zustand der deutschen Einheit. Gesprächspartner sind die Dramatikerin und Essayistin Anne Rabe („Die Möglichkeit von Glück“) und der Historiker und Publizist Ilko-Sascha Kowalczuk („Freiheitsschock - Eine andere Geschichte Ostdeutschlands von 1989 bis heute“). Karten gibt es hier.

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