Landtagswahl im Saarland:Der Lafontaine-Effekt

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Protest und Personalisierung: Das Kalkül von Oskar Lafontaine ist im Saarland aufgegangen. Der Linken-Chef hat die Politikverdrossenen an die Urnen gelockt. Nun kann sich Lafontaine als Wahlsieger gerieren - ein zweites Mal dürfte ihm ein solcher Triumph nicht gelingen.

Oliver Das Gupta, Saarbrücken

Am Morgen nach dem Wahltag begegnet den Saarbrückern überall der große Sieger des Abends. Linkenchef Lafontaine ist hundertfach plakatiert, auf den Postern ist in dicken Lettern "Oskar wählen" gedruckt.

"De Oskar" mobilisierte im Saarland seine Anhänger. (Foto: Foto: AP)

Die Wahlplakate wirken im Vergleich zu denen der Politkonkurrenz bieder, wie aus den achtziger Jahren. Aber womöglich kalkulierte Lafontaine auch gerade auf diese Wirkung: Starke Personalisierung, bloß kein Glamour - einfach nur "de Oskar."

Man kennt ihn von früher, als er Saarbrücker Oberbürgermeister war und später Ministerpräsident. Das Saarland hat weniger Einwohner als München, wahrscheinlich hat fast jeder Wahlberechtigte den Bäckerssohn aus Saarlouis schon einmal persönlich erlebt.

So hatte Lafontaine große Anstrengungen im Wahlkampf gar nicht nötig. Nur wenige Mal trat der Linkenchef im Saarland auf - sein SPD-Rivale Heiko Maas tourte viele Monate lang.

Die einen schätzen "de Oskar", die anderen hegen eine tiefe Abneigung. Letztere nehmen ihm sein Verhalten seit 1998 übel. Seine Flucht als Finanzminister und sein lautstarker Populismus hat viele vergrätzt, die ihn früher gewählt haben. Die Forschungsgruppe Wahlen ermittelte einen Imagewert von -0,7.

Doch das stört Lafontaine kaum, es gehört zu seinem Kalkül. Wer polarisiert, mobilisiert sein Wählerpotential und schärft sein Profil bei der Anhängerschaft. Dort ist Lafontaines Persönlichkeitswert mit 3,3 dementsprechend hoch.

Beim Urnengang am Sonntag verwandelte sich der Lafontaine-Effekt in Stimmen: 59 Prozent der Saarländer, die die Linkspartei wählten, nannten als Motiv den Spitzenkandidaten. Der Umstand, dass der Linke-Vorsitzende sowohl bei der Saar-Wahl, als auch bei der zum Bundestag am 27. September als Spitzenkandidat antritt, verprellte niemanden - im Gegenteil: Es zog.

Bemerkenswert ist die deutlich gestiegene Wahlbeteiligung, an der der Oskar-Faktor vermutlich seinen Anteil hat. Sie schnellte laut Infratest dimap auf 67 Prozent. 2004, in der Hochphase der Agenda-2010-Depression, nahmen nur 55,5 Prozent der Wahlberechtigen an der Saar ihr Stimmrecht in Anspruch. Aber da war Lafontaine ja noch in der SPD.

Nach seinem Wechsel zur WASG und der anschließenden Bildung der Linkspartei 2005 beackert der bald 66-Jährige weiter die großen innenpolitischen Themenfelder: Er wettert gegen Hartz IV, die "Zerstörung der Rentenformel", Spitzenmanager, deren Missmanagement und Millionengehälter.

Im vom Strukturwandel gebeutelten Saarland fand das großen Anklang. Bei den Arbeitslosen ist die Linke nun stärkste Partei - ein Umstand, den Lafontaine am Wahlabend stolz hervorhob. In den Gruppen, wo die Politikverdrossenheit am größten ist, konnte Lafontaine punkten. Er setzte auf das Potential der Protestwähler - erfolgreich.

Oskar Lafontaine
:Der Trommler von der Saar

Linker Scharfmacher oder der gefährlichste Mann Europas wurde er von Kritikern genannt. Oskar Lafontaine hatte noch viel vor. Nun bremst ihn ein Krebsleiden.

Als eigentlicher Wahlsieger geriert sich Oskar Lafontaine nun, verkündet bereits, was sich alles ändern wird an der Saar, in der Schulpolitik, bei den Studiengebühren. Allerdings wird er an der neuen Regierung nicht persönlich beteiligt sein.

Es ist nicht einmal sicher, dass die Linke an die Schalthebel der Macht darf. Schließlich können die Grünen entscheiden, ob sie lieber mit SPD und Linken koalieren oder ein Jamaika-Bündnis mit Union und FDP wagen wollen.

Lafontaine ficht das nicht an: Er gibt den Königsmacher. Ohne ihn wäre eine Wende im Saarland nicht möglich gewesen, das wissen auch die politischen Mitbewerber. Er wird vermutlich in großer Pose die Koalitionsverhandlungen führen - und sich dann wieder Berlin zuwenden. Er machte bereits vor Monaten klar, nur als Ministerpräsident nach Saarbrücken zu wechseln.

Fast aus dem Stand 21,3 Prozent: Oskar Lafontaine hat auch für sich selbst diesen Erfolg dringend gebraucht. Nach Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise war der Siegeszug der Linken zum Erliegen gekommen, die Umfragewerte dümpelten im Super-Wahljahr, trotz - aus Lafontaines Sicht - günstiger Rahmenbedingungen. Die Bürger schienen in der krisenhaften Zeit mehr den Politikern der regierenden Parteien als dem Polterer von Linksaußen zu trauen.

Dazu kommt das Binnenklima der Linken. Immer lauter wurde die Kritik an dem autokratischen Führungsstil des Saarländers. Angesichts des Wahlerfolges im Westen der Republik werden die Kritiker leiser werden. Zumindest bis zur Bundestagswahl.

Ein zweites Mal dürfte Oskar Lafontaine ein solcher Triumph im Saarland nicht gelingen. Bei der nächsten Wahl wird die Linke möglicherweise Regierungsarbeit rechtfertigen müssen - kein leichtes Unterfangen im Saarland, wo die Arbeitslosigkeit grassiert und die Schulden sich türmen. Außerdem dürfte bei der Wahl 2014 der Spitzenkandidat nicht mehr Lafontaine heißen - er wird Mitte September 66 Jahre alt.

Auf den Altersaspekt setzen auch die Genossen seiner Ex-Partei SPD. "Der Oskar wird ja nicht ewig weitermachen", sagt am Wahlabend einer, der ihn seit vielen Jahren persönlich kennt, "als Methusalem wird selbst der nicht mehr gewählt."

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