Ist das besondere Konkurrenz oder besondere Nähe? Daniela Schmitt, die Spitzenkandidatin der FDP in Rheinland-Pfalz, hat ihre Wahlkampfzentrale im alten Mainzer Proviant-Magazin eingerichtet. Und zwar im Stockwerk direkt über dem Quartier der SPD und deren Spitzenkandidatin Malu Dreyer. Der hat sie fünf Jahre lang als Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium gedient, in einer von SPD, Grünen und FDP getragenen Koalition.
Die 48-jährige Bankbetriebswirtin hatte es schwer im Wahlkampf: Wirtschaftsminister Volker Wissing war in Berlin FDP-Generalsekretär geworden und kritisierte dort eine Corona-Politik, die er in Mainz umzusetzen half. Und auch Daniela Schmitt musste die bei der FDP-Basis mäßig beliebte Ampelkoalition verteidigen und doch irgendwie Opposition sein.
Die Umfragen verhießen da nichts Gutes, die FDP verharrte an der Fünf-Prozent-Grenze. Das lud ein zu Planspielen: Was ist, wenn die FDP aus dem Landtag fliegt? Finden dann Schwarze und Grüne zusammen oder Schwarze und Rote - unter einem CDU-Ministerpräsidenten Christian Baldauf? Schließlich lag die Union mit ihrem Spitzenkandidaten Baldauf in allen Umfragen vor der SPD.
Doch eine Woche vor der Wahl hat sich die Lage grundlegend geändert: Die FDP scheint mit einiger Sicherheit auch im künftigen Landtag vertreten zu sein; in der aktuellen Umfrage der Mannheimer Forschungsgruppe Wahlen steht sie bei sieben Prozent, bei Infratest Dimap sogar bei neun Prozent.
Vor allem aber liegt nun die SPD in beiden Umfragen vor der CDU. Bei Infratest Dimap ist der Vorsprung knapp: Würde schon diesen Sonntag gewählt, käme die SPD auf 30 Prozent, die CDU auf 28. Die Forschungsgruppe Wahlen sieht einen deutlicherem Vorsprung: SPD 33 Prozent, CDU 29 Prozent. Die Strategie der SPD scheint aufzugehen, ganz auf die Ministerpräsidentin zu setzen. Wer die beliebte Malu Dreyer will, muss die SPD wählen.
Die Grünen haben eine Affäre locker weggesteckt
Wäre der Posten des Landeschefs, der Landeschefin per Direktwahl zu vergeben, wäre die Sache ohnehin klar. Bei Infratest Dimap würden sich 53 Prozent für Dreyer und 29 Prozent für Baldauf entscheiden, bei der Forschungsgruppe Wahlen steht es gar 59 zu 28 für Dreyer. Ob Kohl oder Vogel, Scharping, Beck oder jetzt Dreyer: Die Landeschefs waren und sind traditionell beliebt in Rheinland-Pfalz. Die Corona-Krise verstärkt das noch. Es war auch an Rhein und Mosel das Jahr der Frau an der Spitze der Exekutive.
Die Grünen wiederum haben die Affäre um rechtswidrige Beförderungen im Umweltministerium einigermaßen heil überstanden. Spitzenkandidatin ist die 40-jährige Sozial- und Umweltministerin Anne Spiegel, sie zählt zur pragmatischen Baerbock-Habeck-Generation und kann mit elf beziehungsweise zwölf Prozent der Stimmen rechnen. Die AfD liegt in beiden Umfragen stabil bei neun Prozent. Die Linke bleibt wohl unter der Fünf-Prozent-Marke. Es spricht also einiges dafür, dass in Mainz die Ampelkoalition fortgesetzt wird - außer, es reicht für Rot-Grün im Land. Dann wiederum spricht viel dafür, dass die FDP in die Opposition geht.
Normalerweise würde jetzt die heißeste Phase des Wahlkampfs beginnen, der Kampf um die vielen Spätentscheider. Diesmal aber haben viele Wählerinnen und Wähler bereits ihre Stimme per Briefwahl abgegeben, in der Landeshauptstadt Mainz waren es am Mittwoch fast 46 Prozent. Vielleicht hat das Wahlvolk ja schon vor dem Wahltag entschieden, es weiß nur noch niemand.