Nach den Landtagswahlen:Schwierige Regierungsbildung im Osten

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Friedrich Merz (links) gratuliert am Montag Michael Kretschmer (Mitte) und Mario Voigt. (Foto: Odd Andersen/AFP)

Sachsens Ministerpräsident will mit SPD und BSW über eine Koalition sprechen. In Thüringen ist ein Bündnis ohne Zustimmung der Linken nicht denkbar. Das schließt CDU-Chef Merz bisher aus.

Von Jan Bielicki, München

Die Zahlen, um die Sachsen und Thüringen nach den Wahlen vom Sonntag herumrechnen, lauten 61 und 45. 61 Sitze im Landtag in Dresden, 45 Sitze im Landtag in Erfurt – das wären die knappsten Mehrheiten, auf die sich eine künftige Koalition im jeweiligen Land rechnerisch summieren müsste, um in den nächsten fünf Jahren stabil regieren zu können. Am Tag nach dem Wahlgang zeichnet sich ab, dass die Bildung einer solchen Regierung in beiden Ländern nicht nur mathematisch sehr schwierig werden könnte.

„Die Wahlergebnisse sind bitter“, schrieb Bundeskanzler Olaf Scholz am Montag in einer ersten Reaktion im Netzwerk Instagram. Scholz bezog das zunächst auf die nur einstelligen Prozentwerte seiner eigenen SPD, aber angesichts der Erfolge der rechtsextremen AfD, die in beiden Ländern fast ein Drittel der Wähler für sich gewonnen hatte, auch auf die Republik: „Daran kann und darf sich unser Land nicht gewöhnen“, erklärte Scholz: „Alle demokratischen Parteien sind nun gefordert, stabile Regierungen ohne Rechtsextremisten zu bilden.“

Merz pocht auf den Beschluss, nicht mit der Linken zusammenzuarbeiten

Nur wie? In Sachsen hat der Landeswahlleiter am Montag zwar die in der Nacht zuvor verkündete Verteilung der Mandate noch einmal korrigiert. Weil die amtlichen Computer falsch gerechneten hatten, bekommen SPD und Grüne auf Kosten von CDU und AfD jeweils einen Sitz mehr im Landesparlament. Für die AfD bedeutet das, dass sie – anders als in Thüringen – in Sachsen nun doch keine Sperrminorität hat, mit der sie mit Zweidrittelmehrheit zu treffende Entscheidungen blockieren könnte. Für die bisherige schwarz-rot-grüne Regierungskoalition von Ministerpräsident Michael Kretschmer reicht es aber trotzdem nicht zur Mehrheit. Dafür müsste Kretschmer einen seiner bisherigen Koalitionspartner tauschen gegen den überraschend stark in beide Landtage gewählten Neuling: das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW).

In Thüringen ist die Rechnung noch komplizierter zu lösen: Sogar im Bündnis mit der SPD und dem BSW käme CDU-Landeschef Mario Voigt nur auf ein numerisches Patt mit AfD und Linken. Bisher hatte seine CDU eine Zusammenarbeit sowohl mit den Rechtsextremen wie mit der Linken gleichermaßen abgelehnt. Bundesparteichef Friedrich Merz betonte am Montag bei einem Auftritt mit Kretschmer und Voigt, dieser Unvereinbarkeitsbeschluss der CDU gelte weiter.

Die Linke kann sich vorstellen, die Regierung zu tolerieren

Thüringens Linke hatte sich zuvor „offen“ dafür gezeigt, eine CDU-geführte Minderheitsregierung im Land zu tolerieren. „Wir sind da deutlich entspannter, weil wir uns der Verantwortung unserer Partei für das Land bewusst sind“, sagte ihr Landesparteichef Christian Schaft. Voigt erklärte, man werde „jetzt ausloten, welche Möglichkeiten unter diesen schwierigen Rahmenbedingungen machbar sind“. Dazu wolle er zunächst mit der SPD und dem BSW sprechen. Eine solche Koalition ist wohl auch das Ziel Kretschmers. Eine Übereinkunft mit dem BSW hält Sachsens Ministerpräsident für machbar: „Es wird nicht einfach sein, es wird auch seine Zeit dauern, aber es ist möglich“, sagte er im Deutschlandfunk.

Das BSW erklärte sich bereit für solche Gespräche. „Wir werden mit allen demokratischen Fraktionen im Landtag sprechen“, sagte die Thüringer Spitzenkandidatin Katja Wolf. Ähnlich äußerte sich die sächsische BSW-Spitzenfrau Sabine Zimmermann. Mitreden will aber auch die Vorsitzende und Namensgeberin der Partei, die weder in Sachsen noch in Thüringen zur Wahl stand: „Wer mit uns koalieren möchte, muss auch mit mir sprechen“, sagte Wagenknecht am Montag. Sie unterstrich ihre Forderung, dass eine Landesregierung mit BSW-Beteiligung sich gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und das Stationieren von US-Raketen in Deutschland positionieren müsse. Diese Haltung müsse auch der jeweilige Ministerpräsident nach außen vertreten.

Das jedoch lehnen die Christdemokraten ab. „Weltpolitik wird nicht in Thüringen entschieden“, sagte Voigt. Ähnlich ablenkend äußerte sich Kretschmer, der im Wahlkampf selbst wiederholt Skepsis an der Berliner Ukraine-Politik ausgedrückt hatte: „Wir koalieren nicht mit Frau Wagenknecht, sondern mit Menschen, die in den sächsischen Landtag gewählt worden sind.“

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