MeinungLandtagswahlen:Der Osten grünt

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Kommentar von Constanze von Bullion

Lesezeit: 2 Min.

Mit Vorwärtsdrang: die grünen Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock (rechts) und Robert Habeck (l), sowie Katja Meier und Wolfram Günther am Rande der Klausurtagung der Partei vor dem Dresdener Zwinger.
Mit Vorwärtsdrang: die grünen Bundesvorsitzenden Annalena Baerbock (rechts) und Robert Habeck (l), sowie Katja Meier und Wolfram Günther am Rande der Klausurtagung der Partei vor dem Dresdener Zwinger. (Foto: dpa)

Klimawandel und die Angst vor Rechts bescheren den Grünen in Ostdeutschland neue Wähler. Aber die Probleme der Partei beginnen erst.

Grüner Wahlkampf in Ostdeutschland, das war in den letzten drei Jahrzehnten eine ziemlich trostlose Angelegenheit. Trotz mutiger Bürgerrechtler und friedlicher Revolution, trotz verheerender Umweltschäden zum Ende der DDR und trotz des Aufbruchs in eine selbstbestimmte Zivilgesellschaft 1989 - die grünen Ideen sind in Ostdeutschland nach der Wende bald vermickert. Zu westdeutsch, zu kapitalismuskritisch, zu antiautoritär kam die Partei vielen ehemaligen DDR-Bürgern daher, einstigen Oppositionellen auch zu hochmütig. Und heute? Treibt das dürre Pflänzchen langsam wieder aus. Es grünt da was in ostdeutschen Städten. Auch weil es in der AfD jetzt einen gemeinsamen Feind gibt.

Für die Landtagswahl am kommenden Sonntag in Brandenburg haben Wahlforscher den Grünen zuletzt 14 Prozent vorhergesagt. Vor einigen Jahren, als die Partei noch froh war, überhaupt wieder im Potsdamer Landtag zu sitzen, wären solche Prognosen als Größenwahn abgetan worden. In Sachsen sieht es nicht ganz so gut aus für die Grünen. Aber auch dort werden ihnen zwischen zehn und zwölf Prozent prophezeit. In beiden Bundesländern wird ohne Grüne wohl keine Regierung zu bilden sein, wenn denn die AfD außen vor bleiben soll.

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Ohne Rechtsruck gäbe es kein grünes Regieren im Osten

Aus dem Abseits auf die Regierungsbank - am kommenden Sonntag könnten Ostdeutschlands Grüne einen Riesensatz nach vorn machen. Kommt es so, haben sie das nicht nur ausgewanderten Wessis und Speckgürtelbewohnern rund um Berlin zu verdanken. In Städten wie Leipzig, Dresden oder Potsdam, wo die Grünen bei der Europawahl stärkste Kraft wurden, gedeihen grünliche Milieus.

Wähler sind das, die nicht zwingend reicher, oft aber gebildeter sind als Landbewohner, in Universitätsstädten auch jünger. Ostdeutsche Intellektuelle und Antifaschisten aller Sorten, die früher eher zur Linkspartei tendierten, wenden sich bisweilen den Grünen zu, auch weil der Streit ums Erbe der Stasi aus dem Fokus rückt. Hinzu gesellen sich flüchtende SPD-Wähler, in einigen Fällen auch Bauern, denn der Hitzesommer hat Ostdeutschland besonders hart getroffen.

Nun haben die Grünen es nicht gern, als Profiteure einer Krise dazustehen. Den neuen Zulauf im Osten aber gäbe es nicht ohne den Klimawandel und auch nicht ohne die Popularität rassistischer und rechtsextremer Weltbilder. Grünenchefin Annalena Baerbock sagte am Montag, ihre Partei sei ein "Garant gegen den Rechtsruck". Im Umkehrschluss heißt das aber auch: ohne Rechtsruck kein grünes Regieren in Ostdeutschland.

Bald dürfte diskutiert werden, wie die Partei dort eigentlich erfolgreich Politik machen will. Soll in Sachsen ohne AfD regiert werden, müssen die Grünen vermutlich mit der rechtslastigen sächsischen CDU koalieren. Beim Thema Einwanderung oder CO₂-Steuer sei im Pendlerland Sachsen schon mal viel Vergnügen gewünscht. In Brandenburg wiederum wird die Öko-Partei sich wohl den Braunkohlefreunden von der SPD andienen müssen, um Regierungsfähigkeit zu beweisen. Und der beschleunigte Kohleausstieg in der Lausitz, den die Grünen seit Jahren fordern? Wird vermutlich, nun ja, höheren Werten geopfert: der Rettung der Demokratie vor der AfD. Man kann das Pragmatismus nennen - oder Aufbruch in Beliebigkeit. Wollen Ostdeutschlands Grüne nicht zurück in die Nische, stehen ihnen harte Zeiten bevor.

© SZ vom 27.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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