Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl:Mainzer Zünglein

Die Grünen in Rheinland-Pfalz profitieren kaum von ihrer Regierungsarbeit und liegen im einstelligen Prozentbereich. Doch bald könnte es auf die Partei ankommen.

Von Susanne Höll, Mainz

In Baden-Württemberg könnten die Grünen bei der Wahl am 13. März womöglich wieder stärkste Partei werden. Im Nachbarland Rheinland-Pfalz, wo am selben Tag ein neuer Landtag bestimmt wird, muss die Partei dagegen froh sein, wenn sie mit respektablem Abstand die Fünf-Prozent-Hürde nimmt. Die zwischenzeitliche Angst, aus dem Parlament zu fliegen, ist zwar gewichen; um die acht Prozent könnten es laut Umfragen immerhin noch werden. Das ist gerade einmal halb so viel wie 2009, als die Atomkatastrophe von Fukushima die Partei aus der außerparlamentarischen Opposition in den Landtag und gleich als Juniorpartner ins Kabinett mit der SPD hievte. Was ist los mit diesen Grünen? Die für die Partei einigermaßen ernüchternde Antwort lautet: In der Regierung haben sie über ihre Kernklientel hinaus keine nennenswerte Popularität hinzugewinnen können.

Die grüne Politik und ihr Spitzenpersonal - Vize-Regierungschefin und Wirtschaftsministerin Eveline Lemke, Integrationsministerin Irene Alt und die Umwelt-Ressortchefin Ulrike Höfken mitsamt Fraktionschef Daniel Köbler - haben viele Wähler eher verstört als beflügelt. Die Energiewende, verbunden mit dem vielerorts ungeliebten Ausbau der Windenergie, die Verkehrspolitik, die auf Erhalt statt Neubau setzt und den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, goutieren Rheinländer und Pfälzer nicht - insbesondere dann, wenn sie zu den Pendlern gehören. Sie wünschen sich breitere Autobahnen und neue große Brücken.

Die Regierungsgrünen haben das Bundesland in den vergangenen fünf Jahren ökologisch vorangebracht, wenngleich zu manchmal hohen Preisen. Ohne ihr Drängen hätte es den ersten Landesnationalpark Hunsrück-Hochwald nicht gegeben. Honoriert wird ihnen das jedoch nur äußerst spärlich. Das liegt womöglich auch daran, dass der Partei an Rhein und Mosel - anders als etwa in Baden-Württemberg, Hessen - eine stabile kommunale Verankerung fehlt. Grüne Bürgermeister sind hier vergleichsweise rar.

Die überaus quirlige Wirtschaftsministerin Lemke konnte zu ihrem Leidwesen zudem bei Industrie- und Wirtschaftsverbänden nicht besonders punkten. Große Unternehmen gingen lieber gleich zu Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), wenn sie Probleme und Anliegen hatten. Wenn die FDP in gut zwei Wochen wieder in den Landtag einziehen sollte, hat sie das auch der Sehnsucht etlicher mittelständischer Unternehmer nach traditioneller Wirtschaftspolitik zu verdanken.

Das große, alle anderen Fragen überdeckende Thema unterschätzten die Grünen mitsamt der Ministerin Alt vor einem Jahr: den wachsenden Andrang von Flüchtlingen nach Deutschland. Zusammen mit der SPD erteilten sie den Forderungen der CDU-Herausforderin Julia Klöckner nach einem Landesgipfeltreffen mit den Kommunen eine Absage. Das sei unnötig, man habe alles im Griff, hieß es damals. Ein Fehler, meinten selbst SPD-Politiker in Mainz. Und sprangen dennoch den Grünen bei. Inzwischen spricht auch die SPD von Zuwanderungsbegrenzung, von den Grünen sind solche Töne kaum zu hören, auch das ein Gegensatz zur Kretschmann-Partei in Baden-Württemberg. Die Zusammenarbeit in der Mainzer Koalition verläuft und verlief lautlos unter Ministerpräsidentin Dreyer. Die Partner schätzen und schonen sich. Eine Neuauflage von Rot-Grün wird es aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr geben, dazu sind beide Parteien zu schwach. Im Wahlkampf behaupten beide, dennoch für ihre Traumkonstellation zu kämpfen.

Trotzdem haben auch die Grünen gelernt und halten sich alle Optionen für andere Regierungsbeteiligung offen - mit Ausnahme natürlich der AfD, die in den Landtag einziehen dürfte. Zwar hatte es von der eher links ausgerichteten Basis immer wieder Versuche gegeben, eine Kooperation mit den Christdemokraten per Parteibeschluss formell auszuschließen, sie wurden allerdings mehrheitlich abgelehnt. Für ein Bündnis mit der CDU nach hessischem Vorbild würde es, wenn man den Demoskopen glaubt, ohnehin rechnerisch nicht reichen. Gut möglich aber, dass die Grünen neben der FDP als weiterer Partner für eine Koalition gebraucht werden, von der Wahlsiegerin, die entweder Dreyer oder Klöckner heißen wird.

Ob die sperrige grüne Basis einem Jamaika-Trio unter Klöckner zustimmen würde, ist jedoch fraglich. Zumal insbesondere die Spitzenkandidaten Lemke und Köbler die CDU-Politikerin hart angreifen. Aber auch im hessischen Landtagswahlkampf 2013 hatten sich Grüne und Schwarze befehdet. Inzwischen regieren sie gemeinsam in Wiesbaden, ziemlich harmonisch sogar.

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SZ vom 26.02.2016
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