Landtagswahl:Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein steht

Koalitionsverhandlungen Schleswig-Holstein

Landeschef der CDU in Schleswig-Holstein, Daniel Günther, nach den Verhandlungen.

(Foto: dpa)

Nach dem Verhandlungsmarathon knallen bei CDU und FDP in Kiel die Korken - nur den Grünen ist nicht nach Feiern zumute.

Von Thomas Hahn, Kiel

Auf einmal wehte eine neue Stimmung durchs Landeshaus in Kiel. Die angespannte Atmosphäre des Verhandlungsmarathons löste sich, beschwingte Töne hallten durch die Säulengänge. "Ein historischer Tag für die CDU in Schleswig-Holstein", rief der parlamentarische Geschäftsführer Hans-Jörn Arp in sein Handy, und wer nicht hellauf begeistert war am Ende der Koalitionsverhandlungen von CDU, FDP und Grünen, wirkte jetzt wenigstens erleichtert, gelöst, zufrieden.

Nach drei Wochen der Gespräche und Kämpfe ist nun der Vertrag da, der die drei sehr unterschiedlichen Parteien in einer gemeinsamen Regierungskoalition vereint. "Es gibt keine Dissenspunkte mehr", verkündete CDU-Chef Daniel Günther am Dienstagabend nach der Sitzung der Steuerungsgruppe mit jeweils vier Vertretern der verhandelnden Parteien. Das war das Zeichen: Die zweite Jamaika-Koalition in der Geschichte der Bundesrepublik steht.

Kubicki: "Wo bauen wir Hanf an?"

Eine Runde musste das neue Werk an diesem bewegten Verhandlungstag nach dem Erfolg der Steuerungsgruppe noch überstehen: Die 36-köpfige "Große Verhandlungsrunde" hatte letzte Fragen zu klären, und Monika Heinold, die grüne Verhandlungsführerin, stellte noch einmal fest, wie wichtig es sei, dass die Abmachungen der Parteispitzen auch im großen Kreis auf Zustimmung träfen.

Aber schon die gelassene Art, mit der die meisten Teilnehmer in den CDU-Sitzungsraum Ostsee bogen, zeigte, dass die Laune bei den Beteiligten gut war: "Die Zuversicht ist zu Recht groß", sagte Daniel Günther. Und auf die Frage, was überhaupt noch zu besprechen sei, sagte der immer schlagfertige Wolfgang Kubicki: "Das einzige, was noch offen ist: Wo in Schleswig-Holstein bauen wir Hanf an?" Das Jamaika-Klischee beflügelte offensichtlich den Humor des FDP-Fraktionschefs. Oder war das doch ein Hinweis auf die liberale Drogenpolitik der neuen Koalition?

Die vergangenen drei Wochen waren anstrengend für die Beteiligten. Einmal standen die Verhandlungen sogar auf der Kippe, weil die Temperamente von Grünen und Freidemokraten aufeinanderprallten. Die Grünen wollten empfindliche Nachbesserungen zu einem Papier der Arbeitsgruppe Wirtschaft und Verkehr. Die FDP fand das so unmöglich, dass Kubicki die Überlebenschancen der Verhandlungen zwischenzeitlich nur noch "bei 20 Prozent" sah. Auch sonst waren viele Gespräche zäh und geprägt von den unterschiedlichen Weltbildern der Parteien, gerade bei den Themen Bildung und Landwirtschaft.

Koalitionsvertrag mit Kompromissen

Es war allerdings auch zu vernehmen, dass das Gesprächsklima meistens konstruktiv und respektvoll gewesen sei. Vor allem der designierte Ministerpräsident Günther machte einen sehr ausgleichenden Eindruck. Der Koalitionsvertrag, den die Parteien an diesem Mittwoch vorstellen wollen, enthält zahlreiche Kompromisse, die alle beteiligten Parteien als Erfolg verkaufen können. Gerade der Dienstag war in dieser Hinsicht noch mal ergiebig: Zum Beispiel in der G9-Frage. Die CDU hatte im Wahlkampf gesagt, sie wolle das achtstufige Gymnasium wieder durch das neunstufige ersetzen.

Die Grünen waren gegen den Wechsel, auch die FDP distanzierte sich davon. Der neue Koalitionsvertrag sieht nun die Wiedereinführung von G9 vor, aber auch eine einmalige Wahlmöglichkeit für die Schulen, ihr bisheriges G8 oder G8/G9-Mischsystem beizubehalten. Beim Thema Windkraft einigten sich die Parteien auf neue Abstandsregelungen und Repowering von Altanlagen. Und beim Thema Flüchtlinge auf eine Abschiebepraxis, die jede einzelne Rückführung in Länder mit unübersichtlicher Sicherheitslage nach humanitären Gesichtspunkten prüft.

"Wir haben es geschafft, eine Zukunftsvision für Schleswig-Holstein aufzuschreiben, in der sich alle Parteien wiederfinden", sagte Heiner Garg, der Verhandlungsführer der FDP. "Wir haben geschafft zu betonen, was uns eint", sagte Monika Heinold. Alles klang sehr gut. Es sollte in diesem Augenblick keine falsche Erinnerung aufkommen an das erste Jamaika-Bündnis von 2009 im Saarland; das hielt nämlich nur etwas mehr als zwei Jahre.

Grüne müssen Mitgliederbefragung durchführen

Neun Stunden hatte die Steuerungsgruppe getagt. "Wir haben miteinander gerungen", sagte Daniel Günther, "aber immer fröhlich, immer friedlich." Die Große Verhandlungsrunde war dagegen schon nach 75 Minuten zu Ende. Beifälliges Klopfen beendete am späten Abend eine Sitzung, in der es kaum noch Fragen gab. "Sie sehen mich unrasiert, aber ausgesprochen glücklich und zufrieden", sagte Heiner Garg. CDU-Mann Arp brachte Sekt.

Nur die Grüne Monika Heinold wirkte etwas weniger entspannt. Aus gutem Grund. Sie muss erst noch die Basis ihrer Partei vom Vertrag überzeugen, ehe am 28. Juni der neue Ministerpräsident mit Jamaika-Stimmen gewählt werden kann. Anders als bei der FDP ist das Ja aus der Mitgliederbefragung bei den Grünen verbindliche Voraussetzung für die Regierungsbeteiligung. "Bei uns gibt es keinen Sekt", sagte Monika Heinold deshalb, "weil bei uns jetzt die Mitglieder dran sind."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: