Süddeutsche Zeitung

Landtagswahl in Südtirol:Desaster für FPÖ-Ableger

  • Aus der Wahl in der norditalienischen Provinz geht die konservative SVP trotz Verlusten als stärkste politische Kraft hervor.
  • Die Freiheitlichen, die Schwesterpartei der österreichischen FPÖ, verloren mehr als die Hälfte ihrer Wähler.
  • Großen Zuspruch erhielten der Unternehmer Paul Köllesperger mit seiner Liste sowie die europafeindliche Lega von Innenminister Salvini.
  • Die Regierungsbildung in Bozen dürfte schwierig werden, weil das Autonomiestatut eine besondere Bedingung vorsieht: sowohl die deutsche als auch die italienische Sprachgruppe muss im Regierungslager vertreten sein.

Bei der Landtagswahl in Südtirol gab es zum Teil einschneidende Veränderungen in der politischen Gemengelage, die sich auch auf die Regierungsbildung auswirken dürften. Die seit Jahrzehnten regierende Volkspartei SVP hat Verluste eingefahren, bleibt aber mit deutlichem Abstand stärkste politische Kraft im Bozner Landtag. Dem provisorischen Endergebnis zufolge erreichten die deutschsprachigen Konservativen 41,9 Prozent. Bei der Wahl 2013 lag der Wert bei 45,7 Prozent. Demnach kann Arno Kompatscher weiterhin als Landeshauptmann regieren. 73,9 Prozent der 382 964 Wahlberechtigten gaben ihre Stimme ab. 2013 lag die Wahlbeteiligung noch bei 77,7 Prozent.

Spektakulär sind die Ergebnisse anderer Mitbewerber: Der Unternehmer Paul Köllensperger kam mit seiner eigenen Liste mit 15,2 Prozent auf den zweiten Platz. Vor fünf Jahren war er für die Fünf-Sterne-Bewegung in den Landtag in Bozen eingezogen, verließ sie dann aber. Einen großen Erfolg kann auch die radikal rechte Lega verbuchen: Die Partei des italienischen Innenministers Matteo Salvini kam auf 11,1 Prozent - ein sattes Plus zu 2013, als sie nur 2,5 Prozent erreichte.

Die Freiheitlichen, eine Schwesterpartei der österreichischen FPÖ, schnitten desaströs ab. Die Partei erreichte bei der letzten Wahl 17,9, nun nur noch 6,2 Prozent. Die noch weiter rechts positionierte Südtiroler Freiheit verlor mehr als einen Prozentpunkt und kam auf 6,0 Prozent. Beide Parteien hatten im Wahlkampf auf das Thema "Doppelpass" gesetzt, den die FPÖ in Wien zur Regierungspolitik gemacht hatte: Demnach sollte den deutsch- und ladinischsprachigen Südtirolern zum italienischen auch der österreichische Pass angeboten werden. Doch das Thema scheint nicht verfangen zu haben, dazu kamen bei den Freiheitlichen interne Querelen.

Die Grünen liegen bei 6,8 Prozent, knapp zwei Punkte unter ihrem Ergebnis von vor fünf Jahren. Die bisher in Bozen mitregierende sozialdemokratische Partito Democratico (PD) rutschte auf 3,8 Prozent ab (2013: 6,7). Zu den neun im Landtag vertretenen Parteien gehört auch die Fünf-Sterne-Bewegung (2,4 Prozent) und die neofaschistische L'Alto Adige nel cuore Fratelli D'Italia uniti (1,7 Prozent).

Die Regierungsbildung in Bozen verkompliziert sich zusätzlich durch regionale Besonderheiten. Das Autonomiestatut sieht vor, dass sowohl die deutsche als auch die italienische Sprachgruppe im Regierungslager vertreten sein muss. Eine von der SVP angestrebte Zweierkoalition wäre unter diesen Umständen nur mit der Lega möglich. Diese Kombination gilt wiederum als kaum machbar, denn in vielen Punkten ist die betont proeuropäische SVP völlig verschieden von der EU-feindlichen Lega.

Einheimische Beobachter entwerfen inzwischen ein weiteres Szenario: Wenn einer der sechs Köllensperger-Angeordneten auf das Mandat verzichtete, würde eine italienischsprachige Parteifreundin in den Landtag nachrücken. Dann wäre wohl die Bedingung des Autonomiestatuts erfüllt.

Von Österreich abgetrennt, Italien zugeschlagen

Bislang hatte die SVP mit der sozialdemokratischen PD koaliert. Dem aktuellen Wahlergebnis zufolge hätte auch ein Dreier-Bündnis von SVP mit der PD und den Grünen eine knappe rechnerische Mehrheit im Landtag. Nördlich des Brenners, im österreichischen Bundesland Tirol, regiert ein schwarz-grünes Bündnis bereits in der zweiten Legislaturperiode. Im Trentino, der Südtiroler Schwesterprovinz, wurde an diesem Sonntag ebenfalls der Landtag neu gewählt. Die Ergebnisse aus Trient sollen im Laufe des Tages vorliegen.

Sowohl Südtirol, als auch das Trentino wurden erst nach dem Ersten Weltkrieg von Österreich abgetrennt und Italien zugeschlagen. Gerade in Südtirol machte Rom mitunter eine brutale Italienisierungspolitik, die bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg reichte. Erst in den neunziger Jahren wurde mit dem aktuellen Autonomiestatut für die Doppelprovinz Südtirol/Trentino der schwelende ethnische Konflikt beigelegt. Inzwischen ist Südtirol eine der wohlhabendsten Regionen Europas. Die deutsche Sprachgruppe macht etwa 62 Prozent der Bevölkerung aus, etwa 23 Prozent haben Italienisch als Muttersprache und etwa vier Prozent Ladinisch.

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