Landtagswahl in Schleswig-Holstein:Kubicki soll die Auferstehung der FDP mitorganisieren

Kubicki und Lindner im Gespräch

FDP-Vorsitzender Christian Lindner (links im Bild) und sein Vize Wolfgang Kubicki.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein soll beweisen, dass mit der FDP auch bei der Bundestagswahl zu rechnen ist.
  • Dazu setzen die Liberalen auf Wolfgang Kubicki, den Parteivize und Fraktionschef im Landtag in Kiel.
  • Sein Ton hat den Kieler Politikbetrieb entscheidend mitgeprägt - doch der weicht oft von der Bundes-FDP ab.

Von Thomas Hahn, Heide

Kubicki muss weg. Das ist für den FDP-Landtagsabgeordneten Oliver Kumbartzky aus Brunsbüttel in Schleswig-Holstein ganz klar. Wobei Kumbartzky die Erkenntnis, dass sein populärer Fraktionschef Wolfgang Kubicki noch in diesem Jahr seinen Posten im Kieler Parlament räumen soll, nicht im Ton des Palastrevoluzzers oder intriganten Emporkömmlings vorträgt. Im Gegenteil.

Natürlich ist auch Kumbartzky, 35, ein Bewunderer des erfahrenen Kubicki. Dessen Courage und gewandte Rhetorik sind vor bald 15 Jahren sogar einer der Gründe dafür gewesen, dass Kumbartzky ein Liberaler wurde. Nein, Kubicki soll nicht weg aus Schleswig-Holstein, weil seine Parteifreunde ihn nach den Landtagswahlen am 7. Mai nicht mehr wollen. Sondern weil er ihr aussichtsreichster Kandidat bei der großen Wahl im September ist. Kubicki soll dazu beitragen, dass die FDP in den Bundestag zurückkehrt, und dann nach Berlin wechseln. Kumbartzky sagt: "Wir gehen davon aus, dass er das schafft."

2013 war vom Kubicki-Effekt die Rede

Wolfgang Kubicki, 65, steckt gerade in der wohl wichtigsten Mission seines Wirkens als Parteimensch. Seit 21 Jahren ist er Fraktionsvorsitzender der Schleswig-Holstein-FDP. Sein Witz und seine präzisen Reden haben den Ton im Kieler Politikbetrieb so sehr geprägt, dass ihn wohl sogar seine Gegner vermissen würden. Spektakuläre Wahlschlachten hat Kubicki bestritten, vor fünf Jahren hat er der FDP mitten im Umfragetief ein Landtagswahlergebnis von immerhin 8,2 Prozent beschert; damals war vom Kubicki-Effekt die Rede.

Aber jetzt muss er eine etwas größere Auferstehung mitorganisieren. Die Schleswig-Holstein-Wahl mit ihm als Frontmann soll den Leuten nur einen ersten Eindruck davon vermitteln, dass die Partei des Freiheitsdenkens noch Kraft hat. Der nächste Erfolg soll eine Woche später kommen bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen mit dem Bundesvorsitzenden und FDP-Allrounder Christian Lindner als Spitzenkandidaten. Und bei der Bundestagswahl treten sie dann gemeinsam an: Parteichef Lindner als Nummer eins und sein erster Stellvertreter Kubicki als schlagfertige Rückendeckung. Für Kubicki ist diese Aufstellung mit zwei Zweifach-Kandidaten logisch - eben weil die FDP seit der Wahlniederlage von 2013 keinen Bundestagspolitiker mehr hat: "Woher sollen die künftigen Bundestagsabgeordneten denn sonst kommen, wenn nicht aus den Landtagen oder aus dem Europäischen Parlament?"

Der Plan könnte aufgehen. Die Umfragewerte der FDP in Schleswig-Holstein sind vielversprechend, bei der jüngsten NDR-Prognose lagen sie bei neun Prozent. "So gut war die Ausgangslage noch nie", sagt Oliver Kumbartzky, und das liegt vielleicht auch an der politischen Großwetterlage im Land zwischen den Meeren mit seiner Regierung aus SPD, Grünen und SSW. Den Freiheitsbegriff der FDP brauche keiner mehr, hieß es vor vier Jahren, als die Partei aus dem Bundestag fiel.

Er lächelt über eine Moral, die nur den eigenen Anspruch gelten lässt

Das sieht Kumbartzky naturgemäß anders, und gerade er kann das ganz gut erklären. Kumbartzky ist nämlich agrarpolitischer Sprecher seiner Fraktion. Sein direkter politischer Gegner ist der grüne Agrarminister Robert Habeck, der in den vergangenen fünf Jahren die Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit, Tierwohl und Umweltschutz verpflichtet hat. Da kann ein FDP-Mann, der den freien Markt und wenig Bürokratie bevorzugt, gut Kontra geben. "Wir bewerben uns als Problemlöser der Landwirte und die Grünen als deren Erziehungsberechtigte", sagt Kumbartzky. Den Satz sagt er oft bei Veranstaltungen auf dem Land. Er lächelt. "Das gibt immer den meisten Applaus."

Kubicki - Macho, Menschenfreund oder beides gleichzeitig?

Aber natürlich hat der Erfolg der FDP in Schleswig-Holstein vor allem mit Kubicki zu tun. "Er ist bekannter als der Ministerpräsident", sagt Kumbartzky, als der eher unscheinbare Sozialdemokrat Torsten Albig also. Kubickis Gesicht zieht so gut wie immer. Nach Jahrzehnten der geschliffenen Lautsprecherei ist er drin in den Köpfen der Leute. Wobei der Begriff Lautsprecherei seinem Stil nicht ganz gerecht wird, schon gar nicht jetzt, da er "altersbereinigt richtig gut drauf" ist, wie Kubicki sagt. In seinen Auftritten steckt die Kraft einer nassforschen Vernunft, durch die man nie so genau weiß, ob Kubicki ein Macho, ein mitfühlender Menschenfreund oder beides gleichzeitig ist.

Kubicki hält nicht viel von den Umständlichkeiten grüner Weltverbesserungsmodelle. An der Landesregierung kritisiert er, dass sie trotz sprudelnder Steuereinnahmen mit einem kleinteiligen Naturschutzeifer Bildung und Infrastruktur vernachlässige. Und er lächelt über eine Moral, die nur den eigenen Anspruch gelten lässt, wie er sie beim Ministerpräsidenten Albig erkennt. "Ich würde nie versuchen zu erklären, dass das, was ich glaube, denke und fühle, eine absolute Weltgeltung hat", sagt er.

Neue Umfrage

Nach einer neuen Umfrage des NDR vom Donnerstag kann die SPD derzeit auf 33 Prozent der Stimmen hoffen, die Grünen auf zwölf und der von der Fünf-Prozent-Hürde befreite SSW auf drei Prozent. Damit könne die bisherige Koalition weiterregieren. Die CDU bekäme 31, die FDP neun und die AfD nur noch fünf Prozent. Die Piraten würden aus dem Landtag fliegen, die Linken nicht hineinkommen. dpa

Oliver Kumbartzky: Mit 28 zum ersten Mal in den Landtag gewählt

Klar, zwischendurch fordert er schon mal den Rücktritt der grünen Finanzministerin Monika Heinold, weil die aus seiner Sicht zu leichtgläubig ist im Umgang mit dem taumelnden Regional-Geldinstitut HSH-Nordbank. Das gehört zum Job des Oppositionellen. Aber im Grunde lässt er jedem seine Façon. Wenn man mit Kubicki spricht, versteht man besser, warum Gutmenschen für ihn nicht automatisch die besseren Freigeister sind: Weil sie so sehr in ihren Befindlichkeiten gefangen sind, dass sie keine klaren Entscheidungen treffen. "Ich glaube nicht, dass es wirkliche Verschwörungen gibt", sagt Kubicki, "ich glaube, dass es professionelles Arbeiten gibt."

Kubicki ist streng und lässig zugleich, damit kann er Menschen gewinnen. Außerdem ist er kein Chef, der Angst vor seinen potenziellen Nachfolgern hat - das ist ein Vorteil für eine Partei, die für eine bessere Zukunft einen neuen Kubicki braucht und möglichst noch einen und noch einen. Und dazu den einen oder anderen weiteren Lindner. Oliver Kumbartzkys Beispiel zeigt, dass die Jungen bei den Freidemokraten was bewegen dürfen: Ins Kieler Parlament zog er zum ersten Mal mit 28 ein. "Bei der CDU muss man erst 30 Jahre Plakate kleben, bis man für den Landtag kandidieren darf", sagt Kumbartzky, "das ist bei uns deutlich anders." Prompt scheint sich Kubicki im Wahlkampf von Schleswig-Holstein etwas zurückzunehmen. Wenn man ihn darauf anspricht, sagt er: "Den Raum, den Sie in diesem Wahlkampf identifiziert haben, den nehmen sich die Abgeordneten der FDP-Fraktion selbst."

Schleswig-Holsteins Liberale sind anders als die Bundes-FDP

Schleswig-Holstein ist anders als andere Bundesländer. Die Randlage im Norden, die Nähe zur See haben den Leuten ein klares Bewusstsein für den Wert der Natur und die Weite der Welt gegeben. Hier stellt man sich gerne gegen das Establishment. Das merkt man auch der Landes-FDP an, die in manchen Fragen anders tickt als die Bundes-FDP: Den Atomausstieg fand sie gut, Fracking findet sie schlecht. Kubicki hat sich immer wieder mit den Berlinern angelegt. Und jetzt sind die Parteifreunde im Norden so selbstbewusst, ihren berühmtesten Mann umstandslos in die Hauptstadt schicken zu wollen.

"Uns ist nicht bange", sagt Oliver Kumbartzky. Kubicki muss weg, damit er die Partei woanders stark machen kann.

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